Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 3, 1987

Überlegungen und Annrierkungen zum geplanten Neubau eines OÖ. Landesmuseums für Natur — Mensch — Umwelt Wilfried Selpel Der Museumsboom hält — zumindest im be nachbarten Ausland und in den USA weiter hin an. Vor allem in der Bundesrepublik Deutschland, die mit über 2500 Museen und museumsähnlichen Einrichtungen die wohl dichteste Museumslandschaft der Welt auf weist, werden jährlich 30 bis 40 neue Museen gegründet, errichtet oder eröffnet. Abgese hen von den unzähligen, wie Pilze aus dem Boden schießenden Heimathäusern, Frei lichtmuseen, Handwerks- und Werkstattmu seen, den Technik- und Verkehrsmuseen so wie den konservierten Stätten von industrie archäologischer Bedeutung, sind es vor allem die Kunstmuseen, die im Mittelpunkt des kulturpolitischen, architektonischen und auch öffentlichen Medieninteresses stehen. West-Berlin, das in den sechziger Jahren mit den in Dahlem neu angesiedelten Staatli chen Museen Preußischer Kulturbesitz, wie dem Vöikerkundemuseum, dem Museum für Indische Kunst, dem Isiamischen Museum, um nur einige zu nennen, Museumsge schichte gemacht hat, kann heute auf ein, freilich eher mißglücktes, neues Museum für Kunsthandwerk, ein neues Musikinstrumen tenmuseum und eine großzügige Ausbaupla nung für die Sammlungen europäischer Kunst verweisen. In Köln bringt das erst vor einem Jahr neu eröffnete Wallraf-Richartz-Museum/Museum Ludwig zwischen Dom und Bahnhof neue Besucherrekorde und läßt damit die vor drei Jahren eröffnete Neue Staatsgalerie in Stuttgart weit hinter sich, die im ersten Jahr ihres Bestehens so gar den „Marktführer", das Deutsche Mu seum in München, überrundet hatte. Das Frankfurter Museumsufer ist ein Phänomen für sich. Nach Architekturmuseum, Film museum, Museum für Kunsthandwerk wird demnächst ein neues Ur- und Frühgeschich te-Museum eröffnet werden, das Jüdische Museum, das Völkerkunde-Museum, das Bundespostmuseum sind im Bau oder zu mindest fertig geplant. Holleins Museum für Zeitgenössische Kunst wird demnächst ebenso Wirklichkeit werden wie der Umbau des Städelschen Kunstinstituts. Die Bau-Eu phorie in der Bundesrepublik hält also an. Auf eine ähnliche, auf Grund der unterschied lichen Trägerschaft jedoch nur bedingt ver gleichbare Entwicklung in den USA sei hier nur der Vollständigkeit halber verwiesen. Washington, San Francisco, Los Angeles, Dallas, Houston haben neue Kunstmuseen oder Museumsflügel für die Moderne erhal ten, das Guggenheim-Museum in New York verwirklicht demnächst großzügige Erweite rungspläne. Das Bauvolumen der Museumsbauten etwa in der Bundesrepublik entspricht längst jenem der Opern- und Theaterbauten in der Aufbauphase der fünfziger und sechziger Jahre, als nach dem Wiederaufbau der zer störten Städte und vor allem der gewaltigen Wohnanlagen die zerbombten oder verloren gegangenen Kult- und Kulturbauten der Kon zert-, Theater- und Opernwelt in neuem Glanz entstanden. Auch in Österreich konzentrierte sich das kulturelle Wiederaufbau- bzw. In standsetzungsprogramm auf die Bundes theater, die Staatsoper, das Burgtheater, und so manche Landesinstitutionen, sowie zahl reiche Veranstaltungssäle flexibler Verwen dungsmöglichkeit, wie z. B. die Stadthalle. Anders als die neuen Theaterbauten, die selbstverständlich mit modernsten techni schen Ausstattungen versehen wurden, wie Klimaanlagen und reinen Wunderwerken an Bühnentechnik, blieben die zum Glück größ tenteils von Kriegsschäden verschont geblie benen Museen sowohl nach außen (Bausub stanz, bauliche Infrastruktur, städtebauliche Einbindung etc.), als auch nach innen (Ge samtkonzeption, Ausstellungsgestaltung, Beleuchtung, Klimatisierung, Öffentlichkeits bereiche etc.) in einem mehr oder weniger veralteten Zustand, dessen Beseitigung heute zu einem fast unlösbaren Problem der österreichischen Museumsszene geworden ist. Der Schwung der Aufbaujahre, der Duka tensegen der auch in Österreich vor einiger Zeit noch zu verspürenden wirtschaftlichen