Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 4, 1987

/ * K blasen und Anstich eines Hochofens ge bräuchlich sind, beschränken sich auf einen relativ engeren, sachlich und fachlich bezo genen Teilnehmerkreis und lassen trotz aller an den Tag gelegten Freude letztlich doch eher einen besinnlichen Grundton im Ar beitsbrauch spüren. Sinnbildliche Handlungen zum Zweck der „Indienststellung" sind neuerdings auch in geradezu unerwarteten Situationen zu ver merken. So nahm Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck am 1. Oktober 1984 in Schwertberg das Verschweißen der Erdgas rohrleitung vor und setzte damit eine wichtige Versorgungsanlage symbolisch in Betrieb. In diese Reihe von Bräuchen müssen auch die gelegentlichen Schiffs-, Einsatzfahrzeug oder Tunneltaufen gezählt werden, die sogar das Nebeneinander von weltlicher und geist licher Zeremonie zulassen, wo überdies auch schon aus der Bezeichnung „Taufe" die ge wollte Nachahmung der sakramentalen Taufllturgle zu erkennen ist. Im November des Jahres 1984 fand sogar eine Brückentaufe, und zwar nächst der Mühlviertler Burg Falkenstein, statt. Erst durch sie schien das notwendige Straßenglied zur Nüt zung freigegeben. Nicht unbeachtet sollte der Umstand bleiben, daß bei solchen Ge sten, durch die Dinge ihrer Bestimmung, sichtbar gemacht, zugeführt werden, neben dem reichlich verschütteten „Taufwasser" zu sätzlich auch noch ein Band durchschnitten wird, so daß Name und Funktion ihre „kulti sche" Berücksichtigung erfahren. Ein eigenes Kapitel ist das Eröffnen von Fe sten und anderer größer angelegter Veran staltungen. Hier hat sich — wie es scheint — ein recht typisches, unumgängliches Ritual eingespielt, was am Beispiel des Urfahrer Marktes gut abgelesen werden kann. Am 30. April 1956 hatte der damalige Linzer Bürger meister Franz Hillinger zum ersten Mal zum Zeichen behäbiger Fröhlichkeit vor aller Au gen ein Faß Bier angeschlagen. Eine Geste, die unglaublich rasch im Lande Nachah mung gefunden hat, denn heute gibt es kaum mehr eine Festhalle, wo dieses Ritual nicht durchgeführt würde. Das Vorbild zum exem plarischen Bieranstich hatte damals, wenige Jahre zuvor, Münchens Bürgermeister Wim mer auf der „Wies'n" geschaffen. Von dorther dürfte wohl zusätzlich die Praxis unserer Festveranstalter übernommen worden sein, gleich einen ganzen Ochsen auf dem Spieß zu braten, und 1957 entschloß sich dann auch die Linzer Obrigkeit, diesen Braten „zeremoniell oder rituell" — wie immer man es bezeichnen mag — anzuschneiden. Zu den neueren Eröffnungsbräuchen, so auch des Urfahrer Marktes, gehören die seit 1957 attraktiv vorgetragenen „Amtsfanfaren", die gleichsam als tönende Insignien des Bürger meisteramtes aufgefaßt werden dürfen. Seit es immer weniger Königreiche und ge krönte Häupter in der Welt gibt, sind sie im Spielbrauch der Leute wenigstens als Paro die sehr gefragt. So treten diese Adelsgestal ten als Faschingsprinzenpaare, als Schönheits-, Blumen- und Weinköniginnen auf, um Bürgermeister Hugo Schanovsky übergibt dem Faschingsprinzenpaar den Schlüssel des neuen Linzer Rathauses. Foto: Kurt Aigner, Linz Rechts unten: Fröhliche Gautschfeier in Linz. — Foto: Kurt Aigner, Linz das Außerordentliche einer Veranstaltung hervorzuheben. In dieser Absicht ist 1968 für Urfahr auch die Wahl einer Marktkönigin ein geführt und bisher beibehalten worden. Gewisse Parallelen zur Eröffnung diverser volkstümlicher Veranstaltungen zeigen sich mitunter auch beim Sport; nämlich dann, wenn es sich um nennenswerte Anlässe han delt. So besorgt den „Anstoß" eines Fußball spieles symbolisch der prominenteste Ehren gast. Zu einem allgemein gültigen, festliegenden Ritual scheint der Ablauf von Siegerehrungen geworden zu sein, wo die sichtbar gemachte Rangordnung ohne das bekannte, ungleich hohe Podest nicht mehr auskommt. Bei Siegerehrungen des Renn sportes — Läufer und Fahrer aller Art — hat sich bedauerlicherweise eine unsinnige Ver zerrung eingeschlichen, indem man die Aus maße des Siegertrunkes als auch des Slegeskranzes total verkennt. Statt des uns aus der Antike bekannten Bechers, werden nun Pokale In Kübelgröße angefüllt und leer ge trunken, riesenhafte Sektflaschen entkorkt und ihr Inhalt verspritzt. Der einst so gefällig gewundene Siegerkranz erinnert dort in sei nem Umfang eher an einen Grabkranz. Es sind dies ausartende Entwicklungen, die lei der zeigen, daß sehr rasch aus einem Brauch ein Mißbrauch werden kann, wenn die den Dingen innewohnenden Sinnbilder nicht mehr begriffen werden. Um aber noch bei den neueren Bräuchen im Sportbetrieb zu bleiben, sei auf anerken nenswerte Gepflogenheiten hingewiesen. 46

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