Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 4, 1986

Die dargestellten Annäherungsmöglichkei ten an eine Ästhetik der Altstadt zeigen In Summe deren Unmöglichkeit. Trotz dieser Einsicht In das komplexe und ganzheitliche Wesen der Stadtqualität muß man bei dem Versuch, sie zu durchleuchten und darzustel len, zu den zergliedernden wissenschaftli chen Methoden greifen und damit nachein ander einzelne Merkmale aus dem Zusammenhang herauslösen. Die Gefahren, die In diesem Vorgehen stecken, hat Theodor Fischer (München) schon vor Jahrzehnten beschrieben, als er sagte, daß solche Versu che, die Qualität zu ergründen, „zerkrümeln und vernichten, was als Ganzheit vor dem Empiriker steht". Die Stadt Braunau Ist über sechshundert Jahre alt, hat heute noch bedeutende Reste mittelalterlicher Bausubstanz, und wird die gotische Stadt genannt. Obwohl ein großer Stadtbrand 1874 etwa ein Viertel der Altstadt vernichtet hat, präsentiert sie sich heute Ins besondere durch die Intensiven Bemühun gen um Ihre Erhaltung und behutsame Er neuerung als ein Musterbeispiel für eine gelungene Altstadterhaltung. Im Sinne obiger Ausführungen sei mit Worten und Bildern versucht, das ästhetische Pro blem einer alten Stadt zu skizzleren. Es wird unter bewußter Nichtbeachtung der histori schen, psychologischen und sozialen Wer tungen rein phänomenologlsch vom jetzt vor handenen Bestand an Stadtgestalt ausgegangen. In Einzelmerkmale zergliedert und „zerkrümelt". Diese weltgehend wertfreie und wissenschaftliche Methode Ist ein legiti mer Ansatz, um zu einer Ästhetik von Brau nau oder einer Altstadt Im allgemeinen zu kommen. Angemerkt sei gleich die Gefahr, alles, was uns heute als nicht ergründbare Gestaltung erscheint, als „gewachsenen" nichtgeplanten oder vom Zufall gesteuerten Wlldwuchs anzunehmen. Mehr als uns heute einsichtig Ist, gründet auf wohlüberlegter Zweckmäßigkeit oder heute unbekannten Gestaltabsichten. Komplexität als gestalteri sche Anarchie zu bezeichnen, ginge jeden falls zu welt.^® Konkave oder konvexe Platz fronten als Zufall hinzustellen, Ist eine leichtfertige Herabsetzung der Baumelster des Mittelalters, die selbstredend auch da mals eine Schnur zu spannen verstanden. Die formale Zerkrümelung wird Im vollen Wis sen angewandt, daß Analyse erst dann an das Kunstwerk heranreicht, wenn sie die Be ziehung seiner Momente aufeinander prozessual begreift, nicht durch Zerlegung es auf vermeintliche Urelemente reduziert.^® Im gegenständlichen Falle erscheint es nicht re alisierbar, neben der Analyse des derzeitigen J/

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