Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 4, 1986

Historische Kunst Initiale des Buches Tobit (f. 161 v); zur Darstellung vgl. Tobit 4,10 bzw. 11,1 ff.: Denn Gutes zu tun rettet vor dem Tod und bewahrt vor dem Weg in die Finsternis . . . tiuntfo^fixcwpeitfi W Cttl Ilm tJöf occ Initiale des 27. Psalms (f. 186 v): Die Gemeinschaft mit Gott / MböitotmmemCqilj itttatetatttpoCtmCutai lungen auch gewissenhaft auf dem Vorsteck blatt ein: Umb diese Lateinisch geschribene Bibl hat mir herr Dr. Simon Vicarius der Staatpfarrkürche zu Graz (Graz) in Steyermach Anno 1648 den 12. Juny Zwelff Reichstaller wollen geben. Ein Verkauf kam nicht zustande, doch bald fand sich ein neuer Interessent, von dem Cypressus berichtet; Dem 8. Decembris obigen Jahrs will herr Pfarrer von Strassngang bei Graz mir Sechs Ducaten in Speele geben. Georg Peter Cypressus. Diese intensiven Be mühungen führten wahrscheinlich bald zum Verkauf der Handschrift. Vielleicht erwarb sie auch das Zisterzienserstift Wilhering, denn dieses erlebte gerade zu Beginn des 17. Jhs. einen neuen Aufschwung, nachdem in der Reformationszeit das Ende des Klosters be denklich nahe gekommen war. Der damalige Abt nahm die Klosterkasse an sich und floh damit nach Nürnberg, wo er sich verheiratete. Im schwer verschuldeten Kloster blieben nur wenige Mönche zurück, die Liegenschaften waren verpfändet und die Gebäude baufällig. 1585 war das Kloster völlig verlassen. Erst 1611 hat Wilhering in Georg Grill einen außer ordentlich tüchtigen Abt erhalten, der die Grundlage für den barocken Ausbau des Stif tes in den folgenden Jahrzehnten schuf. Es scheint möglich, daß zu dieser Zeit, in der von einem verschwenderischen Lebensstil der Wilheringer Mönche berichtet wird, auch die Klosterbibiiothek, die während der Reforma tionszeit arg in Mitleidenschaft gezogen wor den war, durch Ankäufe ergänzt wurde. Als a^mitmcoetmatttca meitmfamtna:X> ot t« weitere Möglichkeit des Erwerbs muß natür lich Schenkung durch einen frommen Wohl täter, der die Bibel gegen Gebete für sein Seelenheil stiftete, in Betracht gezogen werden. Kunsthistorische Aspekte Die Handschrift enthält 131 Deckfarbeninitia len, in Gold verziert, mit Darstellungen man nigfacher, zum Teil komischer Art, die der Prologe sind in der Regel aus rankenschwänzigen Drachen oder nur aus Rankenwerk ge bildet, in dem sich gelegentlich kleine Teufel oder Tiere tummeln. Bemerkenswert ist die große Anzahl figürlichen Initiaischmucks. So sind die Bibelbücher mit diesen ausgestattet. Daneben finden wir Fleurone als lilustrationstechnik, das als Füllung und Folie von In itialen verwendet wird, wobei abwechselnd stilisierter und naturalistischer Schmuck auf scheint. Der Kodex ist ein hervorragendes Beispiel nordfranzösischer Buchmalerei, wo bei auch byzantinische Einflüsse festzustel len sind. So erinnern die Darstellung der Köp fe mit ihrem lebendigen Blickausdruck, ebenso wie Teile der Initiaiornamentik an by zantinische Vorbilder. Die Schäfte der schwarzkonturierten Initialen sind zumeist — wie bei byzantinischen Initialen — aus lan gen, dünnen, blauen oder roten, mit lappigen Blättchen besetzten Stengeln, des öfteren auch aus langen, geflügelten Drachen gebil det. Monströse Hunde, die sich in ihrem Ty pus an die Arbeiten des 12. Jahrhunderts an schließen, beleben eine Anzahl von Initiale des 98. Psalms (f. 196 v): Ein neues Lied auf den Richter und Retter u« a>b,i^t^orcicuii[i pcwmiutuftiwööimi tfrK tmtufi3ej(;5iUtmreöetii Spiralranken und sind typisch für französi sche Arbeiten um die Mitte des 13. Jahrhun derts. Gerade die dekorativen Elemente, also die Drachen und die mit kleinen, dreilappigen Blättern oder Halbpalmetten besetzten Ran ken sind von vorzüglicher Qualität und sehr sorgfältig ausgeführt, während die Figuren zwar ausdrucksvoll, aber auch ein wenig derb wirken. Der für den figürlichen Teil ver antwortliche Illuminator bewahrt zwar noch letzte Erinnerungen an den späten Muldenfaltenstil, der in der letzten Dekade des 12. Jahrhunderts in ganz Europa zu finden ist und in England, Deutschland und Nordfrank reich besondere Ausformungen hervorbrach te, dem der Illuminator wohl auch die expres siven Physiognomien verdankt, leitet aber in der Gestaltung der Draperien bereits zum großflächig brechenden Gewandstil der Jahr hundertmitte über. Die farbige Wirkung ergibt sich aus dem dominierenden Vierklang von Karmin- und Zinnoberrot, Dunkelblau und hellem Ultramarin. Seltener trifft man auf Steingrau als Gewandfarbe. Auch das Blatt gold der Initialfelder und der inneren Bild gründe spricht stark mit. Laut Schmidt, der Vergleiche mit dem umfangreichen bei Bran ner zitierten Material anstellt, kommt eine Lo kalisierung der Bibel von Wilhering nach Pa ris nicht in Frage, obgleich er stilistische Übereinstimmungen mit dem Du Prat Atelier und der ersten Ausstattungsphase der bei Branner zitierten Bibel Paris, B. N., 16719—16722, um die Branner seine Dominican Group zusammengestellt hat, aufzeigt. 66

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