Oberösterreich, 38. Jahrgang, Heft 2/3 1988

Automatismus praktisch ausgeschaltet wer den und ein vergleichbares, einer bestimm ten inneren, seelischen Lagerung entspre chendes Gerüst als Konstante seiner Blätter im Sinne des erwähnten thematisch-assozia tiven Feldes fungiert. Die mittlere Generation eines Dietmar Brehm und Franz Hitz (zwei Namen übrigens, die den eingangs erwähnten noch nachzutragen wären) nimmt sicherlich im Verein mit ande ren, auch international wichtigen österreichi schen Zeichnern für die hier erwähnten eine gewisse Vorläuferfunktion ein. Ihr Einfluß auf Linzer Boden wurde parallel wirksam mit dem Erstarken der Stadtwerkstatt, mit dem dort aufkeimenden, schwankenden Klima einer auf Veränderung und Experiment bedachten, medienübergreifenden Auseinandersetzung mit lokalen Anliegen und generellen künstle rischen Fragen der Zeit. Der Maler, Zeichner und Objektkünstler Chri stian Sery, der heute in Düsseldorf lebt, ist diesem zur Kunsthochschule hin meist oppo sitionellen Milieu ebenso entwachsen wie — wenigstens zum Teil — auch Blaas und Klopf, Otto Mittmannsgruber oder der dialektische Objektebauer Pepi Maier (1959, Suben), der in ebenso gescheiter wie ironischer Art Be grifflichkeit, Zustände, Konstruktionsweisen und Materialien von Einrichtungsgegenstän den analysiert und durch seine Schnittfolgen anschaulich und frappierend freilegt. Auch Sabine Bitter (1960), die heute in Wien lebt und sich überwiegend mit kühl wirkender, di stanziert reagierender Architekturphotographie auseinandersetzt, verdankt gewisse Im pulse und Einflüsse dem Spannungsfeld von Kunsthochschule und Stadtwerkstatt. Sie hielt allerdings erweiternde Alternativen durch ein fortgesetztes Studium an der Wie ner Akademie für angewandte Kunst für ebenso notwendig wie die Videokünstlerin Gudrun Bielz, die heute innerhalb der spezifi schen österreichischen Szene über einen gu ten Namen verfügt. Bei zahlreichen der bisher genannten Künst ler läßt sich trotz verständlicher, notwendiger Spezialisierung eine erstaunliche Vielseitig keit in der bildnerischen Auseinandersetzung erkennen. Sie arbeiten hart und mit nötiger Offenheit an sich und bekennen sich in dieser Grundhaltung zum Dialog mit dem, was heute im Fluß ist und international kol portiert wird. Zugute kommt dabei der ge samtösterreichischen Szene die starke aus ländische Beachtung und die deutlich verbesserte Infrastruktur eines zunehmend professioneller gewordenen Galeriewesens (unter überwiegend weiblichem Manage ment), wie es neben Wien vor allem in Salz burg und Innsbruck, in Linz gegenwärtig je doch nur in ein bis zwei Ausnahmen anzutref fen ist. Christian Sery (1959, Linz) hat die eruptive Dynamik postinformeller Zeichnung und tektonischer Expressivität großer Formate (sie waren z. B. 1986 in der Neuen Galerie der Stadt Linz ausgestellt) in die stärker hinterfra gende Lästigkeit von Objektinstallationen mit Scheiben und Seilspulen übergeführt. Er treibt Malerei konsequent an ihre End- und Ausgangspunkte und riskiert in der intensi ven Monochromie ihrer elementaren Wirk samkeit die Korrespondenz mit dem Raum (Schloß Parz 1987, Galerie Griss, Graz, 1988). Bei dem 1957 aus Altheim gebürtigen Man fred Hebenstreit wird der Impuls aus der klug verarbeiteten Malerei der fünfziger Jahre, der sinnliche Umgang mit der Farbe und der ra sante zeichnerische Duktus mit Erkenntnis sen aus der neuen, wilden Malerei der achtzi ger Jahre, die Hebenstreit aktuell miterlebt hat, verbunden. Seine Bilder pendeln zwischen abstrakt und figurativ und gewähren in diesem Span nungsgegensatzdem Betrachter das nötige Maß an bildnerisch vielseitigem Mit- und Nachvollzug. Nur in geringem Maße im Kunstbetrieb aufge fallen ist bisher der in Bad Ischl lebende Fer dinand Götz (1955, Strobl am Wolfgangsee). Götz, der