Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 1, 1987

0mm Die Sensenarbeiter waren Infolge des „Leih kaufsystems" und der spezifischen Arbelts ordnung besonders an den Unternehmer ge bunden und konnten Ihre bescheidenen Rechte oft nur schwer durchsetzen. In vielen Fällen bestand, wie auf dem Sensenarbelterkongreß 1907 festgestellt wurde, noch eine „Art Hörlgkeltsverhältnls".^^ Dies und ein anachronistischer „Künstlerstolz" waren nach Meinung der Gewerkschaft der Grund für die besondere Ausbeutung der Sensenar beiter. Die gewerkschaftliche Organisation machte — seit dem ersten Sensenarbelterkongreß 1897 In Selzthal In der Steiermark — nur langsame Fortschritte. Unter dem Druck der Absatzkrise der Sensenindustrie und der zunehmenden Mechanisierung der Produk tion wuchs jedoch die Unzufriedenheit unter den Sensenarbeltern und mit Ihr die Berelt schaft, sich der Gewerkschaftsbewegung anzuschließen. Zu ersten größeren gewerk schaftlich organisierten Wlderstandsaktlonen kam es In den Jahren 1905/6 Im nlederösterrelchlschen Waldhofen/Ybbs, die schließlich 1908 In einem österreichweiten Streik gipfelten.Gefordert wurde dabei Ins besondere die Abschaffung des „Leihkaufs", der „Anrede", die Einführung eines lOstündIgen Arbeltstages, Festlegung von Mindestlöhnen etc. In manchen Sensenwer ken konnten beachtliche Erfolge errungen werden, das große Ziel eines Kollektivvertra ges wurde jedoch nicht erreicht. Im Gegensatz zu den kleingewerblichen Be trieben und der Sensenindustrie mußten die Arbeltsbedingungen In den anderen Metallfa briken, vor allem In der Waffenfabrik, gerade zu Ideal erscheinen. Aber auch hier gab es Ein Schausteller Im Wehrgrabengelände Steyr. Aufnahme etwa um die Jahrhundertwende. — Archiv Verein Museum Arbeltswelt. Rechts: Webereimuseum Haslach, Oberösterreich. Ausstellungsraum Im Erdgeschoß mit musealer Darstellung der Mechanischen Weberei. — Foto: Elfrlede Mejchar, Wien. Immer wieder Klagen, die Insbesondere die große Arbeltshetze, ungenügende Schutz vorrichtungen und häufig die arrogante, be leidigende Umgangswelse der Werkmeister betrafen. Anfang 1897 z. B. streikten 400 Ar beiter der Fahrradabteilung der Waffenfabrik wegen Lohndrückerel und Arbeltshetze.^® Heftige Kritik wurde wiederholt an der Fellen fabrik Braun In Vöcklabruck geübt, die um 1900 rund 100 Arbeiter beschäftigte. Neben schlechten Arbeltsbedingungen war es vor allem die Behandlung durch Vorgesetzte, die die Arbeiter empörte; so z. B. kündigte der Besitzer 4 Schlossern, well sie In der Werk stätte gepfiffen hatten. Strafen wegen La chens und Sprechens wurden auch In der Vöcklabrucker Baustoffirma Hatschek ver hängt.Derlei Diszipllnlerungsmaßnahmen veranlaßten auch 25 Gießer der Linzer Metall firma Merlet In den Streik zu treten, der aller dings an der Abreise der meisten Arbeiter schelterte.2® Ähnlich wie beim Verhältnis von handwerkli cher und Industrieller Eisenproduktion ver hielt es sich auch Im Textllberelch. Die handwerkliche Textllverarbeltung hat mit der Leinenweberei Im Mühlviertel eine lange Tradition In Oberösterreich. Der Übergang zur Industriellen Produktionswelse verlief hier schrittweise und neben den Webfabriken In Haslach und Helfenberg war die Handwe berei bis Ins 20. Jahrhundert zwar stetig Im Abnehmen, aber um die Jahrhundertwende durchaus noch von Bedeutung.Aber die Weber gerieten In dieser Zelt In völlige ver lagsmäßige Abhängigkeit von den Fabriken, und der Druck der Maschinenweberei (die die Preise Immer mehr senkte) führte zur stei genden Selbstausbeutung. Während In den Textllfabriken bis zur Jahrhundertwende eine Reduzierung der Arbeltszelt zwar nur lang sam, aber doch Stück für Stück durchgesetzt werden konnte, verlängerte sich die Ar beltszelt an den Handstühlen In den dunklen, niedrigen, schlecht beleuchteten und belüfteten Webstuben Immer mehr In die Nacht hinein, was zu gesundheitlichen Schäden führte. Die „Weberpest" wurde die Lungenschwindsucht genannt, der vor allem viele Kinder und Jugendliche zum Opfer fielen. In der Webfabrik Vonwiller, die seit 1854 mit mechanischen Webstühlen arbeitete, wurde um 1900 an Jacquardstühlen vor allem fein ster, gemusterter Westenstoff erzeugt. So wohl das Heben und Senken der Kette (wobei sich über ein Lochkartensystem komplizierte Muster erzeugen ließen) als auch der Schuß erfolgten hier automatisch. Die Arbelt des Webers, dem zwei bis drei solcher Maschi nen zugeteilt waren, bestand hier In erster Li nie In der Überwachung, Wartung und Repa ratur der Stühle. Die eigentliche Arbelt In den Webfabriken war mehr Im „Vorfeld" des We bens angesiedelt. Das „Schweifen" und „Auf bäumen" der Kette, das Spulen der Schuß spulen, das Einrichten der Stühle und das mühsame Andrehen der Fäden und schließ lich auch das Reinigen der Maschinen und der Arbeltsräume vom Flachs- und Baumwollstaub waren Arbelten, die nur zum Teil mit einfachen Maschinen, zum anderen aber mit der Hand verrichtet werden mußten. Das Gros der Arbeltskräfte stellten dabei Frauen und ungelernte Jugendliche. 52

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