Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 4, 1986

Das Linzer Rathausgeviert: Entkernung und Revitaiisierung Otmar Brunner Das „Alte Rathaus" der Stadt Linz, In dem wahrscheinlich auch einst die ersten Land tag-Sitzungen abgehalten wurden, steht nun baulich als Gegensatz zum „Neuen Rathaus" der Stadt, das im Stadtteil von Alt-Urfahr als Bürohaus und Bürgerservicezentrum im ver gangenen Jahr fertiggestellt worden ist. Die Stadt Linz hat sich für zwei Standorte ent schieden, in denen die magistratischen Dienststelien untergebracht werden sollen. Unter dieser Voraussetzung habe ich bereits im Dezember des Jahres 1976 einen Arbeits auftrag zur Ersteliung einer Studie über den derzeitigen Bauzustand des Rathausvierteis samt Vorschlägen für die mögiiche Entker nung und architektonische Neugestaltung er halten. Bei der Bearbeitung dieser Studie habe ich erkannt, daß das heute sichtbare Rathaus am Linzer Hauptpiatz bereits aus mehreren Um bauten hervorgegangen ist. Da von einem Rathaus in Linz erst verhältnismäßig spät in Urkunden die Rede ist, wird vermutet, daß das Mauthaus ursprünglich als Ersatz diente, weil die Stadtrichter häufig landesfürstiiche Mautner waren.^ Die erste urkundliche Eintragung als „Rat haus" findet man im Jahre 1368. Als es der Stadtrichter Heinrich der Lanchseyt erwarb, findet man auf der Bescheinigung einer Rückzahlung eines Teiles einer Hypothek den Vermerk „Rathaus". Das Haus war nämlich mit einer Hypothek aus dem Jahre 1338 für die Stiftung eines Al lerheiligenaltares in der Stadtpfarrkirche be lastet. In dem Urbarbuch der Stadtpfarre fin det sich neben der Eintragung einer Gült in der Höhe der Hypothek gleichfails die Eintra gung „Rathaus".^ Nach dem neuerstellten Grundbuch aus dem Jahre 1724 stand das Rathaus vor 1414 „allda in der Pfarrgassen neben dess Gerichts-vorhin aber Herrn Aichinger Pfarrers in Spitall gewesten Haus".® Im Bauakt von 1513/14 wird vom Abbruch der aiten Mauern und vom Wiederaufbau des neuen Rathauses nach dem Stadtbrand im Jahre 1509 berichtet. Steine wurden aus St. Vaientin, Gewölbezie gel aus Aschach und Wilhering bezogen, das Haus wurde mit Schindeln gedeckt. Aus der Feuerordnung von 1572 kann entnommen werden, daß im Rathaus auch das Rüstzeug der Feuerwehr untergebracht war, dies geht ebenso aus den Umbaupiänen aus dem Jah re 1819 hervor. Im Jahre 1581 wurde der Rat hausbrunnen mit einem Becken aus Adneter Marmor im Rathaushof aufgesteilt. Der alte Rathaushof war ja, wie in meinen Untersu chungen nachgewiesen wurde, ais Arkaden hof gestaltet. Eine Kapelle wurde eingebaut, in der Messen gelesen werden konnten, das geht aus einer Anfrage 1639 an den Stadtdechanten hervor. Das damalige Rathaus war noch sehr schmal und wurde 1650 durch den Ankauf des Nachbarhauses am Hauptplatz vergrößert. Wie das schmale alte Rathaus ausgesehen hat, sieht man auf einer Feder zeichnung von Wenzel Hollar aus dem Jahre lOßO"*, es hatte drei Fensterachsen und einen polygonalen Eckturmerker. Die Fassa de war reich mit Sgraffitoschmuck versehen und hatte bereits eine Vorschußmauer mit dahinterliegendem Grabendach. Im Jahre 1673 weisen Kostenvoranschiäge auf die Ausge staltung des großen Rathaussaales hin. Car lo Garlone soll den Freskenschmuck ge schaffen haben.® Der Entwurf der uns heute bekannten Rathausfassade von Linz stammt hingegen wahrscheiniich von Carlo Antonio Carlone, seinem Verwandten. Die frühba rocke Hauptfassade wurde schließlich um 1675 errichtet. Ein Verzeichnis von 1724 weist neben dem Bürgermeister zwanzig Stadtämter aus. Seit 1764 wurden im Rathaussaal Bälle von den Linzer Gastwirten veranstaltet. 1765 wurde ein Merkantil- und Wechselgericht über kai serliche Verfügung eingerichtet. Interessant ist die Verfügung Kaiser Josephs II. aus dem Jahre 1765 über den Verkauf des großen Mes singleuchters im Rathaussaal an den Glockengießer Carl Putz.