Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 3, 1987

Johannes von Gmunden — Astronom und Begründer der Himmelskunde auf deutschem Boden Elfriede Prillinger Das Jahr 1984 war im naturwissenschaftli chen Bereich dem Andenken eines Mannes gewidmet, der vor sechshundert Jahren die Weichen für eine neue vergleichende Welt sicht — auf den Grundlagen der Mathematik und der Astronomie — gestellt hatte und den noch durch den Ruhm seiner direkten Nach folger zumindest für die breite Öffentlichkeit in den Schatten der Fast-Vergessenheit ge drängt wurde; Johannes (Krafft) von Gmunden, Mathemati ker, Astronom — Kalenderwissenschaftler. Unter dem bemerkenswerten — und vor allem für Oberösterreich bedeutsamen — Titel: „Von Johannes von Gmunden zu Johannes Kepler — 200 Jahre Renaissance-Astrono mie in Österreich" stellte die Österreichische Gesellschaft für Geschichte der Naturwis senschaften eine Wanderdokumentation zu sammen, die innerhalb einer ebenfalls dem Andenken des Johannes von Gmunden ge widmeten Saisonausstellung'' im Kammer hofmuseum Gmunden eröffnet und dann noch im Stadtmuseum Linz und in der Alten Universität in Wien^ gezeigt wurde. Die Auto ren der Ausstellung und des beigegebenen Katalogs, Univ.-Dozent Dr. Helmuth Grössing und Prof. Dr. Hans Kutschera (beide Wien), führten in dieser überaus spannend gestalte ten Darstellung die wesentlichen Ereignisse des Zeitraums zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert im Hinblick auf die Entwicklung der Naturwissenschaften an der Wiener Uni versität vor und erläuterten damit die logische Entfaltung, die von den ersten Bemühungen des Johannes von Gmunden — auf dem Um weg über Schüler und Schülersschüler — bis zu den denkerischen Leistungen von Kopernikus und schließlich Kepler führte. Den Ab schluß dieser Ausstellung bildete ein dreitägi ges „Johannes von Gmunden-Symposion" an der Akademie der Wissenschaften in Wien, das den Bogen der naturwissenschaft lichen Erkenntnisse bis in den Beginn des 17. Jahrhunderts in einer systematischen Reihe von Fachvorträgen behandelte. Auch eine Sondermarke und ein Sonder-Poststempel wurden anläßlich dieses Symposions heraus gebracht. Mit diesen Ereignissen des Jahres 1984 — im übrigen nicht nur zum angenommenen Ge burtsjubiläum für Johannes von Gmunden, sondern auch als Erinnerung an die Statuie rung der Volluniversität Wien im Jahre 1384 — wurde die Bedeutung des „ersten Fachpro fessors für mathematische Wissenschaften"® an der Universität Wien erstmals in größerem Umfang auch nach außen dokumentiert. Gmunden, als Heimatstadt des großen Ge lehrten, ehrte ihn mit einer Ausstellung, deren mehrschichtiger Titel REPUBLIK ÖSTfiBRlliMSW uuuu Sonderpostmarke 600. Geburtstag des Johannes von Gmunden (Naturwissenschaften). Das Markenbild zeigt eine Darstellung des Astrolabiums „Imsser Uhr" (1555, Technisches Museum der Stadt Wien). Ausgabetag: 18. Oktober 1984 „Die Zeit kommt vom Himmel — Von der Astronomie zum Kalender" interessante Rückblendungen in die Entwick lung der Zeitkalender von den Anfängen bis in unsere jüngste Vergangenheit erlaubte. Die gesamte Entwicklung der menschlichen Kultur ist ja auf der Abfolge von Nacht und Tag, Jahreszeiten und Jahresabläufen be gründet, diese wieder entstehen aus der gro ßen kosmischen Proportion der Erde zur Son ne. Das, was wir Zeit nennen, hängt von unserem Sonnensystem ab und wird von ihm bestimmt. Aber auch unser Wahrnehmungs vermögen, unser Sein, unsere intellektuelle und geistig-kultische Entfaltung ist von diesem absoluten Verhältnis getragen. Im Laufe vieler Jahrtausende menschlicher Kul turprägung vertiefte sich das Wissen um die kosmische Verflechtung von Raum, Zeit und Verständnis und brachte immer präziser wer dende Informationen über irdische Lebensumstände. Auch die Kalender (aus dem latei nischen „calende" = der erste, jeweils öffentlich ausgerufene Tag des römischen Monats) sind Ergebnisse der unermüdlichen menschlichen Forschertätigkeit. Der Wunsch, sich selbst in Zeit und Raum einzu ordnen, zu wissen „wann und wo man ist", be wirkte schon in frühester Zeit" Aufzeichnun gen von Tagesabläufen, Monddurchgängen und Jahreszeiten. Immer intensivere Berech nungen und Beobachtungen führten im Lau fe der menschlichen Kulturentwicklung bis zur Landung auf dem Mond. Der Weg bis da hin war gezeichnet von einer Anzahl erregen der und wichtiger Entdeckungen, die einan der schrittweise bedingten und einander folgten. Die Erläuterung des Kalenderwesens hat dem sonst schamhaft verschwiegenen Jo hannes von Gmunden auch den Eingang in die modernen Lexika geöffnet. Die Kaiendarien des Gmundners waren es ja, die ihn schon seinerzeit nicht nur persönlich bekannt machten, sondern auch eines der wesentiichen Elemente der logischen Verbin dung zu seinen geistigen Nachfolgern dar stellten. Auch Georg von Beuerbach, wie Johannes von Gmunden eine oberöster reichische „Zierde der Wiener Universität", und Johann Müller, genannt Reglomontan, beschäftigten sich noch mit dem „Gmundti schen Kalender" des Johannes, den dieser erstmals auf der Grundlage neu berechneter astronomischer Tafeln — (vier neunzehnjähri ge Kalenderzyklen mit genauen Angaben über die Bewegung von Sonne und Mond) — erstellt hatte. Diese Kalender — zu seiner Zeit noch handschriftlich hergestellt und in vielen Abschriften vervielfältigt — waren im deut schen Sprachraum weit verbreitet und be kannt. Eine Ausführung wurdä um die Mitte des 15. Jahrhunderts sogar als Block-Kalen der (Holzschnitt) erzeugt und gilt als erster Druck-Kalender überhaupt.® Da das Kalenderwesen des 15. Jahrhunderts beileibe keine Erscheinung des allgemeinen öffentlichen Lebens war, sondern auf einer akademischen Ebene stattfand, ist Johannes von Gmunden mit dieser ersten Vorstellung als „Kalendermacher" im Eigentlichen auch in seiner Eigenschaft als Gelehrter der Ma thematik und der Astronomie bestätigt. Zu dieser Situation sei eine kurze Übersicht über die naturwissenschaftlichen Möglichkeiten jener Zeit gestattet. Die Vorstellungen waren noch immer vom geozentrischen Weltbild der Antike geprägt. Obwohl schon im 3. vorchristlichen Jahrhun dert Aristarch von Samos durch eigene Be rechnungen von einem heliozentrischen Weltbild überzeugt gewesen war, herrschten im Mittelalter noch immer die Ansichten des Ptolemäus vor, die dieser in seinem „Almagest" (= Große Zusammenfassung der Sternkun de) niedergelegt hatte. Diese Arbeit hatte eine so überzeugende innere Geschlossen heit und rechnerische Durcharbeitung er49

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2