Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 3, 1987

Die Sternwarte Kremsmünster heute I. Gründung und Gegenwart der Sternwarte P. Ansgar Rabenalt O.S.B. „Ad gioriam Altissimi bonarumque disclplinarum ornamentum hanc speculam posuit Alexander III. Abbas Cremifanensls anno 1758. Q. D. O. M. B. V." (Errichtet zum Ruhme des Allerhöchsten 1758.) Diese Inschrift, die sich über dem Nordportal der Sternwarte des Stiftes Kremsmünster be findet, gibt in aller Kürze über den Grund für die Errichtung dieses Bauwerkes Auskunft: Der Glaube an den Schöpfergott, monastlsches Leben und, daraus erwachsend, damit verbunden, die Pflege der Naturwissenschaf ten sind nicht unvereinbar. Im Gegenteil, die Erforschung der Natur (der Schöpfung) führt zur und dient der „gloria Altissimi". Von Besuchern der Sternwarte wird oft die Frage gestellt: Wieso kam es gerade hier in Kremsmünster zur Errichtung eines solchen Bauwerkes? Ist es nur ein Museum oder dient es auch heute noch der wissenschaftlichen Forschung? Auf diese Frage soll in dieser Ab handlung Antwort gegeben werden. Sie läßt sich aber nicht in einigen Sätzen ausdrücken, zur grundlegenden Beantwortung muß die 200jährige Geschichte dieses Gebäudes her angezogen werden. Was heute hier in einem Museum gesehen und bestaunt werden kann, was in dazu bestimmten Räumen für die Wissenschaft geleistet wird, beruht auf der Tradition von Jahrhunderten. Wenn auch heute das Wort „Tradition" von vielen belä chelt oder sogar verspottet wird, ohne diese in unserer Sternwarte gepflegte Tradition wä ren viele wertvolle alte Geräte verschiedener naturwissenschaftlicher Richtungen nicht er halten geblieben, müßten wissenschaftliche Arbeiten der heutigen Zeit auf über zwei Jahr hunderte zurückreichende astronomische, meteorologische und ähnliche Beobach tungsreihen verzichten, wären Veröffentli chungen von Korrespondenzen mit bedeu tenden Astronomen der Vergangenheit, sowie die Aufbewahrung Ihrer Arbelten, die in den reichhaltigen Sammlungen des Archivs und der Bibliothek der Sternwarte erhalten sind, nicht denkbar. — Daraus ergibt sich die doppelte Bedeutung dieses Baues auch und gerade in der heutigen Zeit: Museum und Forschungsstätte. Die ersten bedeutenderen Bestrebungen auf mathematischem Gebiet lassen sich bereits unter Abt Anton Wolfradt feststellen. .P Aegid Eberhard de Ralttenau, ein Mitglied des Klo sters, verfaßte um die Mitte des 17. Jahrhun derts ein vierbändiges Werk „Opusculum mathematicum", handgeschrieben, und wei tere vier Bände mit Figuren und Zeichnungen zur Erläuterung des Hauptwerkes. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts waren vie le Mitglieder des Stiftes als Professoren an der Benediktineruniversität in Salzburg tätig; die monastische Jugend absolvierte dort die philosphischen und theologischen Studien. Da die Philosophie nach Leibniz gelehrt wur de, war es selbstverständlich, daß die Natur wissenschaften, vor allem die Mathematik und Experimentalphysik, einen hervorragen den Platz im Curriculum einnahmen. Der 1731 zum Abt gewählte Alexander Flxlmillner eröffnete neben dem schon seit 1548 bestehenden Gymnasium im Jahr 1744 eine höhere Lehranstalt, eine Akademie für adeli ge Zöglinge. Er vermehrte die mathematisch-physika lisch-naturgeschichtlichen Sammlungen und stellte sie zweckmäßig in einem eigenen Lo kal, der sogenannten „Mathematischen Stu be" auf. Es ist bemerkenswert, daß schon da mals diese Sammlungen, vor allem die elektrostatischen Apparate, Besuchern, die eigens zu diesem Zweck angereist kamen, vorgeführt und Experimente ausgeführt wur den. Es ist also diese „Mathematische Stube" der direkte Vorläufer der heutigen Sternwar te: Museum (Sammlungen) und wissen schaftliche Betätigung. Die große Anzahl der Geräte aus dieser Zeit ist in hausgeschichtli chen Arbeiten von Mitgliedern des Stiftes ausführlich beschrieben worden. Wir können daraus ersehen, welch großer Wert schon da mals auf die Pflege der Naturwissenschaften gelegt wurde. Im Jahre 1748 wurde nach den Plänen des Benediktinerabtes Anselm Desing aus Ens dorf in Bayern der Grundstein zum heutigen Gebäude der Sternwarte gelegt. 