Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 4, 1987

Allerheiligen Zu Allerheiligen wird gemeinsam der Fried hof besucht, die Kinder gehen mit, soweit sie zu Hause anwesend sind. An den Gräbern werden Lichter entzündet. Früher fand eine Allerheiligenprozession statt, jetzt besucht die Familie die Abendmesse. Zu Allerheiligen beschenkt Christine Sixt ihre Patenkinder mit Allerheiiigenstriezeln, vier hat sie schon „ab gefertigt". Bevor die Patenkinder gefirmt wer den sollen, bekommen sie das Jahr davor zu Aiierheiligen die „Abfertigung": den letzten Allerhelligenstriezel vom Taufgöd. Meist kommt noch eine Kleinigkeit dazu, etwa eine Strumpfhose bei Mädchen oder bei Buben eine Geldbörse mit einer Münze. Die Schwester von Christine Sixt ist Taufgöd der Zwillinge, alle anderen ihrer Kinder sind schon abgefertigt. Advent Die Adventzeit wird von Familie Sixt bewußt beschaulich gestaltet. Am Abend nach der Stallarbeit wird in einer besinnlichen Runde, die sich um den Adventkranz vesammelt hat, der Rosenkranz gebetet. Es werden auch gerne die „Hauskirchenbiätter" dazu gele sen. Früher wurde der Adventkranz einfach geschmückt mit roten oder lila Kerzen und an die Zimmerdecke gehängt. Seitdem die Kin der aus Kindergarten und Schule kleine Ba steleien mitbrachten, verzierte Tannenzapfen etwa, wird der Adventkranz noch zusätzlich geschmückt und auf der Kommode aufge stellt. Einige Familienmitglieder besuchen freitags die Musikprobe. An diesem Wochentag fällt das adventliche Beeinandersitzen aus. An den übrigen Adventabenden werden deshalb jetzt auch Adventiieder gesungen und musi kalisch begleitet. Besonders seit die großen Kinder aus dem Haus sind, wird die Teilnah me von allen Familienmitgliedern umso lieber wahrgenommen und alle freuen sich auf diese Winterabende zu Hause. Nikolaus Im Elternhaus von Christine Sixt verkleidete sich ein Knecht als Nikolaus. Er bekam von der Mutter einen Zettel, auf dem die Ungezo genheiten der Kinder und besondere Vor kommnisse aufgezeichnet wurden. Die Kin del waren vom Nikolaus sehr beeindruckt, auch wenn sie den Knecht an der Stimme er kannten. Als die Kinder der Familie Sixt noch klein wa ren, kam auch ein Nikolaus Ins Haus. Man be stellte den Besuch eines Nikolaus entweder bei der Katholischen Jugend, oder man bat einen Nachbarn, diese Rolle zu über nehmen. Christine Sixt spielt auch gerne den Nikolaus, wenn sie eingeladen wird, etwa bei ihrer Schwester. Mit einer Mütze, einer Larve, Ball handschuhen und einem „Italienischen" Tischtuch, das vorne von einer Straßbrosche zusammengehalten wird, macht sie sich un kenntlich. Jetzt wo die Kinder schon groß sind, hat ein mal ganz spontan Hannes, der älteste Sohn, die Rolle des Nikolaus übernommen. Wenn es nun heißt „Bitte, mach uns den Nikolaus", hält er allen Familienmitgliedern mit verstell ter Stimme eine „Anstandspredigt". Er Ist da bei nicht verkleidet, spielt allein mit Mimik und Gestik. Weihnachten Besonders intensiv wird nach wie vor das Weihnachtsfest erlebt. Die Feier mit den nun schon herangewachsenen Kindern wird ge nauso beschaulich begangen, wie seinerzeit mit den Kleinen. Früher wurde der Christ baum heimlich geschmückt. Als die Kinder heranwuchsen, durften sie mithelfen. Das wurde von ihnen auch immer als besondere Freude und Auszeichnung angesehen. Weih nachten ist ein Fest, an dem alle Familienmit glieder zusammenkommen. In der großen Stube wird der Christbaum aufgestellt. An diesem Tag gibt es vor der Weihnachtsfeier Bratwürstel und Sauerkraut — ein Essen, das es sonst das ganze Jahr über nicht gibt. Nach der Feier wird ein familiäres „Kekskosten" mit Tee am