Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 4, 1987

brauchtums Anleihen aus Oberösterreich, wohl auch um ein Integratives Verhalten zu bekunden. Das Trachtenwesen nimmt bei den Siebenbürger Sachsen der Gegenwart einen bedeutenden Stellenwert ein, was auch gut besuchte Lehrgänge und Kurse zum Trachten-Sticken beweisen. Der Brauch, die mit Volkskunst prächtig eingerichteten Stu ben In der neuen Heimat wieder aufleben zu lassen, hat zugenommen, was gewiß auch dem materiellen Wohlstand zuzuschreiben Ist. In den Eigenhelmen der Siebenbürger Siedlungen findet man vereinzelt wieder diese prächtig ausgestatteten Stuben. Das darstellende Brauchtum Ist gut organisiert, die geschlossenen Siedlungen, das Vereins wesen und der protestantische Glaube sind Garant dafür. Letztendllch und nicht minder bedeutend Ist es die Musik — das Lied aus der alten Heimat —, die eine Verbindung herstellt und die Tra dition nicht abbrechen läßt. Die Volkshymne „Siebenbürgen, Land des Segens", die bei je dem noch so kleinen Treffen der Slebenbürger Sachsen gesungen wird, zeugt davon, daß man die Liebe zur alten Heimat und da mit auch zu Ihrem Brauchtum nicht sterben lassen will. Bei den Donauschwaben sind es vor allem die geselligen Anlässe, die das Brauchtum In der neuen Heimat bestimmen: Volkstumsnachmlttage, Volkstanz, Mundartlesungen, Treffen von Trachtengruppen und als Krö nung der Schwabenball. Alle diese Ver anstaltungen werden mit dem Prinz-EugenMarsch, der als Volkshymne der Donau schwaben gilt, eingeleitet. Aus dem reichen Trachtenangebot der Donauschwaben wird z. B. heute noch die blütenweiße Marlenmäd chentracht vor allem bei kirchlichen Festen getragen. Sie besteht aus fünf bis sechs wei ßen Röcken, einer Schürze, einer Bluse, blauen Bändern und einem bunten Wachs kranz, aus einem Anhänger mit der Mutter gottes und einem kleinen Wachssträußerl. Ein bedeutender Brauchtermin der Donau schwaben Ist die Gelöbniswallfahrt nach AltÖttlng, die Im Juli abgehalten wird und bei der Donauschwaben aus den verschieden sten Ländern einander treffen. Erster großer Höhepunkt Ist die Lichterprozession nach Einbruch der Dunkelheit, Angeführt wird der Zug von Wallerkreuz und Wallerfahne, mitge tragen werden auch Muttergottes-Statuen. Am nächsten Tag, einem Sonntag, wird dann das festliche Pontlflkalamt In der Basilika ge feiert. An die 6000 Donauschwaben kommen alljährlich nach Alt-Ötting, Musikkapellen, Trachtengruppen, Einzelpersonen In Tracht und nicht zuletzt die weißen Marlenmädchen. Als altes noch gepflegtes Brauchtum der Kar patendeutschen In der neuen Heimat Ober österreich gelten vor allem die „Oberuferer Weihnachtsspiele, das Paradeis-, das Chrlstgeburts- und das Drelkönigssplel". Der Wortlaut der Spiele stammt aus dem 16. Jahr hundert, bei den Liedern handelt es sich um altertümliche Welsen, von denen die meisten anfangs des 17. Jahrhunderts Ihre Prägung erfuhren. Die Aufführung dieser Weihnachtsspiele In Oberufer, einer Nachbarsgemeinde von Preßburg, jetzt dorthin eingemeindet, war von jahrhundertealter Überlieferung be stimmt. Charakteristisch dabei der Einzug der Darsteller, der viertaktige rezitative Vor trag der Verse, die rhythmischen Bewegun gen und symbolischen Gesten. In Oberöster reich, speziell In Linz, wurden diese Spiele Jahre hindurch von karpatendeutschen Spielgruppen zur Weihnachts- und Neujahrs zelt aufgeführt. Seit einigen Jahren hat die Anthroposophische Gesellschaft Linz die Aufführung In Ihr Programm aufgenommen, wobei auch karpatendeutsche Nachkommen mitwirken. Viele Heimatvertriebene, Sudetendeutsche, Siebenbürger Sachsen, Donauschwaben, Karpatendeutsche sowie Deutsche aus der Bukowina, aus Polen und russischen Gebie ten fanden In Oberösterreich eine neue Hei mat. Ihr Brauchtum nahmen sie mit, leben es und geben dies an die Jugend welter, die die alte Heimat nur mehr von Erzählungen kennt. Durch die Übersiedlung In ein Land, das vom alpenländlschen Kulturkreis geprägt Ist, Ist es nur zu verständlich, daß es auch Volks deutsche Bräuche gibt, die nicht mehr tra diert werden können, andererseits aber wie der von der Volkskultur unserer Region Anleihen genommen werden. Dieses Geben und Nehmen trägt dazu bei, daß sich die Volksdeutschen heute als Österreicher füh len, sich aber auch zum Brauchtum Ihrer al ten Heimat bekennen. Literaturangaben: Rudolf Fochler: Von Neujahr bis Silvester. Volkstümliche Termine in Oberösterreich, Linz 1971. Helene Grünn: Volkskunde der heimatvertriebenen Deutschen im Raum von Linz (Veröffentlichungen des Österreichischen Museums für Volkskunde, Bd. XiiI). Wien 1968. Für Informationen danke ich Gertraud Schaner, Dr. Fritz Frank, Michael Stertz und Johann Lassiob. 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