Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 1, 1987

Das Wasserrad des Museums Arbeitswelt vor dem Abbau. Es betrieb bis vor wenigen Jahren ein Sägewerk In Altenrelth In Niederösterreich. bens fließt durch das Museum an den „Leit symbolen" der wirtschaftlich-technischen Entwicklung vorbei. Wasserrad, Dampfma schine, Eiektrizitätswerk — immer wurde und wird Wasser zur Energiegewinnung verwen det. Das Wasser der Steyr liefert heute noch Energie, diente früher daneben auch noch für Transportzwecke sowie zur Reinigung und Entsorgung. Arbeits- und Produktionsstätten, Fabriken und Wohnanlagen wurden deshalb an Flußläufen wie diesen angesiedelt. Was ser und Arbeit waren somit gerade in Steyr immer eng miteinander verbunden. Die Darstellung der Arbeitswelt In einem Mu seum ist erst dadurch möglich, weil sich un ser Kulturbegriff geändert hat. Große Teile des sogenannten alltäglichen Lebens be stimmen heute viel wesentlicher unsere Kul tur als so manche traditionellen Bereiche. Dabei können natürlich keine wertvollen Din ge gezeigt werden — Industriekultur bedeu tet kaum materielle Schätze, besonders nicht vor dem Ersten Weltkrieg. Dieses neue Ver ständnis von Kultur muß aber erst von den Konsumenten akzeptiert werden. Anstatt wertvollen Schmuckes oder eines Kunstwer kes kann zum Beispiel auch ein durch den täglichen Gebrauch geformtes Werkzeug oder ein persönlicher Gegenstand in eine Glasvitrine gestellt werden. Ein bis dahin un bedeutender Gegenstand wird dadurch Mit telpunkt — genauso, wie es die Ausstellung bezweckt: bisher als unbedeutend, unwichtig weggelassene Bereiche, die Geschichte der kleinen Leute, der vielen „Namenlosen", soll in den Vordergrund gerückt werden. Die Sozialgeschichte der industriellen Arbeit kann nicht allein auf die Darstellung von Ar beitsplätzen beschränkt werden. Zu umfas send, zu tiefgreifend waren mit der zuneh menden Dominanz der Arbeit und Produktion in Fabriken die Veränderungen des gesam ten gesellschaftlichen Lebens und der Le bensweise der Menschen gegenüber ande ren, früher vorherrschenden Lebensformen. So werden historische Gegenstände aus vie len und sehr unterschiedlichen Bereichen zu sammengestellt; Dokumente der Arbeits und Wohnbereiche, der sozialen Struktur und der politischen Verhältnisse sowie Arbeits produkte und auch Kunstwerke. Was unterscheidet nun dieses Museum von anderen? Sicherlich der Inhalt — die Arbeits welt in der Industrie war bisher kein Thema eines Museums in Oberösterreich. Im inter nationalen Vergleich kann beobachtet wer den, daß immer mehr Projekte ähnlicher Art im Entstehen sind — zu einer Zeit, in der die traditionelle Fabriksarbeit einem starken Um bruch unterworfen ist, ist das sicherlich kein Zufall. Aber auch die Gegenstände, die aus gestellt werden, unterscheiden sich sehr we sentlich von denen anderer Museen. Es sind Gegenstände des täglichen Gebrauchs und als solche heute oftmals wertlos — auf jedem Flohmarkt kann man sie mehr oder weniger billig erwerben. Das gilt natürlich nicht für alle Ausstellungsexponate, denn manche Ma schinen, Werkzeuge, Bilder etc. besitzen heute Seltenheitswert, eine Folge des gerin gen Wertes beim Ausscheiden dieser Gegen stände aus dem Gebrauch, wobei sie norma lerweise der Vernichtung anheim fielen. Daher können gewisse Objekte überhaupt nicht mehr gefunden werden — typische Bei spiele sind Arbeitskleidung, Schuhwerk usw. aus der Zeit der frühen Industrialisierung, Dinge, die nach der Abnützung weggeworfen wurden. Durch diese Beschaffenheit der Gegenstän de der „Alltagskultur" der Industriearbeit gibt es nur wenige, deren Erscheinung alleine In teresse erwecken und bei den Besuchern eine Assoziierung mit einer bestimmten Epo che hervorrufen. Leichter ist dies noch bei Maschinen zu erreichen: die Dampfmaschi ne — ein „Leitsymbol" im Museum in Steyr — ist untrennbar mit dem Zeitalter der Industria lisierung und der industriellen Revolution ver bunden. Trotzdem sind solche Maschinen 21

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