Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 4, 1987

„Mir sollten dem Kindl was bringe" Karl Pangerl Die Krippe — ist sie nicht ein Märchen in ge schnitztem Holz, Moos und Farben? Das Zauberwort Weihnacht erweckt sie zum Le ben, wechselvoll und bewegt, bis sie nach Maria Lichtmeß wieder in ihren Dämmer schlaf versinkt. Sprachgeschichtüch wäre der Vergleich durchaus zulässig, denn das ur sprüngliche „Märlein", vom „Märchen" abge löst, stellt ein Gebilde zu dem viel älteren „maren" dar; etwas Großes, Bedeutendes verkünden. Die Weihnachtskrippe verkündet nichts Ge ringeres als die Geburt des Erlösers. In den Herrgottswinkel der Stube gefügt oder zwi schen den äußeren und inneren Fensterflü gel, immer schildert sie das Geschehen voll tiefgründiger Heiterkeit, eingebettet in das Volksleben. Demzufolge fehlt das Böse nahezu gänzlich, sieht man vom Geiz des Wirtes ab. Das Fin stere wird durch den Wolf dargestellt, und der ist es im Grunde nicht wirklich, schuf ihn doch sein Schöpfer, damit nicht die Hirsche in Unvernunft und Überzahl die Jugendholztrie be verbeißen, ehe der Förster mit Pinsel und Schutzfarbe ausrücken konnte. Ausgerech net sein verhäuslichter Vetter tritt ihm als „Huß-Meilackl" oder „Mähack" entgegen. Was nicht verwundern sollte, denn in über zehntausend Jahren entfremdet man sich leicht, und die Domestizierung des Wolfes reicht tatsächlich bis in die Altsteinzeit zu rück. Ein bisserl wild ist er aber geblieben, der Gute, wie ein Gmundner Krippenlied belegt: „Du, Mithirt, heft den Mähack an, daß er daweii neamt beißen kann!" Prunk ist mit Demut und Weisheit verbunden. Die Könige rücken erst allmählich ins Blick feld, und auch sie beugen das Knie vor der menschgewordenen Liebe, von der Johan nes schreibt, sie allein tue dem Nächsten nichts Böses. Das Volk ist nicht reich, seine Geschenke sind einfacher Leute Gaben wie das Brot, das sie darbringen: „Mei Bua, i han mi sehe z'sammgricht, geh, leich ma gschwind an Strick! I bring dem Kindl a Kletzenbrot und a a Lamperl mit. Du nimmst a weng a Oar, a Mehl, daß sie eahm kinand kocha schnell, da Maxi nimmt a Heu und Stroh, dem Esi a Fuada a." (Ebensee) Kletzenbrot buk man in der Fastnacht, das ist die Nacht vor dem Weihnachtsfasttag, dem Heiligen Abend. Als Laib oder in Weckenform stand das köstliche Gebäck aus Germteig, gedörrten Birnen — den Kletzen, Dörr zwetschken, Feigen, Walnüssen, Rosinen, Koreander, Fenchel, Zimt, Nelken und einem Schuß Zwetschenschnaps während der ge samten Festzeit auf dem Tisch. Knechte und Mägde durften sich davon abschneiden, so fern sie nicht ihren eigenen Striezel erhielten. Besuchern und Bettlern wurde ebenfalls statt des Hausbrotes eine Schnitte Kletzenbrot aufgewartet. Seine eigene Bewandtnis hatte es damit, wenn Burschen und Mädchen am Stefanitag zusammenkamen. Dabei mußte jeder die Seine ums Anschneidenlassen bit ten und die Glätte des Schnittes zeigte, wie weit er noch vom Ziel seiner Wünsche ent fernt war. Manche antwortete mit einer hoff nungslos stumpfen Klinge oder hatte gar eine Stricknadel eingebacken. Natürlich war an gesichts solchen Widerstandes schadenfro hes Gelächter die Folge. Das eine oder an dere Messer soll aber auch geschliffen gewesen sein! Aües nur erdenklich Nützliche tragen die Hir ten in ihren Händen, auf den Schultern und im Schnappsack herbei, beschenken nicht nur das Kind, sondern auch Maria und Josef, die noch mittelloser sind als sie selbst: „A wengerl a Schafwoll is a dort dabei, weils Kind a so daliegt