Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 1, 1987

Oberösterreich aktuell Arbeitsbedingungen auf die Gesundheit, von Bierkrawallen und Streiks — besonders an hand des großen Streiks in den Titania-Werken zu Wels —, von den Anfängen der Arbei terbewegung, den Arbeiterbildungsvereinen, von den politischen Parteien und den Kon sumgenossenschaften, von der sozialdemo kratischen und der christlichen Arbeiterbe wegung, dem Wirken Adolf Kolpings und seiner Gesellenvereine und schließlich vom Kampf um das allgemeine Wahlrecht. Der Maschinensaal entläßt uns durch eine „Frankfurter Küche". Sie war um die zwanzi ger Jahre modern und stellte eine erste Form einer genormten Wohnküche dar. Wer in der Frankfurter Küche wohnte, hatte die Entbeh rungen zu erdulden, die der Erste Weltkrieg mit sich gebracht und nach sich gezogen hat, er erlebte den Zusammenbruch der Wirt schaft, die Inflation und den Siegeszug einer neuen Energiequelle, die eine neuerliche Umwälzung brachte, die Elektrizität. Ein trichterförmiges Drahtgestell zwingt uns hinein in diese neue Zeit, Plakate, Fotos und anderes Anschauungsmaterial über Arbeiter schutz, Sozialgesetzgebung und Arbeiterkul tur der zwanziger und dreißiger Jahre beglei ten uns, Seitenblicke erlauben die Sicht auf ein E-Werk, das Symbol für jene Epoche, die wir heute als Zwischenkriegszeit bezeichnen. Sie wird beherrscht vom Fließband. In der Ausstellung ist es etwa zehn Meter lang und als Montageband gestaltet. Wir verfolgen auf ihm die Montage eines Autos der Type Steyr 50/55, des legendären Steyr-Babys, das der Wunschtraum unserer Eltern und Großeltern war. Das Fließband hat die Arbeitswelt revolutio niert. Die Arbeitsteilung wird aufs höchste perfektioniert. Was Henry Ford und Frederick Winslow Taylor in Amerika vorexerziert ha ben, findet nun auch in der österreichischen Industrie Nachahmer. Steyr stellt 1926 seine Autoproduktion auf Fließband um. Durch Be wegungsstudien, Zeitmessungen, Wegeskiz zen findet man heraus, wie der Mensch am rationellsten eingesetzt werden kann. In der Monotonie der stets gleichen Handgriffe am Fließband wird der Arbeiter zum Anhängsel einer Maschinerie, zum Sklaven der Bandge schwindigkeit. Noch eine grundlegende Änderung ergibt sich aus der Rationalisierung: Hand- und Kopfarbeit entwickeln sich immer mehr aus einander, es formt sich das Berufsbild des Angestellten. In der Ausstellung tritt dieses Prinzip deutlich hervor. Die Stirnseite der Fließbandhalle nimmt ein original eingerich tetes Werkmeisterbüro aus den zwanziger Jahren ein. Durch die Bürofenster blickt man auf ein Amerikamotiv mit dem Wrack eines Straßenkreuzers. In den Nischen und an den Längsseiten des Fließbandes wird deutlich, wie es dem Men schen gelang, die totale Rationalisierung zu meistern und ihr gute Seiten abzugewinnen. Wir erfahren von Verbesserungen auf dem Wohnsektor, ganze Siedlungen von Werks wohnungen entstehen, Kindergärten, Schu len, Sportanlagen und Spitäler erleichtern das Leben, die Gewerkschaften erstarken, der Mieterschutz ermöglicht es den Familien, auf Bettgeher und Untermieter weitgehend zu verzichten, Strom und Gas bringen den er sten Komfort in die Quartiere. Doch der elektrische Strom bringt noch mehr. Die Produktionssteigerung bedingt, daß der Mensch in weniger Zeit mehr leistet, daher 75

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