Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 3, 1987

Historische Landeskunde Goiserer Bader und Arzte aus der Familie Perndanner von 1769 bis 1893 Karl Pilz Im Ortszentrum von Bad Geisern liegt an der ehemaligen Bundes-, jetzt Marktstraße, das Perndanner-Haus (Konskriptionsnummer Geisern 8), dessen steinerner Rundbogen über dem Haustor die Jahreszahl 1549 auf weist. In dem behäbigen und für das alte Dorf Geisern typischen Wohngebäude wirkten von 1769 bis 1893 vier Bader und Ärzte aus der Familie Perndanner. Sie waren bedeuten de Persönlichkeiten, die in den Chroniken von Geisern wiederholt lobend erwähnt werden. Der erste Perndanner namens Martin — er wurde 1732 in Unterach am Attersee geboren und schrieb sich im Unterschied zu seinen Nachkommen noch Pernthaner, manchmal auch Pernthanner — scheint in Chroniken und Familienurkunden als Chirurgo und Wundarzt bzw. als balneator et Chirurgus auf. Im Jahre 1769 hatte er eine alte Badergerech tigkeit, die bis dahin von 1665 an drei Genera tionen lang von einer Familie Voß (Großvater Johann, Sohn Paul und Enkel Johann) aus geübt worden war, käuflich erworben. Am 15. Februar 1769 wurde hierüber bei der Herr schaft Wildenstein ein Kaufvertrag abge schlossen, mit dem diese Badergerechtigkeit an Martin Pernthaner und seine Familie über ging. In dem Vertrag ist folgender Passus in teressant: „Von der Kaiserl. Königl. Herrschaft Wilden stein coirdet auf eingelangter Salzamts-Verordnung ddo. 21. 8.-bris (Oktober) 1768, die Johann-Voß-Badersgerechtigkeit zu Goyssern ungeachtet des zwischen ihnen und deren Ankaufern per 1200 fl. gemachten Han dels, und in Aussicht, daß der neue Kaufer die Arztenslöhner allzuhoch ansetzen mechte, dem Ehrengeachteten Matthias (sollte wohl Martin heißen) Pernthaner, Chirurgo und Wundärzten zu gedachten Goyssern, Elisa beth, dessen Ehegatten und deren beiden Er ben ordentlich verkauft um per Achthundert Gulden. Hierauf mögen nun die diese Ge rechtigkeit innehaben, nutzen, nießen und gebrauchen, auch mit obrigkeitlichem Vor wissen, und Consens wiederum verkaufen, vertauschen und verschaft und geben wem und wohin sie gelust. . ." Das Salzamt legte wohl Wert darauf, daß der neue Chirurgus die fast durchwegs ziemlich minderbemittelte Bevölkerung zu möglichst niedrigen Arzttaxen behandle, was ihm bei einer dem alten Bader Voß angebotenen ho hen Ablöse von 1200 Gulden nicht recht mög lich gewesen wäre, so daß von Amts wegen die Kaufsumme auf 800 Gulden herabgesetzt wurde. Es gab anno dazumal von Seite der salinen amtlichen Verwaltung im Kammergut schon eine Art von Fürsorge für die im Salz- und Holzwesen beschäftigte Bevölkerung; einer seits bekam der fast erblindete Bader Johann Voß nach 41jähriger Tätigkeit im Gesund heitsdienst bzw. dessen Witwe eine Gnaden pension, andererseits diktierte das Salzamt eine Ermäßigung der zwischen Voß und Pernthaner ausgehandelten Ablösesumme für die Badergerechtigkeit und verpflichtete den neuen Wundarzt und Bader, die „Arz tenslöhner" (Behandlungstarife) möglichst niedrig zu berechnen. Als im Jahre 1770 das Pflegamt Neuwilden stein die Häusernumerierung im Dorf Goisern anordnete, erhielt die ehemalige Nidersissische Behausung, die Martin Pernthaner und seine Gattin Maria Elisabeth anno 1769 von der Wittib und Kramerin Ursula Nidersissin erworben hatten, die noch heute gültige Konskriptionsnummer 8. Am 7. Juli 1769 wurde dem ehrengeachteten Bader, Chirurgen und Wundarzt Martin Pern thaner von seiner Gattin Maria Elisabeth, ge borene Dräxlin, der Sohn Johannes Marti nas, der spätere Nachfolger in der ärztlichen Praxis, geboren. Dieser Sohn erwarb 1788, also im Alter von neunzehn Jahren, in der kai serlich königlichen und landesfürstlichen Hauptstadt Linz das Diplom in der Wundarz neikunde und Geburtenhilfe, mit dem ihm be stätigt wurde, daß man in einem „scharfen Examini" ihn als einen sehr tauglichen, wohl erfahrenen „Landwundarzten" erkannt habe. Seine Kenntnisse hatte er