Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 4, 1986

Kunst der Gegenwart die Mittelschule und wurde zu einem begei sterten Mitglied der Wandervogelbewegung. Gewohnt hat die Familie in der Jägerstraße in Urfahr gleich hinter dem Mühlkreisbahnhof. Das Haus steht noch heute, auch wenn bis lang keinerlei Gedenktafei daran erinnert. Durch die Einberufung zum 14. k. u. k. Infan terieregiment endet diese sorglose Zeit. Im selben Jahr — wir schreiben 1917 — stirbt auch vollkommen unerwartet der Vater, wo durch die bereits fest vorgepianten Studien an der Wiener Akademie aus Geldmangel entfallen müssen. Dennoch blieb Herbert Bayers Begeisterung für die österreichische, speziell Wiener Kunst jener Zeit — insbeson dere die Secession und den Werkbund — zeitiebens bestehen, wie er auch seine eigene Entwicklung stets in diesem Konnex verstanden wissen wollte. Immer wieder ver wies er in Vorträgen und Schriften darauf, daß die Linearität der Secessions- und Hagenbundplakate mit ihren spezifischen Schriftornamenten Pate für seine eigenen Schöpfungen gewesen ist. Spezieii nachdem er 1919 in das Ateiier des Linzer Architekten Georg Schmidthammer eingetreten war, bekam er die Möglichkeit, die Kunst der wichtigsten Secessionisten, wie Klimt und Schiele, kennenzulernen. Leider wurde Bayer kaum für architektonische, son dern fast ausschließlich für typografisch-gebrauchsgrafische Arbeiten herangezogen. Erhalten sind ein Plakat für die staatlich aner kannte Kunstschule des Matthias May, des gleichen das Formular einer Speditionsnota der Firma Josef Herber. Das allererste künst lerische Schaffensprodukt ist freilich bereits ein Jahr zuvor, also 1918, entstanden: ein Ex libris für Friedl Heiss, welches noch deutlich die Beeinflussung von den Wiener Secessio nisten, sowie Hodler zeigt. Bereits im Alter von zwanzig Jahren verläßt Bayer seine österreichische Heimat für im mer, sieht man von den bis ins hohe Alter im mer wiederkehrenden Besuchen ab. Die er ste Station auf der nun folgenden Wanderung um die Welt ist das Büro des aus Wien stam menden Architekten Emanuel Margold in der vom Otto-Wagner-Schüier und Secessionserbauer Josef Mara Olbrich errichteten Mathil denhöhe zu Darmstadt, wo sich übrigens — welch geschlossener Kreislauf — nunmehr das Bauhausarchiv mit zahlreichen Arbeiten Bayers befindet. Damals konnte freilich der auf Innenarchitektur und Mosaikentwurf be schränkte Tätigkeitsbereich den ehrgeizigen, jungen Künstler auf Dauer kaum befriedigen. Viei entscheidender — weil für sein gesam tes, späteres Leben prägend — wurde die in jene Periode fallende Auseinandersetzung mit Wassily Kandinskys Buch „Über das Gei stige in der Kunst". Ganz zufällig kommt Bay er damals auch noch die erste BauhausKulissenbild, 1925, Tempera auf Papier, 46,5 X 66 cm. Neue Galerie der Stadt Linz, Inv. Nr. 1638 G Rechts: Geschichtete Landschaft, 1944, Kohle, Deckweiß und Aquarell auf getöntem Papier, 48,3 x 62,9 cm, Neue Galerle der Stadt Linz, Inv. Nr. 1636 G 72

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