Oberösterreich, 38. Jahrgang, Heft 2/3 1988

Wasser, Kohle, Kreide auf grundiertem Papier, 1978, 695 X 845 mm a in sehr langwierigen Arbeitsprozessen reifen über zahlreiche Zwischenstufen und Zustän de endgültige Bilder, zum Teil großformatige Radierungen. Der Weg der Verwandlung und Transformation, der sich über lange Zeit räume hin erstreckt, ist der Weg einer organi schen Entfaltung, der mit innerer Notwendig keit gerade so und nicht anders verläuft. Schaut man ihre Radierungen genau an, so sieht man — und wo man sie nicht sieht, spürt man sie — Spuren von Zeichen, die zurückgelieben sind, als sich die Zeichnung in ihrer Entfaltung verwandelt hat. Sie bleiben zurück, wie Reste einer abgestreiften Hülle, wie verlassene Kokons, und werden damit selbst zu Zeichen, die auf den stattgefunde nen metamorphotischen Prozeß verweisen. Sie halten sich durch und bezeugen davorliegende Realisationen. Dabei besitzen diese Spuren und die endgültigen Zeichen die selbe Qualität und verlangen das gleiche Maß an Aufmerksamkeit. Die einzelnen Gestaltungsphasen überzeich nen sich also nicht, indem sie das Vorliegen de zur Gänze löschen, sondern sie überla gern sich und schaffen so in ihrer diaphanen Struktur eine Dichte, die Auseinanderliegen des, also Vorangehendes und Folgendes, gleichzeitig gegenwärtig sein läßt. Es scheint, als ob damit unterschiedliche Wege einer Annäherung sichtbar werden sollen, die in ihrer Gesamtheit erst Zugang zur Bild welt schaffen. Sie sind Präfigurationen, d. h. vorbereitende Formen, die die Künstlerin in sich und aus sich entwickelte, bis zu dem Au genblick, in welchem das Werk in den Zu stand der gewollten materiellen Vollendung eintrat. Damit sind sie sichtbares, teilweise auch nur spürbares Dokument, das in Hin blick auf ein späteres Eingehen in einen grö ßeren Zusammenhang entstanden ist. Es sind zumeist nicht formale Gesichts punkte, die eine Überzeichnung herausfor dern, sondern die möglichst authentische Annäherung an die innere Bildvorstellung. Manchmal wird so eine formal bereits beste chende Lösung sogar wieder aufgegeben. Die Bilder Therese Eisenmanns sind damit Zeugnis einer Geschichte des Werdens von Bildvorstellung und ihrem Ausdruck. Diese Geschichte ist Erzählung. Und dieses narrati8

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2