gemeinsamen Familientisch veran staltet. Eine Nuß- oder Schokoladetorte wird am Ersten Weihnachtsfeiertag ange schnitten. Eine traditionelle Familienspeise wird von Frau Sixt am Christabend serviert. Extra für diesen Tag wird ein „Waka", ein Germgugeihupf gebacken, der mit besonders vielen Ei ern zubereitet wird. Schon In der Kinderzeit von Frau Sixt wurde dieser besondere Welhnachtsgugelhupf gebacken. Allerdings wur de dieses begehrte Festgebäck den Dienst boten erst nach dem Gang zur Mette serviert. Diese Mahlzeit, früher auch in Verbindung mit einem warmen Essen, wird nun in der Fa milie nicht mehr abgehalten, seitdem keine Dienstboten mehr kulinarisch zu versorgen sind. Auch im Haus ihrer Schwiegermutter wurde ein Weihnachtsgugelhupf gebacken. Frau Sixt hat keines der beiden Familienrezepte übernommen. Christine Sixt hat so lange ex perimentiert, bis sie selbst ein dem Familien geschmack entsprechendes Rezept „erfun den" hatte. Weihnachtsfeier und Bescherung werden ge meinsam mit den im Hause lebenden Großel tern, den Eltern des Hausherrn, gefeiert. Es wird aus dem Weihnachtsevangelium gele sen, die Kinder begleiten Weihnachtslieder mit Hackbrett und Gitarre. Mit dem Lied „Ihr Kinderlein kommet" wird der Abend beendet. Früher wurde im Eiternhaus von Christine Sixt zu Weihnachten und Silvester geräu chert. Dieser Brauch wurde langsam einge stellt, der genaue Grund ist nicht mehr in Er innerung. Die Familie möchte aber gerne wieder mit diesem Segensbrauch beginnen. Frau Sixt wird sich erkundigen, wie der ge naue Ablauf des Räucherganges zu sein hat. Soweit sie sich erinnern kann, wurde nach dem Füttern am Abend eine Glutpfanne mit Weihrauch durch die Ställe und die Wohnräu me getragen, alle Hausleute sind mitgegan gen, haben den Rosenkranz gebetet und Weihwasser gespendet. Früher, bei abergläubischen Leuten meint Frau Sixt, sei auch noch eine Schüssel mit Milch im Stall für die Habergeiß aufgestellt worden. Damit sollten die bösen Geister be sänftigt werden. Die Schüssel sei am Morgen auch jedesmal leer gewesen, aber Frau Sixt meint, es seien wohl eher die Katzen gewe sen, als eine hungrige Habergeiß. Am Stefanitag treffen sich seit einigen Jahren die Geschwister von Herrn und Frau Sixt. Alle bemühen sich, an dieser Familienzusam menkunft teilnehmen zu können. Dieser Tag wird mit intensiven Gesprächen verbracht und gehört ganz dem Erfahrungsaustausch dieser Generation. Rockaroas In der Woche um den Lichtmeßtag (2. Fe bruar) heißt es dann: „es sind eh Lichtmeß tag". Das bedeutet, daß in diesen Tagen die Arbeit im Haus und in der Landwirtschaft leichter genommen werden kann. Diese Zeit wird mehr dem Handarbeiten gewidmet und auch die nachbarliche Geselligkeit kommt nicht zu kurz. Seit einigen Jahren hat sich eine nachbarschaftiiche „Rockaroas" einge bürgert. Die Frauen der Nachbarschaft von fünf Häusern kommen an einem Nachmittag in der Woche zu einer Runde zusammen, um zu handarbeiten, aber hauptsächlich zum „Ratschen". Die Kinder kommen nach der Schule ebenfalls nach, die Vorschulkinder brauchen nicht in den Kindergarten zu ge hen, sondern werden gleich mitgenommen. Beginn ist etwa um 14 Uhr. Bei diesem Treffen kommen Frauen aller Al tersgruppen zusammen. Neuigkeiten werden ausgetauscht und auch die Kinder haben so eine einfache Möglichkeit, die Nachbarn ken nenzulernen, in die sozialen Gegebenheiten hineinzuwachsen und ihr Soziaiverhalten einzuüben. Diese Zusammenkünfte finden einige Wo chen hindurch jeweils in einem anderen Haus statt. Die Hausfrau setzt ihren Ehrgeiz darein, etwas besonders Schmackhaftes an59

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