Streiflichter aus der Arbeit der naturwissenschaftlicheii Sammiungen im OÖ. Landesmuseum Die Sammlung Zoologie/Wirbellose Tiere im OÖ. Landesmuseum Aufgaben und Verpflichtungen Fritz Gusenieitner Für einen einzelnen Menschenvollkommenun überschaubar präsentiert sich das Heer wirbello ser Tiere. Dieses kann man alleine an der ge schätzten Weltartenzahl ablesen, die je nach Wissenschafter zwischen 700.000 und sieben Mil lionen schwanken dürfte. Der überwiegende Teil dieser Lebewesen ist der Klasse der Insekten zu zuordnen. Es ist unter anderem den Museen vor behalten, durch Sammeln, Konservieren, Doku mentieren und Präsentieren gemeinsam mit einer Schar interessierter Laien das Wissen um unsere Natur mosaikartig zu erweitern. Daß gerade im Fal le der Insektenkunde, bedingt durch die enorme Artenzahl (in Oberösterreich vielleicht 20.000), die oft nur eingeschränkten Beobachtungsmöglichkei ten und nicht zuletzt durch die geringe Anzahl der Bearbeiter, hier im Vergleich zur Wirbeltierkunde ein großer Nachholbedarf besteht, ist wohl nicht schwer verständlich. Der Aufbau von Insektensammlungen in Ober österreich begann schon Ende 18. Anfang 19. Jahr hundert. Neben Stiftssammlungen (Kremsmün ster, St. Florian) wurden auch einige Privatsamm lungen von Käfern, Schmetterlingen, Schnecken und Muscheln angelegt. Ästhetische Momente, die Ergötzung am Gesam melten, war der Grund des Aufbaues dieser Kollek tionen, und nur wo „Schädlinge" menschliche Pflanzenkulturen bedrohten, übernahmen Auf sammlungen die Rolle, Wissen über diese Tier gruppe weiterzugeben. In diese Zeit des Studiums von Schädlingen in Oberösterreich durch den Stiftsgeistlichen aus St. Florian, Josef Schmidberger, fällt auch der Beginn des Aufbaus unserer oberösterreichisch-musealen Sammlungseinheit. Ihre Entwicklung bis zur Jetztzeit ist bei Ker schner u. ScHAOLER (1933) sowie bei GusenleitNER, F. (1983) nachzulesen, und es soll hier nur bei der Erklärung von Zusammenhängen ausschnitts weise darauf eingegangen werden. Wesentlich er scheint mir jedoch der Umstand, daß der Sinn der Anlage musealer wissenschaftlicher Sammlungen erst zur letzten Jahrhundertwende erkannt und dementsprechend umgesetzt wurde. Vielleicht lag es an der im 19. Jahrhundert noch weitgehend hei len Natur, daß der Dokumentationswert von Samm lungen nicht gesehen wurde, sicherlich aber auch an der mangelnden Ausbildung ihrer Betreuer. Die Idee des Zusammenstellens von Kollektionen nach dem Vorbild einer Arche Noah, von jedem Tierein Pärchen, überschattete die Notwendigkeit, das Präparat als Dokument, versehen mit ausführ lichen Funddaten, zu betrachten. Nur so ist es erst verständlich, daß schlechte oder untypische Sammlungsstücke durch schöne und typische ständig ersetzt wurden. Der faktische Beginn des Aufbaus musealer Sammlungen wirbelloser Tiere muß somit in den Anfang des 20. Jahrhunderts da tiert werden. Dem Kleinschmetterlingskundler Franz Hauder so wie dem zoologisch ausgebildeten Kustos Dr. Theodor Kerschner, der 1914 seine Arbeit im Mu seum aufnahm, haben wir es heute zu verdanken, daß unsere Sammlungen seit dem Beginn dieses Jahrhunderts nach den Gesichtspunkten eines Do kumentationsmaterials erstellt wurden. Um alle in teressierten Kräfte unseres Landes am Aufbau dieser Sammlungen zu koordinieren und gemein sam Dokumentationen zu erarbeiten, wurde im Ok tober 1921 die Entomologische Arbeitsgemein schaft am OÖ. Landesmuseum, welches zu diesem Zeitpunkt schon unter der Führung des Landes Oberösterreich stand, gegründet. Noch heute, 66 Jahre nach Gründung dieser Interessensgemeinschaft, ist die Entomologische Arbeits gemeinschaft ein loser, nicht vereinsgebundener Zusammenschluß aller entomologisch aktiven Na turkundler des Landes mit dem Sitz am OÖ. Lan desmuseum. Viele privat angelegte Sammlungen aus der Reihe der Mitarbeiter sorgten im Laufe der Jahrzehnte für die Größe der musealen Insekten sammlung, die heute etwa auf 1,5 Millionen Tiere einzuschätzen ist. Alle diese Präparate, versehen mit Funddaten, lassen uns heute ein dynamisches Bild von der Veränderung der Zusammensetzung von Insektenarten zeichnen, liefern darüber hinaus Auskunft über Verbreitung, Nahrungswahl, jahres zeitliches Auftreten, Niststätten und lassen uns erst dadurch den heutigen Status ihrer Bedrohung und Gefährdung erkennen. Dem Feststellen des Aus sterbens einer Tierart (beispielsweise in Oberöster reich) liegt der Beweis eben in musealen Samm lungen zugrunde, welche das ehemalige Vorkommen dieser Tierart in unserem Bundesland bestätigen können. Womit ein wichtiger Sinn natur wissenschaftlicher Sammlungen erklärt ist: Rekonstruktion vergangener naturkundlicher Ver hältnisse, um dadurch im Vergleich mit dem Istzu stand Zukunftsprognosen aufzustellen. Neben der Unterstützung bei der Beobachtung re gionaler Problemstellungen hilft uns die Insekten sammlung, ja