1758 wurde der Bau in seiner jetzigen Ausführung voll endet und bald darauf P. Plazidus FIxImillner, ein Neffe des Abtes, mit der Leitung betraut. Die astronomischen Beobachtungen in der neuen Sternwarte wurden mit der Beobach tung der Sonnenfinsternis vom 12. Juni 1760 eröffnet. Das Jahr 1761 wurde noch vollstän dig dazu verwendet, die aus der „Mathemati schen Stube" in den Neubau übertragenen Geräte systematisch zu ordnen und aufzu stellen. Die astronomischen Geräte waren alle Im hohen Beobachtungssaal unterge bracht. In der Pflasterung dieses Raumes ist die Meridianlinie eigens hervorgehoben. Zur Zeit Fiximillners waren auch schon zwei gute Uhren — neben dem Fernrohr das wichtigste Rüstzeug für Beobachtungen — vorhanden: eine Pariser Uhr von Passemant und eine vom Mechaniker der Sternwarte, Johannes Illinger, gebaute. FIxImillner korrigierte durch seine genauen Beobachtungen die bisherigen geographi schen Karten von Oberösterreich, nach de nen man Kremsmünster an der Grenze zu Ungarn hätte suchen müssen. Er veröffent lichte diese Korrektur der Lage Kremsmün sters in seinem „Meridianus specuiae astronomicae Cremifanensls" und weitere Beobachtungen in den Bänden „Acta astronomica Gremifanensia" und „Decenium astronomicum". Seine Arbeiten erfuhren von den bekanntesten Astronomen der damali gen Zeit rühmliche Anerkennung. Es soll daher an dieser Stelle nicht verab säumt werden, darauf hinzuweisen, wie sehr gerade in der Zeit des erwachenden Interes ses an den Naturwissenschaften die Bene diktiner von Kremsmünster keinen Wider spruch zwischen Theologie und diesen Wissensgebieten sahen, sondern, wie die eingangs zitierte Inschrift über dem Portal der Sternwarte erkennen läßt, die Naturwis senschaften sozusagen als Teil der Theolo gie (des Glaubens) ansahen. Mit dem Jahr 1763 begannen auch regelmä ßige meteorologische Beobachtungen — zu nächst auf Temperatur, Luftdruck und allge meine Schilderung des täglichen Wetters beschränkt. Im Jahr 1771 wurden mit einem von dem bekannten Mechaniker physikali scher Geräte G. F. Brander in Augsburg her gestellten Deklinatorium und Inklinatorlum erdmagnetische Messungen begonnen. Diese Geräte sind heute als Sehenswürdig keiten in der „Brander Vitrine" im astronomi schen Kabinett ausgestellt. Hatte Plazidus Fiximillners Onkel, Abt Alex ander, einen dauerhaften Turm aus Steinen errichtet, so hat er selbst den Grund zu einem geistigen Bau gelegt, dessen zeitgemäße Fortsetzung sich alle Nachfolger angelegen sein ließen, der bis zum heutigen Tag wei terwirkt. In den vergangenen rund 200 Jahren haben sich Äbte des Stiftes und Direktoren der Sternwarte stets bemüht, trotz äußerer und innerer Schwierigkeiten das Vermächtnis und Erbe Abt Alexanders weiterzuführen. Trotz oftmaliger finanzielier Schwäche wurden und werden immer neue, dem Fortschritt der Wis senschaft entsprechende Geräte angekauft, wenn benötigt, der Lehranstalt zur Verwen dung im Unterricht überlassen, wenn veraltet oder unbrauchbar geworden, nicht vernich tet, sondern dem Museum übergeben. So er klärt sich der von sachverständigen Besu chern oft bestaunte und bewunderte Bestand des reichhaltigen physikalischen und astro nomischen Kabinetts. Die größten Störungen verursachten im ver gangenen Jahrhundert die wiederholten Durchzüge der Franzosen. Nicht unerwähnt darf aber in diesem Zusammenhang bleiben, daß es der gute Ruf der Sternwarte und die Achtung vor den wissenschaftlichen Leistun gen Kremsmünsters waren, die bei der drei maligen Anwesenheit feindlicher Kriegs heere in den Jahren 1800, 1805 und 1809 größere Unbilden vom Stift fernhielten. 29

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