Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 4, 1987

Das bei älteren Landbewohnern oft noch ver schüttet vorhandene Wissen um heilwirksa me Rezepturen und magische Heilpraktiken (z. B. „Wenden") wurde Ärzten nicht gerne mitgeteilt; vielleicht auch deshalb, weil sie sich nicht sonderlich dafür interessiert haben dürften. Wir verfügen aber — und darüber sei dem Le ser berichtet — über einschlägiges Material aus dem Bezirk Braunau, das bemerkens werterweise ein Arzt während der Zwischen kriegszeit aufgenommen hat. Er hat sich neben seinem Arztberuf als Volks kundler der Dokumentation und Erforschung von kulturellen Erscheinungsformen gewid met, beispielsweise aus den Bereichen Brauchtum, Volksglaube und Volksmedizin. Es handelt sich um Dr. med. Dr. phil. Eduard Kriechbaum (1887 Pregarten — 1958 Brau nau), der sich auch als Volksbildner einen be deutenden Namen gemacht hat. Im Lichte der gegenwärtigen Veränderung des ärztlichen Berufsbildes (Ganzheitsmedi zin neben Spezialistentum, Prophylaxe ne ben Therapie, Stärkung des Vertrauensver hältnisses zwischen Patient und Therapeut) verdienen Aufgeschlossenheit und Fort schrittlichkeit Eduard Kriechbaums besonde re Beachtung. „Im Dämmergrau sehe ich den Tag heraufzie hen, wo man Menschen nicht nur zum Lesen, Schreiben und Rechnen erzieht, sondern wo man sie auch mit ihrer ureigensten Heimat, ihrem Körper und ihrem seelischen Leben vertrauter machen will. Dann ist die Stunde für den Arzt als Volkserzieher gekommen."^ Er hat die oben erwähnten Zielsetzungen stets offen propagiert und als Arzt zum Wohle seiner Patienten selbst angewendet, als For scher schon sehr früh einen erst viel später tatsächlich eingetretenen kulturellen Wandel erkannt und dementsprechend gehandelt. Dadurch konnte er sich weitere Verdienste um die wissenschaftliche Volkskunde erwer ben. Über 500 in Druck erschienene Veröf fentlichungen bezeugen seinen Fleiß und seine Vielseitigkeit als Wissenschafter. Mit dem vorliegenden Beitrag sei aus histori scher, wie auch aktueller Sicht auf das be sondere Naheverhältnis von Volksmedizin, Volksglauben und Brauchtum hingewiesen. Volksmedizin Naturgemäß setzte sich Eduard Kriechbaum als Arzt mit diesem Problem auseinander und betonte, daß der jahrzehntelang am Lan de lebende und insbesondere der auch volks kundlich tätige Arzt „die nur beinahe schar fen Grenzen" zwischen der Schul- und Volksmedizin „in ihrer weitgehenden Bedeu tungslosigkeit"^ erkennen werde. Schließlich habe sich auch so manches „Heilige Bründl" als eine klinisch beachtenswerte Heilquelle erwiesen. Als Volkskundler erforschte Kriechbaum Ur sachen und Zusammenhänge der Phänome ne aus dem Bereich der Volksheilkunde. Er versuchte, ihre Entstehung und Entwicklung zu ergründen und deren Beziehung zu den übrigen Volksüberlieferungen darzulegen. Dabei stieß er neben empirisch erworbenem Wissen auf eingewurzelte Glaubensvorstel lungen christlich-religiösen, aber auch magi schen Ursprungs. So geht es Kriechbaum, interpretiert man ihn richtig, nicht primär um die äußeren Formen, derer man sich im Volk bei heilkundlichen Praktiken bedient, sondern um die Inhalte — die Vorstellungen also —, aus denen diese er wachsen sind. Die Suche nach diesen „Vor stellungen" führt ihn in den Bereich des Volksglaubens. Da räumt man, folgt man Kriechbaums Unter suchungen, im Innviertel der Krankheit einen gewissen Persönlichkeitscharakter ein, der auch in der umgangssprachlichen Benen nung seinen Ausdruck findet; man spricht nicht von der Krankheit, sondern von dem Krank. „Der Krank" ergreife von einem Men schen Besitz. Opfergaben und Beschwörun gen sollen den „Krank" versöhnen oder ver treiben. Die Personalisierung der Krankheit geht also weit über das hinaus, was man bei chronisch Kranken das „Auf-Du-und-Du-Leben" mit der Krankheit nennt. In der sprachlichen Benen nung etwa von Erkrankungen äußert sich, bei Anwendung der psychologischen Betrach tungsweise, die Eigenart des Volkes sehr deutlich. Es muß erstaunen, daß der Arzt und Volks kundler Eduard Kriechbaum bei der großen Anzahl seiner Veröffentlichungen nur eine Abhandlung der Volksheilkunde gewidmet hat. Als Erklärung bieten sich die Äußerungen von Gustav Jungbauer im Vorwort zu seinem Werk über die „Deutsche Volksmedizin" an. Er schreibt: im übrigen ist die Meinung, daß der Arzt an der Quelle der Volksmedizin sitzt und vor allem dazu berufen ist, den volksmedizinischen Stoff zu sammeln und zu erforschen, nicht richtig."® Nur ausnahmsweise, wenn der Arzt selbst aus dem Volk stamme und klug vorgehe, wer de er Erfolg haben. Sonst hüteten sich für ge wöhnlich die „Volksheilkünstler", wie auch die von ihnen Behandelten davor, einem Arzt nä here Angaben zu machen. In seinem Aufsatz mit dem Titel „Frösche und Kröten im Volksglauben und in der Volksheil kunde'"* beschreibt Eduard Kriechbaum Die sogenannte „Neidfeige", hier aus bunt bemaitem, geblasenern Gias, wurde als Apotropaion, d. h. Zaubermittel gegen Unheil, verwendet. Bezirksmuseum Braunau am inn auch die gebräuchlichen Heilpraktiken nä her. Das tut er zwar auch in anderen Veröf fentlichungen, jedoch meist dann, wenn er den Bereich des Volksglaubens behandelt. Dabei betont er vor allem die mit den entspre chenden Verrichtungen verknüpften Vorstel lungen. In der erwähnten Arbeit widerspricht er der Erklärung von Richard Andrea, die dieser für die Opferung von Weihegaben in Gestalt von Fröschen und Kröten gibt.® Kriechbaum meint, man müsse — bevor man mit scharf sinnigen Deutungen beginne — die Worte erst in ihrer sprachlichen Anwendung unter suchen, und er versucht, seine Kritik an Andrea durch folgende Beispiele zu belegen: Leiden Kinder an starkem Speichelfluß, so sagt man im Innviertel „das Kind hat den Frosch", denn die Kinngegend ist fortwäh rend so feucht und glitschig wie die Haut des Frosches. Gegen den Frosch gibt es zwei Mit tel. Zum ersten fängt man zwischen den „Frauatagen" (Mariä Himmelfahrt bis Mariä Geburt) einen Frosch, hüllt ihn in ein Stück 52

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