Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 1, 1987

Oberösterreich aktuell Grußwort zur Landesausstellung 1987 Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck Es ist ein Brauch geworden in Oberöster reich, ja, man erwartet es von uns, daß Jahr für Jahr eine große Landesausstellung vorbe reitet und abgehalten wird. Und es ist auch Brauch geworden, daß der Ausstellungsort, das Aussteliungsgebäude so gewählt wer den, daß ein erhaltenswertes Objekt dadurch restauriert und einem neuen, sinnvollen Ver wendungszweck zugeführt werden kann. Als markante Beispiele möchte ich nur nennen das Bildungszentrum Stift Reichersberg, die Margret-Bilger-Galerie Schlierbach, das Kul turzentrum Burg Wels. Ähnliches erwartet man von uns auch für die oberösterreichische Landesausstellung 1987: Adaptierung eines Gebäudes, eine Do kumentation zum Selbstverständnis des Oberösterreichers und — nicht zuletzt — einen Impuls für die heimische Wirtschaft. Alle diese Erwartungen werden wir mit der Landesausstellung auch erfüllen, und doch; die diesjährige Schau weicht völlig von ihren Vorgängerinnen ab, sie bietet nicht kostbare Kunstwerke und unschätzbare Zeugnisse aus längst versunkenen Epochen, nein, sie stellt den Menschen selbst in den Mit telpunkt. Die Landesausstellung „Arbeit/Mensch/Ma schine" hat den Untertitel „Der Weg in die Industriegesellschaft". Damit ist das Thema bereits umrissen. Der arbeitende Mensch, seine Lebensformen, seine Probleme, seine Leistungen von der Zeit des ausklingenden Handwerks über die Manufakturen und die industrielle Revolution bis in die zukunftswei sende Welt der Mikroelektronik sollen dar gestellt, in allen ihren Facetten durchleuchtet und dem Besucher so nahegebracht werden, daß dieser sich mit dem Arbeiter, dem Hand werker, dem Angestellten, dem Handelsherrn und deren Umwelt identifizieren kann. Mit diesem Ziel vor Augen fiel die Wahl des Ausstellungsortes nicht schwer; Die Stadt Steyr ist geradezu ein Musterbeispiel für eine Industriesiedlung, deren Bewohner seit dem frühen Mittelalter alle Höhen und Tiefen von Industriekonjunktur und Flaute bis in unsere Gegenwart zu spüren bekamen. In dieser Stadt den oberösterreichischen Menschen und seine Arbeitswelt zu präsentieren, bietet sich wie selbstverständlich an. Und noch et was bietet sich an; der Steyrer Wehrgraben. Dieses bereits im 15. Jahrhundert vom Steyrfluß abgeleitete Gerinne diente seit seinem Entstehen den an seinen Ufern angesiedel ten Eisenarbeitern, den Hammerern, Schlei fern und Drahtziehern als Antriebskraft. Im 19. Jahrhundert erkannte der berühmteste Sproß der Steyrer Industriellenfamilie Werndl, Josef, die günstige Lage des Wehr grabens. Er ließ auf den Inseln, die durch den Steyrfluß, den Wehrgraben und zahlreiche Verbindungsgräben entstanden waren, meh rere Fabriksobjekte aufführen, die zu Werndls „Österreichischer Waffenfabriks-Gesellschaft" gehörten, aus der die heutigen „Steyr-Werke" hervorgegangen sind. Der Steyrer Wehrgraben war in den letzten Jahrzehnten einem starken Verfall preisgege ben. Die unrentabel gewordenen Fabriks anlagen wurden aufgelassen, sie standen leer, dienten zum Teil zweckentfremdet als Lagerschuppen, und man war nahe daran, das ganze Ensemble abzureißen, zumal der architektonische Wert der Industriedenkmale lange Zelt nicht entsprechend gewürdigt wur de. Derzeit wird dieser historisch bedeutende Stadtteil Steyrs in einem großzügigen Kon zept saniert und neuen Bestimmungen zu geführt. Damit komme ich zum Aussteliungsgebäude selbst. Zu den abgekommenen und verlasse nen Fabriksanlagen Im Steyrer Wehrgraben zählte auch das Gelände der ehemaligen Hack-Werke, das einst in Werndlschem Be sitz stand. Dem überaus rührigen Verein „Museum Arbeitswelt" ist es gelungen, diese historisch bedeutenden Objekte zu erstei gern. Zwei parallel zueinander stehende Fabrikshallen wurden mit viel Einfühlungs vermögen restauriert und über einen großen Vorplatz und einen Fußgängersteg über die Steyr mit dem Stadtkern verbunden. Eine be wußt zeitgenössische Stahlgiaskonstruktion vereint nun die beiden Hallen zu einem idea len Gebäudekomplex für eine Ausstellung, die neue Wege beschreitet. Unserem Grundsatz getreu, sollen die Räu me auch nach Ausstellungsende ihren Zweck erfüllen. Daher ist die große oberösterreichi sche Landesausstellung „Arbeit/Mensch/Ma schine" gleichsam der Startschuß für die Dauereinrichtung eines Museums zur Ar beitswelt, dessen Betreuung der schon ge nannte Verein übernehmen wird. Die Mitglie der des Vereins „Museum Arbeitswelt" haben mit beispielhaftem Einsatz gemeinsam mit der Ausstellungsleitung, dem Ausstellungs gestalter und den Ausstellungsarchitekten vorbildliche Arbeit geleistet und auf dem Ge biet des Ausstellungswesens Pioniertaten gesetzt. Die Besucher der Ausstellung im Steyrer Wehrgraben werden meine Worte bestätigen, wenn ich behaupte, in Konzept, Ausführung, Einfallsreichtum und Originalität ist mit der Ausstellung „Arbeit/Mensch/Maschine — Der Weg in die Industriegesellschaft" ein Werk gelungen, das in seiner Faszination überzeugt und international in die Ausstel lungsgeschichte eingehen wird. Allen, die am Gelingen der Ausstellung beteiligt sind, sage ich meinen herzlichen Dank! 71

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