Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 3, 1987

Historische Kunst „Leitmotiv" dieser Ausgabe (Landschaft — Natur) die Landschaftsbilder österreichischer Provenienz einer gesonderten Betrachtung unterzogen werden. Schon im Inventar von 1608 ist die Rede von vierzehn eingefaßten Landschaftstafeln, wel che sich in der alten Propstei befanden (1622 werden nur noch vier genannt).® Wie weit in diesen Arbeiten der Landschaftsgedanke be reits künstlerisch manifestiert wurde, ist heute kaum mehr zu erahnen, da keines dieser Werke auf uns gekommen ist. Dabei erhebt sich zugleich die grundsätzliche Fra ge nach Entstehung und Charakteristika der Landschaftsmalerei. Sie umfaßt als Genre die realistische und stili sierte Darstellung von bestimmten Land schaften, sowie Ansichten von Städten und Architekturen, Seestücke und Parkland schaften. Eine selbständige Landschaftsma lerei entstand in der chinesischen Kunst schon während der T'ang-Dynastie im 7. Jahrhundert, dagegen war die abendländi sche Malerei des Mittelalters ausschließlich Figurenmalerei und benutzte die Landschaft lediglich als formelhafte Staffage (erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts werden Mensch und Naturausschnitt allmählich in ein gleichwertiges Verhältnis gerückt)''. Im deutschen Sprachgebrauch ist der Begriff Landschaft in der ästhetischen Bedeutung, als ein gemaltes Stück Natur also, urkundlich erstmals für das Jahr 1518 zu belegen (Ver trag mit dem Maler Hans Herbst in Basel). Der Begriff Landschaftsmaler entsteht, kurz nachdem Landschaft in der Bedeutung eines Gemäldes nachweisbar ist. Albrecht Dürer gebrauchte Ihn als erster im deutschen Sprachraum im „Tagebuch der niederländi schen Reise" aus dem Jahre 1521 im Zusam menhang mit dem Antwerpener Maler Joa chim Patinier. Für den individuell gesehenen und aus ver schiedenen Einzelteilen zusammengesetz ten Naturausschnitt verwendet in der deut schen Dichtung erstmals Hans Sachs den Begriff Landschaft.® Dürer, welcher in seinen Aquarellstudien die erste menschenleere Portralt-Landschaft der europäischen Male rei schuf, legt Zeugnis ab von einem völlig neuen, befreiten Naturgefühi.® Aus dieser Phase deutschen Kunstschaffens stammen beispielsweise die Schlägler Tafeln der Kat harinen-Legende, welche wir vorerst einem Schüler des Krainburger Meisters (knapp nach 1500) zuordnen wollen. (Inv. Nr. Kreide 4). In der Darstellung mit dem Feuertod der Philosophen taucht im Hintergrund eher un vermittelt die Felsenstudie aus Albrecht Dü rers Holzschnitt „Der heilige Hieronymus in der Wüste" (um 1496 entstanden) auf.'' Während in Dürers graphischem Blatt die bi zarre Felskuppe im Hintergrund inhaltlich, wie auch vom Stimmungsgehalt her mit dem von der Heiligenfigur dominierten Vorder grund eine Einheit bildet, hat der bodenstän dige Maier versatzstückhaft diese Vorlage zum Kulissenstück degradiert. Daraus wird schon teilweise das Dilemma der damaligen Landschaftsbetrachtung ersichtlich: Ein „Stück Natur" wird der narrativen Szene ein fach hinterlegt, ohne dabei perspektivische oder thematische Übergänge zu erzielen; der Begriff „Stück Natur" stellt dazu noch einen inneren Widerspruch dar (die Natur hat keine Stücke, sie ist die Einheit eines Ganzen, und In dem Augenblick, wo irgendetwas aus ihr „herausgestückt" wird, ist es nicht mehr ganz und gar Natur).® Abgesehen von einigen spätgotischen Natur ausschnitten in den Tafelbildern der Stiftsga lerie (man denke nur an die reizvolle Berg landschaft der „Flucht nach Ägypten" aus dem Bereich der Frueauf-Werkstatt) können bedeutendere Landschaftszitate in der Schiägier Bildersammlung erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wiederum nachgewie sen werden. Wohl auch bedingt durch den vergleichsweise späten Ausbau der hiesigen Galerie der Prämonstratenser, finden wir kaum Vertreter der barocken Landschaftsma lerei — weder in der Ausprägung arkadischer Idealbilder, noch in der Tradition profaner Portrait-Landschaften. Diese Entwicklungsstränge lassen sich ledig lich an einigen verspäteten Vertretern dieser Richtungen ablesen. Daß sich diese aus Künstlern der Wiener Akademie rekrutieren, hat wesentliche Gründe: es liegt allein schon im Wesen der Landschaftsmalerei, daß sie ihren Ausgang im Urbanen Bereich nimmt. Heinrich Lützeler weist darauf hin, wenn er schreibt: „Wer in der Natur steht, malt keine Landschaften und so ist der historische und soziologische Ort der Landschaftsmalerei die Stadt, der Sitz des Herrschers und nicht das abgelegene Land."® Die Anfänge der Landschaftsschule der Wie ner Akademie reichen zwar bis ins frühe 18. Jahrhundert, doch sei sogleich hinzugefügt, daß dieser Zweig um 1750 noch zu den gering geachteten Kunstfächern gehörte (die Akade mie wird in erster Linie als Zeichenschule geführt).'® Michael Wutky (geb. 1739 in Krems — gest. 1822 in Wien), welcher durch zwei Miniatur landschaften (Inv. Nr. Kreide 102 und 103) in der Stiftsgalerie vertreten ist, bat 1759 um Aufnahme in die Wiener Akademie und ver ließ diese nach siebenjährigem Studium, ohne in der Landschaftskunst viel profitiert zu haben." Die beiden genannten Arbeiten (Seesturm im Mondiicht und eine südländi sche Landschaft) konfrontieren uns mit der Lorenz Adolf Schönberger (1768—1847), Flußlandschaft mit Bogendrücke, Inv. Nr. 166 effektheischenden Motivwelt Wutkys, wel cher als Maler effektvoller Nachtstücke zum Nebenbuhler Jacob Philipp Hackerts wird'® (es ist deshalb verständlich, weshalb deren Kunst schon nach einer Generation in den Ruf der Oberflächlichkeit geriet). Nichtsde stoweniger gilt der viele Jahre in Rom weilen de Kremser Wutky als Brückenbauer zum Biedermeier. Er muß in der Funktion als Leh rer der Wiener Akademie für einen weiteren hier zu nennenden Landschaftsmaler er wähnt werden: Lorenz Schönberger. Der im Jahre 1768 in Bad Vösiau geborene Maler hat nach seinem Studium an der Wiener Akade mie ausgedehnte Reisen in Mitteleuropa unternommen'® und dabei neben verschie denen reizvollen Landstrichen auch ver schiedene Landschaftsauffassungen ken nengelernt. Zusammen mit dem Wiener Johann Nepomuk Schödiberger (1779—1853) 64

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