sie ist unumgängliche Grundlage zur Klärung von Fragestellungen der Systematik, Taxonomie, Ökologie, Faunistik usw. Zur notwendi gen Erstellung von Bestimmungstabellen, die erst zur Identifizierung eines vorliegenden Insekts ver helfen, benötigt man das Vorhandensein einer Sammlung ebenso. Daß selbst in einem gut be sammelten Land wie Österreich noch neue Insek tenarten für die Welt zu finden sind und auch noch jüngst gefunden wurden, läßt sich erst nach inten siven Sammlungsstudien bestätigen. Die Glaub würdigkeit publizierter Daten findet ihre Beweis kraft schließlich ebenso in angelegten Sammlungen. Zugegebenerweise sind Sammlungen ein Spiegel bild ihrer Sammler und geben daher auf Grund un terschiedlicher systematischer und regionaler Prä ferenzen kein gleichmäßiges Bild über alle Tiergruppen. Unter den Insekten gelten Schmet terlinge und Käfer zu den beliebtesten Sammel gruppen. Größe, optische Attraktivität, aufbereite tes Literaturangebot für den Sammler usw. mögen hier als wichtigste Gründe angegeben werden. Analog dazu ist der hohe Informationsstand über diese Insektenordnungen, der große Umfang der Sammlungen sowie die relativ große Anzahl der Bearbeiter auch in Oberösterreich zu verstehen. Die ersten drei Bände einer Dokumentation über die Schmetterlinge Oberösterreichs (KUSDAS u. REICHL, 1973, 1974, 1978), basierend auf größten teils heute im Landesmuseum befindlichem Daten material, stellen einen Anfang in der publizisti schen Umsetzung größeren Sammlungsmaterials dar. Ähnliches ist über einzelne gerade in Ober österreich gut bearbeitete Hautflüglergruppen, wie die Wildbienen, geplant. Ein völlig anderes Bild, sowohl auf Sammlungs ebene, als auch in Form von vorhandener Literatur, zeigt sich dem Interessierten bei Betrachtung ver schiedener anderer Insektengruppen. In Ober österreich hat eben kaum noch jemand Orthopte ren (Heuschrecken und Grillen) oder Zikaden gesammelt, so daß wir über diese Insekten weitgehendst uninformiert sind. Ganz zu schweigen von der systematischen Aufsammlung anderer Wirbel loser wie Spinnen, Würmer, Krebse usw. Lediglich Schnecken und Muscheln haben mehr Liebhaber gefunden, so daß hier auf vereinzeltes Datenmate rial in Sammlung und Literatur zurückgegriffen werden kann. Über den publizistischen Stand der Erforschung der Wirbellosen läßt sich in GUSENLEITNER F. und J. GUSENLEITNER 1983 sowie bei GUSENLEITNER F. 1983 nachlesen. Bei Gesamtbetrachtung der Sammlungssituation ist ein großer Ergänzungsbedarf abzulesen. Leider ist für die Notwendigkeit, systematische Sammlun gen anzulegen, nur wenig Verständnis zu ernten. Es muß uns gelingen, größere, geographisch un eingeschränkte Kollektionen zu erwerben, denn genausowenig wie Umweltschutz nur regional be trieben werden kann (z. B. Waldsterben), ist es möglich, zoologische Fragestellungen nur oberösterreichweit zu behandeln. Finanzielle, perso nelle und räumliche Besserstellung der naturwis senschaftlichen Sammlungsbereiche ist dazu vordringliche Grundvoraussetzung. Immerhin ar beiten derzeit in Oberösterreich weltweit anerkann te private Insektenkundler, die im Besitz wertvoll ster Sammlungen sind. So wie manchen einzigartigen Kollektionen (Priesner, Kusdas, Löberbauer, Klimesch) wird auch diesen Aufsamm lungen nach dem Ableben des Bearbeiters ein Platz in Wien oder im Ausland geschaffen werden, weil von eigener Seite nicht der notwendige Anreiz geboten werden kann. Wenige internationale Kol lektionen unseres Hauses beweisen durch zahlrei che Anfragen und Entlehnungen aus der ganzen Welt, welcher fachliche Wert in diesen Dokumenta tionen ruht, und wie sehr die Bedeutung eines Mu seums durch solche Sammlungen nicht zuletzt durch laufenden Eingang in die Literatur gesteigert werden kann. Daß Insektensammlungen auch einen praktischen, für jedermann brauchbaren Wert besitzen, läßt sich daraus ablesen, daß die entomologische Abteilung am OÖ. Landesmu seum die einzige Anlaufstelle im Lande zur Identifi zierung von Insekten darstellt, daß gerade bei Fragen der Schädlingsbekämpfung Insekten sammlungen unersetzbare Dienste leisten. Erst ein Blick in die Sammlung lehrt uns heute, daß die Kleidermotte, eine von etwa 1400 Mottenarten in Oberösterreich, ihren Ruf als gefährlichster Haus haltsschmetterling längst an die seit einigen Jah ren vermehrt auftretende Dörrobstmotte abgege ben hat. Aus diesen in der Sammlung ersichtlichen Ent wicklungen können somit auch praktische Rat schläge an die Öffentlichkeit weitergegeben wer den (GUSENLEITNER F. 1986). Womit der letzte Aufgabenpunkt unserer Sammlungen angeschnit ten wurde: die Öffentlichkeitsarbeit. Selbstver ständlich ist der Ruf nach Präsentation der jahr zehntelang aufgebauten Sammlungen in moderner Form zu hören und das mit Recht, haben doch die Zusammenstellungen naturkundlichen 9
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