Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 3, 1987

Kunst der Gegenwart Links: Blumenstilleben, Öl auf Leinwand, 98 x 68 cm, bezeichnet rechts unten Poetsch Über den Surrealismus gibt es, wie für jede zeitgenössische Stilrichtung, viele Definitio nen. Eine davon, sie stammt von dem be kannten Kunsthistoriker Germain Bazin (Bot schaft der Kunst — Originaltitel: The Loom of art, in deutscher Übersetzung erschienen 1962 in der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. München—Zürich) unterOben: Zugang zum Atrium, Öi auf Leinwand, 128 x 100 cm, bezeichnet Biidmitte Poetsch streicht diese Abschirmung der Bildwelt von Franz Poetsch gegenüber dem Surrealis mus: „Inspiriert von der Lehre Freuds, ist der Surrealismus die Verbildlichung jener Vor gänge, die sich in den geheimnisvollen Tie fen des Unterbewußtseins ereignen. Er offen bart den Kampf zwischen dem Willen zum Leben und der Todessehnsucht, zwischen denen sich das Leben bewegt." Franz Poetsch bewegte sich zeit seines Lebens weit entfernt von „Verbildlichungen des Unterbe wußten". Dazu eine Notiz von ihm: „In unserer weiten Erde in ihrem tiefsten Inneren, umge ben von Schlacken und Grausamkeiten, ruht der Keim der Vollendung." Also eine durch aus positive Weltsicht! Die Schattenseiten werden wohl erkannt, in der Suche nach einem positiven Ausweg jedoch über wunden. Wenige Jahre später, 1955, fiel für Franz Poetsch eine neue wichtige Entscheidung: die Faszination des Goldenen Schnittes. In diese Richtung führten ihn vor allem Aufträge zur künstlerischen Ausgestaltung von Neu bauten (Kunst am Bau) — Brotarbeiten, die er stets mit künstlerischem Ernst erledigte. Als Musterbeispiel sei das Sgrafitto am neu er richteten Gemeindeamt Wilhering „Grün dung des Zisterzienserstiftes Wilhering" (1955) angeführt. Daheim im Atelier übertrug er diese Beobachtung geometrischer Ge setzlichkeit auf eine Bildthematik, die ihn in diesen Jahren fast ausschließlich bewegte: die Kinderwelt. Die Anregung dafür kam ihm von der Freude an seinen eigenen Kindern. Als er 1958 (Februar/März) zu einer Ausstel lung in der Wiener Secession eingeladen wurde, beschickte er diese schwerpunktartig mit Bildern dieses Inhaltes: Kind mit Steckenpferd, Kind mit Puppenwagen, Kind mit schwarzer Haarmasche, Spielzeugtisch, Spielzeugecke, Kind mit Ball usf. Wie sehr Franz Poetsch für seine Arbeit die ständige Begegnung mit dem Naturvorbild — mit der Realität — benötigte, beweist der Um stand, daß diese eigenwilligen Kindfigurationen aufgegeben wurden, als seine eigenen Kinderden Kinderschuhen entwuchsen. Das Ölgemälde „Kind mit Vogelkäfig" vermittelt denn auch den Übergang zu einer neuen Bildthematik: Erlebnis der Vogelwelt. Im Atelier verschwinden nun die Aquarien und werden durch Vogelkäfige ersetzt. Franz Poetsch wird zum begeisterten Vogelzüchter. Bei der Arbeit umgibt ihn ein Gezwitscher und Geflatter, daß man damals bei einem Ge spräch mit ihm in seinem Atelier oft das eigene Wort nicht verstehen konnte. Er blühte auf in dieser täglichen Freude an seinen ge fiederten Freunden: „Morgen, Mittag und Abend im Garten der Vogelfreunde" nennt er 1966 ein großformatiges Tryptichon. Es er greifen ihn aber auch die „Grausamkeiten" in dieser Welt. Die Nähe des Todes zum Leben durchzuckt den Künstler oft auf seinen We gen. Sie bewegt ihn vor allem in der Begeg nung mit der hilflosen Kreatur, deren Da seinszweck eigentlich nur die Schönheit wäre (Katalogtext 1967). Als markantes Bild beispiel in diesem thematischen Zusammen73

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