Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 3, 1987

Kunst der Gegenwart Franz Poetsch: „Nicht die Erscheinung, sondern die Idee der Dinge schaubar machen." Otto Wutzel Das Lebenswerk von Franz Poetsch ist durch den frühen Tod des Künstlers — gestorben am 19. August 1971 im 59. Lebensjahr — ein Torso geblieben. Vielleicht ist dieses abrupte Ende seiner Lebensbahn mit ein Grund, daß es so schwerfällt, die Erinnerung an ihn wachzuhalten und ihm in der österreichi schen Gegenwartskunst jenen Platz zu si chern, der ihm gebühren würde. Oder es gibt noch eine andere Erklärung! Er beugte sich zu Lebzeiten niemals einem Kunstdiktat, wie es im „Feuiiietonistischen Zeitalter" (Her mann Hesse: Das Glasperlenspiel) gerne be trieben wird. Auf einem Zettel schrieb er ein mal die Notiz, daß der heutige Kunstbetrieb einem „Varietebetrieb" gleiche, in dem „vom Maler mit jeder Saison ein neuer ,Schiager' verlangt wird." Zum Zeitpunkt seines jähen Todes befand er sich in einer glücklichen Aufbruchsstim mung. Er fühlte sich dem Ziel nahe, dem er seit langem zustrebte, in seiner künstleri schen Arbeit „Gegenständliches und Ab straktes zu einer Synthese zu bringen." Auf dem Notizblatt, von dem dieses Zitat stammt, können wir weiter lesen: „Es ist schwierig, eine klare Grenze zwischen abstrakter und gegenständlicher Malerei zu ziehen. Mein persönliches OEuvre nimmt an beiden Rich tungen teil. Eine Synthese der Kunst van Gogh = reine AusdruckKunst und der von Mondrian = reiner Stil. (Einen Garten zu schaffen, in dem sich die Phantasie des Be trachters verlieren kann.)" Sein großformatiges Ölgemälde „Durchdrin gungen" (100 X 118 cm), das er knapp vor sei nem Ableben vollendete, erscheint in diesem Sinne wie eine Botschaft. Franz Poetsch dürf te mit diesem und anderen Bildern seiner al lerletzten Schaffensperiode das künstleri sche Ziel erreicht haben, das er sich gesteckt hatte, auf das vorhin hingewiesen wurde. Er sah nun vor sich einen harmonischen, in sich beruhigten Schaffensweg, auch frei von ma teriellen Sorgen. Unter seinen flüchtigen Notizen finden wir eine weitere Anmerkung, die gerade in einer Zeit übersteigerter Intellektualität Beachtung verdient: „Jene Wärme, die aus dem Kontakt mit der Natur herrührt und aus dem Bewußt sein, daß zwischen dem sinnlichen Eindruck und dem späteren künstlerischen Ausdruck kein intellektueller Akt, sondern eine gefühls mäßige Transformation liegt." Dieser Gedankengang öffnet einen Zugang zum besseren Verstehen der Bildweit des Franz Poetsch. Darin dokumentiert sich die Naturnähe, ja bedingungslose Naturverbun denheit dieses sensiblen Malers. Losgelöst von formalen und stilistischen Kriterien wird uns damit eine vertiefte Wertung seines Schaffens ermöglicht. Sein Lebenswerk ge winnt dadurch in einer Zeit schmerzlich er wachten Umweltbewußtseins höchste Aktua lität. Das ist auch die Begründung für eine Abhandlung über den Künstler in diesem Heft der Zeitschrift „Oberösterreich" mit dem Schwerpunktthema „Natur — Mensch — Umweit." Die Natur als Leitlinie der Kunst — ein unmo dernes, auf längere Sicht vermutlich aber dauerhafteres Ideal! „Realismus ist nicht das Gleiche, sondern sogar das genau Entgegen gesetzte von Naturalismus", so lautet eine an dere Notiz in seinem Nachlaß. Sein Beginn war, wie es in seiner Studienzeit 1937—1944 mit Unterbrechungen durch Kriegsdienst nicht anders sein konnte, akade misch. Zum ersten Mal beteiligte er sich an einer Kunstausstellung 1944 im Linzer Volks garten. Die damaligen Bildtitel belegen kon ventionelle Bildinhalte: Zwei Ölgemälde „Trauer" und „Jaguarpaar in Schönbrunn", so wie einige Kohle- und Kreidezeichnungen (Bildnisstudie, Selbstbildnis, Kopf eines Ar beiters, Kartoffelernte). Nach Ausstellungs beteiligungen in der Traunviertler Künstlergil de in Weis und bei der Berufsvereinigung der Bildenden Künstler in Linz und Wels stellte er Mai/Juni 1950 zum ersten Mal in der Neuen Galerie der Stadt Linz gemeinsam mit Toni Hofer, Johannes Krejci, Josef Schnetzer und Toni Vorauer aus (so ortsgebunden fühlte sich damals die Neue Galerie noch). Seine Ölbilder, Aquarelle und Kreidezeichnungen in dieser Ausstellung wurden freudig als Bei spiele eines farbenfrohen Spätimpressionis mus begrüßt. Das traditionsgebundene Lin zer Kunstpublikum setzte große Hoffnungen auf dieses junge Talent, das sich 1945 end gültig für Oberösterreich als Wahlheimat ent schieden hatte. Im Katalog zu dieser Ausstel lung ist sein Ölbild „Stehende" abgebildet, ein reizendes Mädchenbiidnis voll impressio nistischem Esprit. Zu diesem Zeitpunkt hatte jedoch Franz Poetsch innerlich bereits mit seiner Frühpha se einer tradierten Malweise gebrochen und diesen Umbruch mit einem radikalen Akzent markiert, indem er — für seine Umgebung Franz Poetsch mit Gattin und Tochter Karina bei Eröffnung seiner Ausstellung in der Künstiervereinigung MAERZ 1971, wenige Wochen vor seinem Abieben. — Foto: H. G. Priiiinger, Gmunden. 71

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