früher schriftstellerisch tätig war, Bühnenbilder und Musik für Theater in Basel, Winterthur und Nürnberg schuf, der sich mit Performances beschäftigt und keineswegs nebenbei Möglichkeiten von Installationen und Objektkunst neben der schwerpunktartig betriebenen Auseinandersetzung mit Malerei und Zeichnung wahrnimmt, ist ein intensiver, ernsthafter Arbeiter. Sein großes Thema ist der Mensch zwischen Geburt und Tod, des sen Körperhaftigkeit und Erotik. Sein und Le ben werden auf ihre Sinnhaftigkeit im Ablauf der Zeit, auf ihre Spannungen im Zueinander der Geschlechter, im Gegensatz von moder ner Zivilisation und Archaik untersucht. Die Linzerin Ingrid Kowarik (Jahrgang 1952, Absolventin der Hochschule für künstleri sche und industrielle Gestaltung und privat mit dem Zeichner, Maler und Filmemacher Dietmar Brehm verheiratet) breitet in ihrem jüngsten, dem Pastell gewidmeten Schaffens abschnitt ein beziehungsreiches, ekstatisch klirrendes Panorama aus, in dem die stets von neuem aufgegriffene Mann-Frau-Beziehung im thematischen Mittelpunkt steht. Der „Exotismus" Ingrid Kowariks erinnert vor allem in seiner kraftvollen Farbigkeit an die Kunst Lateinamerikas. Ihre Zeichnung ist skurril, kratzbürstig, von aggressiver Poesie. Kratzbürstig und skurril sind auch viele der freilich wesentlich spontaneren Zeichnungen (und Gemälde) des in Wien lebenden und auch als Schriftsteller ebenso eigenwilligen wie erfolgreichen Anselm Glück (Jahrgang 1950, Linz). Glücks artifizieller, stark dem Handschriftlichen, der Geste und flüchtigen Notiz verhafteter Stil hebt sich sehr deutlich von dem ab, was Zeichner sonst im allgemei nen bewegt und zur eigenen Standortfindung anregt. Neben dem ausflippenden Trend zu grotesker Gebärde ist es vor allem das Mo ment von Abwandlung und Serie, dem Glück in seinen eine Art von neuem, intellektuellem Primitivismus markierenden Werken Rech nung trägt. Zu einer Galionsfigur der Neuen Geometrie und ihr verwandter Tendenzen wurde der aus Linz stammende, an der Hochschule für an gewandte Kunst bei Professor Tasquil ausge bildete Gerwald Rockenschaub (Jahrgang 1952). Bart De Baere schrieb im Katalog zur Ausstellung „Aktuelle Kunst in Österreich", die 1987 anläßlich der Europalia in Gent ge zeigt wurde, von der prinzipiellen Austausch barkeit der Medien in seinem Werk: „In dem Objekt-sein wird die Abstraktion der billigen Leere konkretisiert und bekommt ein emotionelles Gewicht". Rockenschaubs meist klei nere Formate werden vom Künstler in Aus stellungen überlegt gehängt und verstärken dadurch ihre konzeptive, relativierende Grundtendenz. Vom modernen Schmuckdesign zur Plastik und Objektkunst entwickelte sich Manfred Wakolbinger. Wie Rockenschaub gehört auch der aus Mitterkirchen stammende und wie er in Wien lebende Oberösterreicher dem gleichen Jahrgang an. Wakolbingers Karierre verlief in den letzten Jahren ungewöhnlich steil, die Einladung zur 8. Documenta, 1987 Kassel, gilt darin als bisheriger Höhepunkt. Von außen spröde und sachlich, entwickeln die mit einfachem Schachtelputz umgebe nen Objekte in den mit Kupferblech ausge legten Innenräumen eine intensive Feierlich keit. Helmut Traxler spricht angesichts dieser Kontrastwirkung und materiellen Disposition von der „gedanklichen Umsetzung dieser Skulpturen, die ihre Entstehung vorrangig nicht einer körperlich-bildhauerischen Arbeit verdanken". Der Minimalismus Wakolbingers entwickelt in seiner klaren, beherrschten Ge staltung und im erwähnten Gegensatz der verwendeten Materialien einen ausgespro chen sinnlichen Bezug von hohem intellek tuellem Anspruch. Rechts: Manfred Wakolbinger, Kopf II, Skulptur Schachtelputz und Kupfer, 1987, 115 x 85 X 164 cm. Neue Galerie der Stadt Linz, Inv. Nr. 827. Foto: Peter Baum 26

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