Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 1, 1987

Literaturbeilage der Kulturzeitschrift Oberösterreich Heft 1/1987 Der Steyrer Arbeiterdichter Anton Forcher von Carl Hans Watzinger Er müßte schon etliche Zeit eine breite Gönnerschaft in der Literatur, bei ihren maßgeblichen Gelehrten und auch in literarischen Laienkreisen er rungen haben, aber es dauert eben lang, bis ein origineller Dichter soweit vordringt und damit auch der Öffentlichkeit bekannt wird. Zum ersten mal nach seinem Tod ist er in dem zum tausendjährigen Bestand der Eisenstadt Steyr erschienenen Buch „Ihre Heimat ist Steyr" (Verlag Wil helm Ennsthaler, Steyr) unter 31 Biographien von Dichtern, Künstlern, Historikern und anderen bedeutenden Persönlichkeiten zu finden, die aus dieser Stadt stammen. Zweifellos zählt Forcher, wie seine einzige Buch veröffentlichung, der Lyrikband „Brot aus den Händen der Mutter", be weist, zu jenen Autodidakten, denen die — leider! — zumeist oberfläch lich zugesprochene Ernennung zum Dichter nach kritischen Maßstäben zu Recht gebührt. 1937 ist dieser Gedichtband im damals angesehenen Krystall-Verlag, Wien, erschienen. Anscheinend hat er aber wenig Verbreitung gefunden. Immerhin hat ihn der nachmalige und jetzt emeri tierte Ordinarius für Germanistik an der neu gegründeten Universität Salzburg, Professor Dr. Adalbert Schmidt, im 1. Band seiner Literaturge schichte „Dichtung und Dichter Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert" entsprechend gewürdigt: „Mit starker Bildkraft versetzen seine Verse ins rauchige und rußige Eisenwerk, auf die pflastergraue Straße, die zur Fabrik führt, zum Eisenbahngeleis, wo die Schubmaschinen die Frachten fortschaffen. Immer wieder aber heben sich die arbeitsgebeugten Häup ter zur freien Schau ins gesegnete Land." Es war die erste wesentliche Kritik. Wieder einmal hatte ein Literaturfor scher die dichterische Stärke, ja Einmaligkeit erkannt, ähnlich wie es bei dem deutschen Kesselschmied Heinrich Lersch geschehen ist, über den es einmal kritisch heißt; „Er war ein hymnischer Sänger von mannhaft kraftvollem Rhythmus." Schon Lersch wußte sein Ich auszusagen. For cher machte es ihm, ohne ihn nachzuahmen, auf seine Weise nach. Das folgende Gedicht kann es beweisen: Dann ging ich in den Krieg , . . Noch saß die Nacht auf Berg und Schorn. Die Uhr schlug morgens drei. Da trommte hart am Waldsteg vorn der Bach im Takt vorbei: Es haben schon so viele Mann die Hände am Gewehr; nun komm ich aus dem Schlaf heran und rufe dich zum Heer! Und als ich vor dem Herde stand im Kegelschein der Glut, da dacht' ich denn: in kühlem Sand rinnt draußen längst schon Blut . . . Die Mutter sprach, nach ihrem Brauch: Mein Gott! Es muß halt sein. Viel andre Mütter weinen auch. Du gehst ja nicht allein. Das Werkstattkleid von gestern hing am Nagel. Und vorm Haus, auf grauer Morgenstraße, ging ein Trupp zur Bahn hinaus. Hart stampfen sie im Werkmannschuh, vorm Tanze ohne Spaß, den Gräbern des Vergangnen zu mit Fahne, Horn und Baß. Und meine Schwester stand beim Tisch imd schnürte mir den Pack voll guten Brotes, rindenfrisch, und Rauchfleisch und Tabak. Vorm Fenster war, schon klar zur Sicht, der Scheidetag umlaubt, wob Heilandsdom und Gotteslicht um jedes Weibes Haupt. Gar quellentief lag manches Wort, die Stunde wog zu schwer . . . Aus Männerkehlen kam vom Ort Gesang und Jauchzen her. Ein Finklein schrie am Bmnnengrand und meine Mutter schwieg. Noch fühlt' ich ihre weiche Hand — dann ging ich in den Krieg. 85

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