Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 1, 1987

Oberösterreich aktuell „Arbeit/Mensch/Maschine" Der Weg in die industriegeseiischaft Helga Litschel Es empfiehlt sich, die oberösterreichische Landesausstellung 1987 „Arbeit/Mensch/Ma schine" von jenem Fußgängersteig aus anzu peilen, der seit kurzem den Stadtkern von Steyr über den Steyrfluß mit dem Wehrgra ben verbindet. Von hier aus erschiießt sich dem Besucher bereits ein Teii des Konzeptes dieser einmaligen Schau: Der große Vorplatz vor dem Aussteliungsgebäude wird von einem riesigen, aus Drahtgeflecht geformten Schmiedehammer beherrscht, unter dem sich der Mensch klein und hilflos vorkommt. Darüber hinaus umfaßt der Blick einen Groß teil des Ensembles Wehrgraben mit den ehe maligen Hackwerken im Vordergrund. Sie lie fern das Szenarium für eine Ausstellung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den arbeitenden Menschen von der Handwerkszeit bis in un sere Gegenwart in den Mittelpunkt zu rücken. Das ist ungewöhnlich, das ist bislang noch nie unternommen worden. Ungewöhnlich ist auch der Ausstellungskom plex: Zwei Industriebauten aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, in ihrer Bausubstanz charakteristisch und denkmalgeschützt, wur den von einer Stahlglaskonstruktion zu einem dreiflügeligen Gebäude verbunden, dessen Mittelfassade den Industriebauten der zwanziger Jahre nachempfunden ist und einen reizvollen Kontrast mit den Fiügeibauten ergibt. Solcherart bereits zeitlich in die Vergangen heit versetzt, betritt man die Ausstellung durch einen „Zeittunnel", an dessen Ende man durch die niedrige Tür in eine Schuster stube kommt. Spätestens jetzt hat man ver gessen, daß man Besucher einer Ausstellung ist. Man steht in der Welt des arbeitenden Menschen, man wird Teil des Geschehens, man schlüpft in die Rolle, die zum Bühnen bild paßt. Hier, in der Werkstatt des Schu sters, jenes Handwerkers, dessen Tätigkeit über Jahrhunderte nahezu unverändert blieb, erlebt man die Einheit von Wohn- und Werk statt, die Einheit eines Haushaltes, zu dem neben dem patriarchalischen Meister die Meisterin mit ihren speziellen Aufgaben ebenso zählt wie die Kinder — schon früh zur Arbeit herangezogen —, die Gesellen und die Lehrbuben. Sie alle haben ihre Probleme, nichts gemahnt an die verklärende Sicht der Romantik: Die Söhne und Töchter werden bereits mit zwölf Jahren in den Dienst ge schickt, die Gesellen sehen keine Möglich keit, einen eigenen Hausstand zu gründen, die Lehrlinge schuften von früh bis spät und haben oft unter der Willkür der Gesellen zu leiden. Doch hat die Wohn- und Lebensge meinschaft des Handwerksbetriebes auch ihre guten Seiten. Man ist unter dem Dach geborgen, der Meister bietet nicht nur Arbeit, sondern auch einen — wenngleich nicht übertrieben großen — sozialen Schutz. So wie die Rangordnung und Zucht im Haus des Meisters strengen Regeln unterlag, so verhielt es sich im Verband der Handwerker 72

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