am spießigen Heu. Geh Muada, nimm d' Schafwoll, hüll 's Kinderl schön warm, es tuat ma dabamma, das Hascherl das arm!" „I han a Lamperl, und er hat an Hahn, schau, liaba Jagal, das Kind lacht uns an, sinst san ma gar nix me, Adam, gib in Kasloab he, 's Weib und der Mann, se essen ihn schon!" (Gmunden) Der Ebenseer Schnitzer Franz Frey, Arbeitsamts-Dienststellenleiter in Ruhe, weiß nach 16 Jugendjahren in der Saline gut Bescheid über die Pfannhauser-Stuben, wo 1609 das erste Salz gesotten wurde. In eineinhalbStunden-Intervallen galt es, die Sudpfanne auszukratzen und neu zu füllen. Dazwischen blieb ebensoviel Zeit frei, in der die Männer viel reimten und sangen, jahreszeitlich be dingt auch Krippeniieder. Was den Weg zum Volkslied fand, schrieb ein anderer Jahrzehn te später auf und Generationen danach form ten die Kripperlschnitzer ihre Figuren nach diesen Strophen, in Ebensee sind die Verse geläufig wie die Kurztitel ihrer Motive und werden stellenweise sogar lieber gebraucht: „Schau, Demi, dort lauft schon der Urbal dahe. Es is völlig, als wann er fürs Kind scho was hätt'. A schneeweiße Leinwand, ein' wunderschön Fink, De allweil zie zie zie reit herzu singt!" (Ebenseer Liederbuch 1826) Die Vogelstimme klingt wie „zia, zia, ziareit-herzua" und der einstige Demi ist der Thomas von heute. Linde, Erle und Zirbe dienten als althergebrachte Holzarten, selte ner sind Birnen- und Pfaffenkapperlhoiz. Franz Frey durfte zum ersten Mai als zehnjäh riger Bub Vaters Hohleisen und den „Goaßfraß" zur Hand nehmen. Damals entstand ein Lamperl, „Der mit der Butter-Henn" blieb spä teren Mannesjahren vorbehalten: „I han a weiße Butter-Henn, Dö nimm i a mit mir, Gebts Achtung, balds zum Stall hinkömmts. Dort laufts ma keiner für. Dort faiin ma nieder auf die Knie, Gib acht, Riepi, sei nit schie, Aft tan mas grüßen alle drei. Ja, ja, es bleibt dabei." (Ebenseer Liederbuch 1826) Das Kripperijahr beginnt bereits im Sommer, wenn aus trockenen Gerinnen „die Wurzn" für den „Krippenberig" geholt werden, ge bleichte, vom Wiidwasser glattgeschliffene Wurzelstöcke. „Ameisenholz" von modern den Strünken findet sich ebenfalls; unzählige Gänge und Höhlen, von allerlei Insekten ge bohrt und genagt, verleihen ihm die geglie derte Oberfläche des Kalksteins, Schwämme bilden natürliche Feisbalkone. An schönen Herbsttagen, oft sind die Höhen schon angezuckert, geht der Krippenvater in den Wald um „den Mias", das Moos. „Der Hauptmias" für die Wiese vor dem Stall und die Hochweide, „die Hoad", ist das KammMoos mit dichten, meist flach gedrückten Pol stern auf Kalkfelsen. Es wird noch zwischen zwei Brettern „geschwert" und getrocknet, ehe es ans „Anmiasen" geht; sonst stünden Hirten und Schafe schief oder nähmen durch die Nässe Schaden. „Der Schockerlmias", wie die Ebenseer das Weißmoos nennen, formt mit seinen Samthügeln die Landschaft, wogegen die gefiederten Stengel des „Kramperlmias", des Kranzmooses, für die „Kripperifeichten" gut sind. Sie gehören als Ast werk in fein vorgebohrte Holzstämmchen gesteckt. Doch alles mit Bedacht! „Holz wächst nur im Holz zu", sagen die Forstleute, das gilt für den gesamten, empfindlichen Haushalt des Waldes. Eigentliche Mooswäl der sind selten; ich selbst kenne nur einen — in den Hängen des Schrott-Gebietes. Ge wohnte Geräusche fehlen. Bäume und Fel sen unter ihren Hauben starren wie neugieri ge Gnome auf den Fremdling, das lautlose Gehen über schwingende Polster gleicht 23

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