Oberösterreich, 38. Jahrgang, Heft 1, 1988

1277—1626 Zeit der politischen und wirt schaftlichen Blüte der Stadt Freistadt verdankt die große Bedeutung, wel che die Stadt im Mittelalter sowohl in politi scher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht er reichte, den Privilegien, die die jeweiligen Landesfürsten ihr verliehen. Da diese Privile gien nicht immer neues Recht schufen, son dern oft nur die urkundliche Bestätigung oder schriftliche Aufzeichnung des herkömmli chen, ungeschriebenen Rechtes waren, ist es oft schwierig festzustellen, ob ein Privileg bloß die Sicherung eines bisher schon inne gehabten Rechtes bezweckt oder eine tat sächliche Neuverleihung darstellt. Die Stadt als eigentlicher Nutznießer trat an den Lan desherrn um Erteilung eines Privilegiums heran, wobei dies nicht selten durch unrichti ge Angaben — Zerstörung oder Verlust vor handener Privilegien — geschah. Diese Vor gangsweise stieß kaum auf Widerstand, da bis 1560 in der iandesfürstlichen Kanzlei keine Registratur aufgenommen war. Den Grundstein für die wirtschaftliche und politische Stellung von Freistadt legte Rudolf von Habsburg, der der Stadt durch das Di plom vom 26. Juli 1277 das Niederlags- und Stapelrecht gewährte, wodurch alle Kaufleute gezwungen waren, ihre Waren „niederzule gen" und drei Tage in der Stadt den Bürgern zum Ankauf feilzubieten. Die Waren mußten außerdem für den Weitertransport auf Fuhr werke der Stadt verfrachtet werden. Auf Grund dieses Privilegiums versuchte Frei stadt, eine Monopolstellung für Eisen- und Saizhandel nach Böhmen zu erringen und kam dadurch in Konflikt mit den umliegenden Orten. Schon seit der Mitte des 14. Jahrhun derts hatte Freistadt mit Linz, Enns, Weis, Steyr und Gmunden eine Gemeinschaft ge bildet, die vor allem der Verteidigung ihrer Handelsvorrechte diente. Um den Streitigkei ten mit den umliegenden Märkten, insbeson dere mit Leonfelden, auszuweichen, ersuch te Freistadt Herzog Rudolf IV., die Urkunde von 1277 in deutscher Übersetzung heraus zugeben. In den Jahren 1359 und 1363 bestä tigte nun tatsächlich Rudolf IV. den Freistäd tern neuerdings ihre Privilegien und verlieh ihnen auch das Meilenrecht, das den Frei städter Bürgern das alleinige Ausschank recht innerhalb einer Meile um die Stadt zu billigte. Durch das Niederlags- und Stapelrecht, 1362 erweitert auch auf Salz, und das neu verliehene Meilenrecht versuch ten die Freistädter, im Salz-, Eisen- und Wa renhandel eine Monopolstellung einzuneh men und den Handel der Märkte in der näheren Umgebung zu beschränken. Anteil an den städtischen Privilegien hatten nur die Bürger mit Hausbesitz. Lediglich den Vollbürgern stand das Recht zu, Handel zu treiben sowie Bier zu brauen und Bier und Wein auszuschenken. Das älteste Organ in den landesfürstlichen Städten war der Stadtrichter, der die Rechtspfiege über die Bürger innerhalb des Burg frieds ausübte und anfänglich vom Landes fürsten bestellt wurde. 1286 tritt urkundlich erstmais ein „Hainricus judex libere civitatis" auf. Bis zum Auftreten eines Bürgermeisters hatte der Stadtrichter auch die oberste städti sche Verwaltung inne, er entstammte meist dem alten Stadtadel oder dem Stande der Handelsbürger, nur selten dem Handwerker stand, wie z. B. Petrus Fleischmann 1397, 1402—1409 Friedrich der Pekh und 1414 Petrein der Chürsner. Der Rat, der die städtische Verwaltung be sorgte und die städtischen Ämter bekleidete, tritt in Freistadt 1354 erstmals urkundlich auf. Diese Urkunde zeigt auch das älteste Siegel der Stadt, das bis um die Mitte des 15. Jahr hunderts Verwendung hatte. In einem Verkaufsbrief von 1370 an die Bür ger von Freistadt treten zum ersten Mal ne ben dem Rat und der Gemein auch die Ge schworenen auf. Freistadt besaß als einzige der sieben landesfürstlichen Städte des Lan des ob der Enns bereits im ausgehenden 14. Jahrhundert einen Bürgermeister, 1388 tritt in einem Stiftsbrief für das Spital zu Freistadt Jacob Megerl „dl czeit purgermeister und einer des rats" auf. Die Existenz eines Stadtschreibers läßt sich in Freistadt erstmais 1371 nachweisen, als der „Offenn Schreiber maister Nyclas" auftritt. Den ersten Einblick in den Verwaltungsappa rat der Stadt gibt die Stadtordnung von 1440/47. In ihr wird die Tätigkeit und der Kom petenzbereich der städtischen Organe analy siert, die Stellung der städtischen Bewohner festgelegt und gezeigt, daß der Rat, der unter dem Vorsitz eines Bürgermeisters die Selbstverwaitung der Stadt in Händen hielt, berech tigt war, neues Recht zu setzen und neue Or gane aufzustellen. Es ist bemerkenswert, daß bereits in dieser ersten Stadtordnung Bestim mungen über den Lebensmitteihandel, das Handwerk, über die Erhaltung von Sauber keit und Ordnung in der Stadt sowie über die Kontrolie von Maß und Gewicht, Güte und Preis der Lebensmittel enthalten sind. Diese erste Stadtordnung gibt Auskunft über die Amtstätigkeit der städtischen Organe, legt den Rat mit acht Ratsmitgliedern inklusive Bürgermeister fest, gibt aber keinerlei Auf schluß über die Art der Wahl dieser Organe. Nach der Anfang des 16. Jahrhunderts aufge stellten Wahlordnung fand die jährliche Wahl des Bürgermeisters und Stadtrichters am St. Thomastag, dem 21. Dezember, statt, die Wahi des inneren Rates sowie die Besetzung Oben: „Linzerthor in Freistadt", Radierung von Theo Herzmansky, 1917, OÖ. Landesmuseum, Ortsansichtensammlung, Inv.-Nr. 70/9 Rechts: Böhmertor in Freistadt, Bleistiftzeichnung von Karl Hafner, um 1880, OÖ. Landesmuseum, Ortsansichtensammlung, Inv.-Nr. 70/17, Ansicht des Böhmertores von Norden Die ausgewählten historischen Ansichten sollen den Stimmungsgehalt vermittein, den Freistadt mit seinem mittelalterlichen Stadtbild, vor allem mit der zum Teil noch gut erhaltenen spätmittel alterlichen Stadtbefestigung, besitzt. Die Schriftleitung dankt dem OÖ. Landesmuseum für die Repro-Erlaubnis der Abbildungen, Dr. Erich Heller für kollegiale Hilfe

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