sich wohl in frühester Jugend, also gleichsam als Lehrling, bei der Mitarbeit in der Chirurgen- und Wund arztpraxis des Vaters angeeignet. Als 1792 Martin Pernthaner der Ältere an einem Schlaganfall starb, konnte die Praxis von sei nem inzwischen 23 Jahre alt gewordenen Sohn selbständig weitergeführt werden. Wie es zur Zeit der ersten beiden Pernthaner Bader und Wundärzte um das Gesundheits wesen bestellt war, geht aus dem Buch „Das o. ö. Salinenwesen vom Beginn des 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts" von Carl SchramI, Wien 1932, hervor: „War die Ober aufsicht über die Gesundheitspflege schon frühzeitig den Doktoren der Medizin übertra gen, so lag deren Ausübung in den Händen von Praktikern ohne schulmäßige Ausbil dung, bei den Badern, Chirurgen und Wund ärzten . . . Weder die Bader und Chirurgen noch die Apotheker waren kaiserliche Diener mit fester Besoldung, ,in dem sie wirkliche Burger sind, deren Mühe, Arbeit und Ausla gen bezahlt werden und derlei Künstler und Handwerker einen oder anderen Weges sich einfinden werden.' Da aber ihr gewerbsmäßi ges Einkommen zu ihrem Unterhalt oft nicht reichte, wurden ihnen Hilfsgelder gewährt." Mehr über die Gesundheitspflege zur Zeit der ersten beiden Pernthaner Ärzte erfährt man aus dem Band „Das o. ö. Salinenwesen von 1750 bis zur Zeit der Franzosenkriege", Wien 1934, 8.85/86: „Mit der wachsenden Erkennt nis der Krankheitsursachen und der Mittel zu ihrer Bekämpfung nahm der ärztliche Dienst nicht nur an Umfang und Ansehen zu, auch die Anforderungen an die zur unmittelbaren Krankenbehandlung berufenen Organe wa ren gestiegen. Das Bader- und Barbiergewer be, welchem früher die Kurpraxis fast allein überlassen blieb, verlor immer mehr Bedeu tung gegenüber den besser ausgebildeten und geprüften Wundärzten, deren es in je dem größeren Orte einige gab. Den Salzar beitern war die Wahl der Bader und Chirur gen freigestellt, weshalb sie die tüchtigeren bevorzugten und damit ebenfalls zur Hebung des Standes beitrugen." Auf S. 88 des ober wähnten Werkes ist zu lesen: „Der häufige Wechsel der Bader in Laufen (richtig: Lauften bei Ischl) ist aus dem geringen Erträgnisse dieser Stelle verständlich. Dagegen bot das benachbarte Geisern mit seinem gut bevöl kerten, ausgedehnten Gemeindegebiet den Badern und Wundärzten günstigere Erwerbs möglichkeiten, die sie am Orte festhielten." Von verheerenden Krankheiten und Epide mien blieb das Kammergut infolge der man gelhaften Ernährung und des ärmlichen Le bens der Arbeiter nicht verschont. Im Zeitraum von 1759 bis 1769 litt die Bevölke rung besonders an Scharbock, wie man die Vitaminmangelkrankheit Skorbut damals nannte. Der Amtsphysikus schrieb die Ursa che dem Genuß der Schottsuppe zu und empfahl, statt ihrer Einbrennsuppe zu neh men. Auch ordnete er das öftere Ausräuchern der Wohnungen an. Diese beiden Maßnah men sind verwunderlich, denn die Schottsup pe wird sogar heute noch von manchen Leu ten im Salzkammergut als gesundes Frühstück gepriesen und das Ausräuchern wird wohl kaum den Vitaminmangel behoben haben. Immerhin läßt die gleichzeitige Emp fehlung des Amtsmedikus, den Kartoffelan bau einzuführen und den mit Scharbock be hafteten Patienten auf ärztliche Anordnung die Einfuhr des Obstmostes zu gestatten, ver muten, daß dem Arzt der Vitaminmangel als Ursache des Skorbuts bekannt war. Auch wurde der armen Bevölkerung des Kammer gutes der Milchgenuß durch die Erlaubnis er leichtert, Geißvieh halten und auf die Almwei de treiben zu dürfen. Noch heute teilen manche Salzkammergütler die altväterliche Meinung, daß die Geißmilch weitaus be kömmlicher ist als die Milch der Kühe. Der Kartoffelanbau ging allerdings nicht so rasch vonstatten, wie es die Ärzte gewünscht hätten. In einer Chronik der evangelischen Schule in St. Agatha (Geisern) ist zu lesen, daß erst im Jahre 1793 vom Lehrer Leopold Schenner die ersten Kartoffel angebaut wur57

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