Prosperität und verfügbaren Finanzkraft ist zu Ende gegangen, ohne daß die Museen daran auch nur den geringsten Anteil genom men hätten. Die Schuldfrage sei hier nicht gestellt, doch neigt die Diskussion im Augen blick auf beiden Seiten zu gröblicher Verein fachung. Wie dem auch sei, die vor wenigen Jahren plötzlich erwachte Museumsdiskus sion in Wien — mehr oder weniger ausgelöst durch den ersten größeren Ausstellungser folg der „Türken vor Wien" im Wiener Künst lerhaus, als den verantwortlichen Kulturpoliti kern und z. T. auch Museumsleuten allmählich dämmerte, was für Möglichkeiten Großausstellungen dieser Art eigentlich bie ten können, läuft heute mehr oder weniger ins Leere bzw. kann höchstens das Schlimm ste verhindern. So dürfte das MessepalastProjekt „Neue Hofstallungen", ganz abgese hen von der konzeptionellen Schwäche der Architektenausschreibung bzw. dem direkten Fehlen eines echten Gesamtkonzeptes, das von der Uneinigkeit der betroffenen Mu seumsdirektoren und der Absenz einer städteplanerischen Einbindungsvorgabe be stimmt wird, die großräumiger, ja großzügiger Lösungen bedurft hätte, schon an der augen blicklichen Finanzierungssituation scheitern. Die erstmals zumindest z. T. über ihre Vorstel lungen befragten Museumsdirektoren muß ten nämlich bekanntgeben, daß die augen blickliche Gesamtsituation der betroffenen Sammlungen katastrophal und dringendst rettungsbedürftig sei. Fehlende oder unzurei chende Depots, mangelhafte Werkstätten, mangelnde Klimatisierungsvorrichtungen auch in den Schauräumen, fehlende Be leuchtungsvorrichtungen, Personalmangel auf sämtlichen Ebenen und ein lächerlich ge ringes Ankaufsetat lassen jede weiterrei chende Planung erst dann sinnvoll und ge rechtfertigt erscheinen, wenn die Ordnung im eigenen Haus wieder hergesteilt ist. Und daß Sanierung und neue Projekte in der Größen ordnung des Messepalastes nicht gleichzei tig in Angriff genommen werden können, vor allem bei der heutigen Finanzsituation, ver steht sich von selbst und wurde vom Finanz minister auch öffentlich festgestellt. Während also in der BRD, aber auch in der Schweiz, in Holland, in Frankreich die Entwicklung der Museumslandschaft seit zwei Jahrzehnten sowohl von den Museumsdirektoren, enga gierten Kulturpolitikern und Finanzfachleuten als auch von einer immer stärker interessier ten, direkt fordernden Öffentlichkeit vehemment weiter getrieben wurde und wird, blieb die österreichische Entwicklung mehr oder weniger bereits in den Anfängen stecken, ohne Aussicht auf baldige Erneuerung. Das stete Nachhinken auch des öffentlichen Be wußtseins Österreichs hinter Entwicklungen benachbarter westlicher Staaten ist hier zu einem echten Verhängnis geworden. Zumin dest in Wien. Es hat den Anschein, als ob in den Bundes ländern oft mehr für Museen, Ausstellungen und bildnerisch-pflegende Kulturarbeit getan wird, als in unserer Bundeshauptstadt. Dag Kulturbudget des Landes Oberösterreich bie tet dafür ein auch im Vergleich zu den ande ren Bundesländern besonders positives Bei spiel, dessen Auswirkungen nicht zuletzt auch auf die Museen Oberösterreichs nicht zu verkennen sind. Inwieweit hier auch die bewußte Förderung eines kulturellen Landes bewußtseins, des Zusammengehörigkeitsge fühls, ja der Heimatbezogenheit maßgeblich beteiligt ist, soll nicht weiter hinterfragt wer den. Es wäre jedoch sicher überzogen, die bestehenden Regionalisierungstendenzen innerhalb unseres Bundesstaates als alleini gen Katalysator eingenstaatllcher, also auf die Länder bezogener Kulturpolitik aufzufas sen. Die etwa in der Bundesrepublik enga giert verfochtene Kulturhoheit der Länder — man denke z. B. an die Museumspolitik des Freistaates Bayern — spielt in Österreich eine eher untergeordnete Rolle, wenn auch die Misere der musealen Bundessituation ohne Zweifel zu einem verstärkten kulturellen Stellenwert bzw. Selbstwertgefühl der Länder und ihrer Museen führen könnte. Und ähnli21

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