Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 4, 1986

Kunst der Gegenwart Proklamation mit Lyonel Feiningers symbolisch-romantisctiem Holzschnitt in die Hände. Als Folge dieser beiden Erlebnisse be schließt der 21jährige, mit einer Mappe von Ar beiten nach Weimar zu Walter Gropius zu ge hen, welcher ihn auch prompt und spontan als Student aufnimmt. Bis 1923 lernt er nun vornehmlich bei seinem großen Vorbild Wassily Kandinsky Wandmalerei. Nach Abschluß der Studien folgen zwei Wanderjahre: zu nächst trampt er durch Italien, 1924 schließ lich eröffnet er zusammen mit seinem Stu dienkollegen Sepp Maltan in Berchtesgaden sein erstes Atelier für Hausmalerei. Doch schon im Zuge der Erweiterung und Über siedlung des Bauhauses von Weimar nach Dessau beruft ihn Walter Gropius als Profes sor für Typografie und Grafik an dieses In stitut. Bayers Hingezogensein zum Bauhausge danken kommt nicht zufällig. Wenn man seine im vorigen schon angedeutete geistige Herkunft vom Jugendstil und der Wiener Werkstätte kennt, wird es klar, daß ihn eben das Bauhaus, innerhalb dessen diese ganz heitliche Kunstbetrachtung ihre letzte Fortset zung fand, faszinieren und prägen mußte. Kunst war hier wie dort ein Disziplinen und Grenzen überschreitendes, unteilbares Gan zes. (Ein Gedanke, welcher uns übrigens erstmals in dieser Form im Barock begegnet.) Nicht der Spezialist, der Maler, der Grafiker, Designer oder Plastiker ist gefragt, sondern der all diese Bereiche umfassende Künstler, der Allrounder im besten Sinne des Wortes. — Sehr bald werden die von Herbert Bayer auf allen Plakaten und Schriften benutzten Stilelemente ein entscheidendes, program matisches Wesensmerkmai des Bau hausstils. Bayer repräsentiert zusammen mit Albers, Kandinsky und Moholy-Nagy den intellek tuell-technologisch orientierten Flügel im Ge gensatz zur poetisch orientierten Gruppe eines Klee, Feininger oder Mareks. Viel spä ter faßt der Künstler diese Jahre wie folgt zu sammen: „Äußere Strömungen und innere Tendenzen schufen eine Atmosphäre explo siver Evolution. Die meisten von uns erfüllte ein romantischer Expressionismus. Der Da daismus entsprach unserer Ablehnung jeder geheiligten Ordnung. Die Arbeit der StijlGruppe, beeindruckend in ihrer Reinheit, übte einen kurzfristigen, formalistischen Ein fluß aus. Der Konstruktivismus trug seinen Teil zum künstlerischen Aufruhr bei, aber die Welt der Maschinenproduktion mit den ihr ei genen Fakten und Funktionen bestimmte schon das Zukunftsbild." 1928 verläßt Herbert Bayer das Bauhaus und geht für die folgenden zwei Jahrzehnte in Deutschlands pulsierende Metropole der zwanziger Jahre, nach Berlin. Es ist immer \ 73

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