Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 3, 1987

Links: Kalender-Handschrift des Stiftes St. Florian (XI 569). Die Abschrift wurde 1461 angefertigt. Hier abgebildet die Seite 1, Kalender für den Jänner mit schöner Initiale (KL = Kalender). Die Tabelle gibt die Uhrzeiten der Neu- und Vollmonde an, wahrscheinlich auch Sonnen- und Mondaufgänge. — Foto: Elfriede Mejchar, Wien Rechts: Eifenbeinquadrant Kaiser Friedrichs III. (Kunsthistorisches Museum Wien, Plastiksammiung Inv. Nr. 166) langt, daß die Allgemeinheit zur Auffassung kam, es könne — trotz der mittlerweile spür bar werdenden Mängel — nichts Besseres auf diesem Gebiet geboten werden. Diese Annahme vertiefte sich infolge einer gewis sen Entfremdung zwischen Byzanz und Rom, dadurch gelangten sogar manche neuen Erkenntnisse aus östlichen Gelehrten kreisen gar nicht oder nur sehr entstellt zur Kenntnis der abendländischen Wissen schaft. Erst König Aifons von Kastilien, der Weise, führte Europa wieder näher an die orientaiisch-mohammedanische Astronomie heran, als er Gelehrte verschiedener Her kunft zur Erstehung eines neuen sternkundli chen Monumentalwerks veranlaßte. Dieses unter der Bezeichnung „Alfonsinische Tafeln" bekannte Werk kam auf dem Umweg über Pa ris durch den Theologen und Mathematiker Heinrich von Langenstein etwa 1384 nach Wien. Nachweislich war es dann Johannes von Gmunden, der die „Alfonsinischen Ta feln" nicht nur durch seine Voriesungen be kannt gemacht, sondern sie auch noch we sentlich durch Einfügung weiterer Tabellen verbessert hat. Aber die wissenschaftliche Biographie geht noch weit über dieses Tafeiwerk hinaus. Wesentiich für die Bedeutung des Gmundners war seine — mit kleinen Ausnahmen zwi schen 1406 und 1416 durchbrochene — ausschiießliche Hinwendung an die Naturwis senschaften, eine Haitung, die zu seiner Zeit nicht selbstverständlich war. Vor ailem im ma thematischen Bereich deutete sich bei Jo hannes von Gmunden bereits die notwendige Bereitschaft zur kritischen Beurteilung der überkommenen Lehrmeinungen an. Seine Überlegungen und zum Teil auch seine Vorle sungen legte er schriftlich nieder. Ein Ver zeichnis der Voriesungen des Johannes von Gmunden, wie sie Paul Uiblein in den „Beiträ gen zur Kopernikusforschung" 1973® dar stellt, zeigt jedenfalls, daß die von Konradin Ferrari d' Occhieppo in seiner Einleitung zum wissenschaftlichen Essay „Der ,Tractatus Cylindri' des Johannes von Gmunden" gebrach te Feststellung Was Johannes von Gmunden vor anderen Hochschullehrern sei ner Zeit besonders auszeichnet, ist die Tatsa che, daß er bereits von 1417 an ausschließlich über mathematische und astronomische Ge genstände Vorlesungen hielt; das hat ihm be rechtigtermaßen die Einstufung als ,erster Fachprofessor für mathematische Wissen schaften' seitens des Wissenschaftshistori kers Cantor eingetragen . . ." zu Recht be steht. Ferrari d' Occhieppo führt dazu noch weiter aus: „. . . doch ist zu beachten, daß dies eine durch seine eigenen wissenschaftli chen Neigungen bedingte freiwillige Speziali sierung seiner Lehrtätigkeit, jedoch noch keine feste Institution war. . ." Der Bedeutung des Gelehrten entspricht auch die Liste seiner verfaßten Schriften: Tabulae Astronomicae; De Albyone et de In strumente Solemni; De Astrolabio; De Quadrante; De Gyiindro; De Minutiis Physicis (Rechnen mit Sexagesimalbrüchen) Tabulae Tabularum; De Arcubus et Sinubus; Calendaria und — als einzige in deutscher Sprache ver faßte Schrift: Die Widerlegung des Jacobus von Erfurt (die gegen die phantastischen Spekulationen des genannten Astrologen ge richtet ist). Da Johannes von Gmunden in der Zeit vor 51

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