® Im Jahre 1778 wurde am Rathaus ein Balkon angebracht, auf dem, durch die Aufrichtung einer Säule mit Schwert und am Rathausturm durch Aus stecken der Marktfahne, der Beginn der Jahr märkte angekündigt wurde.Im Jahre 1782 betrat Papst Pius VI. den Balkon, um der Be völkerung seinen Segen zu erteilen. Weitere Umbauten erfolgten in den Jahren 1820 und 1824. Vor allem fiel der stark ge wölbte Rathaussaal den Baumaßnahmen zum Opfer, da Wände eingezogen wurden und ein Durchgang zum neu angekauften Haus Rathausgasse 6 hergestelit werden konnte. Seit 1821 war das adeiige Landrecht mit dem Gericht des Linzer Magistrates ver bunden und als Stadt- und Landrecht mit einem eigenen Vorsitzenden untergebracht. Gleichzeitig wurde die Stadtverwaltung in einen politisch-ökonomischen Magistrat um gewandelt.® Im Jahre 1823 erfolgte der Ab bruch der bis dahin vorhandenen Arkaden gänge im Rathaushof. Baumeister Franz Höbart errichtete an Stelle der Arkaden „Communicationsgänge" durch gemauerte Pfeiler.® Im Jahre 1824 wurde der zwiebelförmige Helm des Turmes abgetragen und durch eine Plattform mit vergoldetem Schmiedeeisengeländer ersetzt, auf der 1825 eine „Mittagslinie" eingezeichnet wur de.^® Schließlich kaufte die Stadt im Jahre 1902 das Haus Rathausgasse 8 (ehem. Garstener Stiftshaus) und im Jahre 1904 das Nachbarhaus Hauptplatz 34 (ehem. Gast haus „Zur Stadt Frankfurt") an. Es erfolgte der Einbau des Rathausfestsaales, durch den der „Communicationsgang" zerstört und der Hofcharakter stark beeinträchtigt wurde. Der Rathausbaikon erhieit 1938 erneut trauri ge geschichtiiche Bedeutung, als am 12. März dieses Jahres Adoif Hitler hier den An schluß Österreichs und die Gründung des großdeutschen Reiches verkündete. Aus dieser Zeit stammen wiederum einige Umbaupiäne, unter anderem wurde vorge schlagen, dem Rathaus einen zweiten Turm zu geben und vor allem eine Entkernung des Geviertes durchzuführen. Die Architektur wäre etwa so ausgefallen wie die der Brückenkopfgebäude in Linz. Es wurde je doch keine dieser Planungen ausgeführt. Weiters sind mir Planungsüberlegungen aus den sechziger und siebziger Jahren bekannt, bei denen ebenfalis Entkernungsmaßnahmen durchgeführt werden seilten. In all den letztgenannten Planungsüberlegungen wur de die Bausubstanz in der Rathausgasse, die teilweise noch aus dem 15. Jahrhundert stammt, nicht beachtet und wäre abgebro chen worden. Meine Untersuchung hat je doch ergeben, daß gerade die Häuser der Rathausgasse nach den neuesten Erkennt nissen der Denkmalpflege erhaltenswert sind. Untersuchungsergebnisse Mit Ausnahme von nur drei Häusern befindet sich mittlerweile das gesamte Häusergeviert, begrenzt vom Hauptpiatz, der Rathausgasse, dem Pfarrplatz und der Pfarrgasse, im Besitz der Stadt Linz. Grundlage für meine Untersu chung waren genaue Bauaufnahmen sämtli cher Häuser, die im Rahmen einer Lehrveran staltung am Institut für Baukunst und Bauaufnahmen bei Prof. DDr. Hans Koepf durchgeführt worden sind mit Ergänzung von Aufnahmen des Magistrates der Stadt Linz. Meine erste Aufgabe war, diese einzelnen Hausgrundrisse zu einem Gesamtplan zu sammenzufügen. Diese Aufgabe wurde durch eine Umrißaufnahme, die vom städti schen Vermessungsamt unter der Leitung von Dr. Karl Haslinger ausgearbeitet worden war und mir zur Verfügung stand, erleichtert. Diese sogenannten Flächenbauaufnahmen, die jedes Geschoß des gesamten Häuserge viertes darstellen und durch Höhenkoten er gänzt sind, bildeten die Ausgangsbasis für die weitere architekturhistorische Unter suchung. Die wesentlichen Ergebnisse der Rathaus studie waren; 1. Breiterker am Hauptplatz: An den Häusern Hauptplatz 33 und 34 befinden sich Erker 49

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