Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 1, 1987

Oberösterreich aktuell zueinander, In den Zünften. Das erfährt man im anschließenden Raum, dessen güldener Glanz den „goldenen Boden" des Handwerks symbolisiert. Wie der einzelne Meister in sei nem Haus, so herrscht der Zechmeister über die Einhaltung der Satzungen einer Zunft. Gleichnishaft verkörpert die Zunfttruhe die Macht der Zechen, in die das Handwerks haus fest eingebunden war. Die Zunft über wachte die Ausbildung der Lehrbuben, die Freisprechung zum Gesellen und nahm Ein fluß darauf, ob einer als Meister sich etablie ren durfte. Eine „Zunftpyramide" stellt dies anschaulich dar. Ehe ein Geselle auch nur daran denken konnte, als Meister eine Familie zu gründen, hatte er jahrelang auf Wanderschaft zu ge hen. Anhand der Stationen eines oberöstereichischen Wanderburschen erfährt man stau nend, wo überall in Europa sich diese Gesellen umgesehen haben. Doch dann tritt man ein in die Welt eines Handwerks, in dem wie kaum in einem zwei ten arm und reich aneinanderprallten; Ein mit Schmiedeeisen bespickter Gang leitet zu den Hammerschmieden, die nicht mehr wie die Schuster mit ihrer Hände Arbeit das Auslan gen fanden, sondern sich der Wasserkraft als Antrieb bedienten. Zwei Welten stehen hier einander gegenüber, die bescheidene Anla ge des Flanitzhammers, einer Hammer schmiede nächst Kefermarkt, und das Gradnwerk zu Micheldorf, wo die Hammerherren das Sagen hatten und wo Sensen erzeugt wurden, die in der halben Welt begehrt wa ren. Die Besitzer des Flanitzhammers konn ten nicht daran denken, Reichtümer anzu häufen, sie erzeugten alles, was die ländliche Umgebung an Schmiedewaren benötigte, und ihre Söhne waren bestrebt, in Bauern höfe einzuheiraten und den Betrieb zu ver äußern. Anders die Micheldorfer Sensen schmiede. Sie besaßen praktisch eine Links: Motiv aus dem Wehrgraben in Steyr. — Foto: Archiv oö. Landesausstellung 1987. Oben: Aus dem Skizzenbuch von Franz Hölzlhuber „Skizzen aus dem Traun ViertI" das Aquarell „Untern Himel und Christkindl bei Steyr" 1880. Die Besucher der oberösterreichischen Landes ausstellung 1987 in Steyr werden auch eingeladen, die schöne und interessante Umgebung der alten Elsenstadt kennenzulernen. — Foto: Franz Gangl, Linz. Monopolstellung, hielten um die Hand der Töchter anderer Hammerherren an, erwar ben Grund und Boden, ließen sich die „schwarzen Grafen" nennen und entwickel ten eine eigene „Sensenschmiedekultur". Den Gesellen freilich stand da wie dort kein Wohlstand ins Haus. Sie lebten nach wie vor unverheiratet im Betrieb ihres Meisters und hausten mit ihren wenigen Habseligkeiten in der Burschenkammer, wo sich nicht selten zwei oder drei von ihnen ein Lager teilen mußten. Verläßt man den Bereich des Schmiedehand werks, so steht man in der Mittelhalle vor dem Symbol für die vorindustrielle Welt, dem Was serrad. Es dreht sich in Originalgröße, ange trieben vom Wasser eines künstlichen Gerin nes, eines „Fluders", der vom Steyrfluß abgeleitet wurde und die Halle in Längsrich tung durchzieht. Während man nun über Ste ge, die den Fluder überqueren, rund um das Wasserrad geht, mag man sich vorstellen, wie diese bereits im Mittelalter den Men schen Untertan gemachte Naturkraft Wasser die Arbeitswelt verändert hat. Es erleichterte manches Tun, vieles wurde erst durch seinen Antrieb möglich, es legte aber auch zuwei len das Arbeitstempo fest und wurde so zum Auslöser für Mechanisierung und Arbeitstei lung, zum Merkmal der Industrie. Unser Weg führt uns somit zwingend in den Bereich des Vorläufers der Industrialisierung, in den Bereich der Manufaktur. Zunächst zieht ein Modell in der Raummitte unsere Blicke auf sich: die Linzer Wollzeugfabrik, dieses singuläre Zeugnis des Merkantilismus und der Textilmanufaktur, das von 1672 bis 1845 in Betrieb stand und in unserer Zeit der Spitzhacke zum Opfer fiel. Doch dann wer den wir gefesselt vom System einer solchen Manufaktur, die das Rohmaterial über Fakto reien an ungezählte „Spinnersleute" in oft weit entfernten Gegenden „verlegt", die im Familienbetrieb — Männer, Frauen, Kinder — arbeiten. In der Fabrik selbst greifen nun die Tätigkeiten ineinander, man arbeitet „Hand in Hand", das erfordert Kontrolle und Disziplin. Diese wiederum stärkt, nach Meinung der Produzenten und des Herrschers, Moral und sittlichen Lebenswandel. Grund genug, um auch die Insassen von Kasernen und Arbeits häusern in die Produktion einzubeziehen. Doch auch die Manufaktur hatte ihre guten Seiten. Das Wollspinnen brachte Arbeit in Notstandsgebiete, wo der Boden nicht genug hergab, um eine Familie zu ernähren, es trug bei zur „Hebung des Nahrungsstandes", und die Beteiligung am Lebensunterhalt der Fa milie verschaffte den Frauen mehr Ansehen im Hauswesen. Mit einem geschärften Blick für die Situation der arbeitenden Bevölkerung, mit mehr Ver73

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