Literaturbeilage der Kulturzeitschrift Oberösterreich Heft 3/1986 Der Schriftsteller, Essayist und Kritiker Theo Kihs Elfriede Prillinger Es gibt Werte, die sich grundsätzlich jedem quantitativen Zählmechanis mus entziehen und parallel dazu gibt es auch Menschen, die jenseits des allgemein-öffentlichen Getriebes zu Persönlichkeiten besonderer Art her anreifen. Zu ihnen gehört Theo Kihs. Sein schriftstellerisches Werk ist nach bürgerlich-kommerziellen Kriterien nicht umfangreich, aber tief; die Bedeutung — weil aufrichtig und überlegt — nachhaltig. Er schreibt seit mehr als vierzig Jahren in Gmunden. Man begegnet Schriftstellern „im Wort". In diesem Wort — gleich, ob ge schrieben oder gesprochen — und an diesem Wort wächst das Erkennen. Ich kam mit Theo Kihs über Rilke in Berührung, als er dem Andenken dieses Dichters etwa 1951 eine Vortragsreihe widmete. In der Folge kamen mir diverse mit „-i- oder „-s- gezeichnete Kritiken kultureller Ereignisse zu Gesicht, in denen Theo Kihs seine Gedanken über Bücher oder entspre chende Veranstaltungen darlegte. Die lange Reihe seiner Besprechungen der in Gmunden und Umgebung stattgefundenen künstlerischen Ereig nisse — in erster Linie waren es kunsthistorische und zeitgenössische Aus stellungen — offenbarten den Schriftsteller Theo Kihs nicht nur als ver sierten Literaten, sondern auch als einen profunden Kenner im Bereich der Malerei und Graphik. Der Bogen seiner Interessen zeigte sich als weit gespannt und ernsthaften kritischen Erörterungen zugewandt. Dies brachte naturgemäß eine nähere Bekanntschaft mit dem Menschen, dem Denker und dem Schriftsteller Theo Kihs mit sich. In Gesprächen zeigten sich wesentliche Gemeinsamkeiten: Bücher, Bilder, Philosophie, Kunst geschichte. Auf dieser Basis sind wir damals Freunde im Sinne des Wortes und durch das Wort geworden. Es war das eine Entwicklung, die sich trotz spärlicher persönlicher Begegnungen ereignete — weit abseits von aller scheinbaren Selbstdarstellung oder wie die heute so modern gewor denen narzißtischen Eigenbespiegelungen sonst heißen mögen. Solches hätte niemals dem aufrechten Wesen von Theo Kihs entsprochen. Sein gesamter Lebensweg war und ist gezeichnet von Zurückhaltung, Si tuationstreue, Ernsthaftigkeit und Pflichtgefühl — und zwar jenem un auffälligen Pflichtgefühl, das nicht als schwer ertragbare Last, sondern als wesensmäßige Selbstverständlichkeit verstanden wird. Erlernt wor den sind diese in der Summe hervorragenden Charaktereigenschaften in einem durchaus nicht geradlinig geebneten Entwicklungsdasein. Theo Kihs, 1907 in Wien geboren, verbringt die Kinderjahre in einem von vielen Ortsverändefungen und von Unruhe geprägten Elternhaus. Der Vater, ursprünglich Bahnbeamter und vielseitig interessiert, betreibt ein Hotel in Grado, dessen Führung für Theo Kihs und seinen Bruder ein relativ unstetes Leben zwischen Wien und Grado mit sich bringt. Der frü he Tod des Vaters (bereits im November 1914 gefallen) wird zu einem zwingenden Einschnitt im Leben des gerade erst sieben Jahre alten Kin des; das großelterliche Haus wird zur hauptsächlichen Heimstätte. Pri vatunterricht mit Externistenprüfungen verlangen dann vom Heran wachsenden bereits Selbständigkeit und Selbsterziehung, auf diese Weise werden die Grundlagen der charakterlichen Entwicklung vorgezeichnet. Breit gestreute literarische, kunsthistorische und schöngeistige Interessen lassen sich durch umfangreiche Lektüre stillen; damit folgt der junge Theo Kihs vielleicht bereits der Familientradition, die sowohl den Groß vater als auch den Vater als schriftstellerisch begabte Persönlichkeiten ausweist. Nur der Weg in ein reguläres Studium bleibt, bedingt durch die Umstände der Zeit, für Theo Kihs — wie für viele seiner Generation — außerhalb der Möglichkeiten. Der allmähliche Weg in das Berufsleben geht vorerst über eine landwirt schaftliche Praxis zur Absolvierung einer Obst- und Weinbauschule, nach deren Abschluß Theo Kihs sich 1926 zum österreichischen Bundes heer meldet. Während der Jahre dieser Zugehörigkeit (bis 1933) bieten sich dort wesentliche Möglichkeiten der Weiterbildung. Der Erfolg be steht in einer anschließenden Anstellung im öffentlichen Dienst, vorerst in Ebreichsdorf, dann in Wien, und dort ergibt sich die Gelegenheit, alle notwendigen Prüfungen einschließlich der Beamtenmatura abzulegen. Damit sind die Voraussetzungen für den Justizdienst erfüllt und bereits 1936 erfolgt die Versetzung nach Schwanenstadt. In dieser Zeit (1938) wird Theo Kihs aus der ersten Ehe ein Sohn geboren. Die Kriegsjahre bringen eine unliebsame Unterbrechung der Berufslauf bahn. Theo Kihs wird dem Büro einer Reparaturwerkstätte zugeteilt, lebt wieder in Wien, wo er im Jahre 1945, am 22. März, dem Todestag Goe thes, total ausgebombt wird. Erst nach BCriegsende ergibt sich die Möglichkeit, wieder in den Justiz dienst einzutreten. Ab 1946 heißt der Dienstort Gmunden — und das ist für Theo Kihs nun kein abrupter Ortswechsel, denn seine kriegsbedingte Tätigkeit bei der Wiener Firma hatte ihn schon in das Verlagerungsdepot nach Gmunden geführt, er ist also bereits in der Traunseestadt bekannt und mit ihr vertraut. Vertieft wird diese Verbindung durch die zweite Hei rat im Jahre 1951, der eine 1952 geborene Tochter entstammt. Nach der Ablegung der Rechtspflegerprüfung wird Theo Kihs 1955 zum I.eiter des Grundbuchamtes in Gmunden bestellt. Dort bleibt er bis zu seiner Pen sionierung im Jahre 1971 — ein vorbildlicher, von allen Kollegen ge schätzter Beamter. Aber er ist eben nicht nur Beamter. Er dient dem Beruf auf der einen Seite seines Daseins — auf der anderen Seite lebt er ein inneres, geistiges I.eben. Das sind die beiden Sphären des Menschen Theo Kihs. Wenn man es rekonstruiert, ist er ein Selfmademan, was Geistesbildung betrifft — und damit gehört er zum Kreis vieler Menschen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, denen die heute vorhandenen Bildungs möglichkeiten nicht als Selbstverständlichkeit, sondern nur dann offen standen, wenn sich für den wachen und interessierten Geist auch glückli che Umstände ergaben. Für Theo Kihs bestanden solche Umstände. Sie lagen in der persönlichen Freundschaft mit einem genialen dichterischen Menschen, der vor allem die schriftstellerische Seite anregte —, und zu dem in den eigenen unstillbaren Interessen. Zu diesen gehörten anfangs auch intensive zeichnerische Versuche, die zwar der Bombennacht in Wien zum Opfer gefallen waren, aber unverzichtbar in anderer Form wiedererstanden: in der Erkenntnis und in der Beobachtung bildneri schen Schaffens und künstlerischer Entwicklung, und die ihren Nieder schlag in unzähligen Besprechungen und Beurteilungen zeitgenössischer Kunstereignisse fanden. Daher entwickelte sich die Persönlichkeit in zweifacher Weise: in Richtung bildende Kunst und hin zur Literatur. Ne ben der Behandlung des Rilke-Werkes für öffentliche Vorträge befaßte sich Theo Kihs auch mit Adalbert Stifter, so daß er von Johannes Pettauer für das Stifter-Jubiläumsjahr 1968 als Festreferent nach Kärnten ein geladen wurde (Pettauer richtete dort auf dem Zemmesberg der gesamten österreichischen Dichtung eine besondere Gedächtnisstätte ein). So ist Theo Kihs in vieler Hinsicht ein Mann des Wortes geworden, das kann man ohne Übertreibung sagen. Und er benützt dieses sein „Werk zeug" — ob geschrieben oder gesprochen — nie leichtfertig, er kennt Wert und Verantwortung des Wortes zu genau, um es jemals „eitel" zu nennen, daher gebraucht er es sparsam und konzentriert — als eine wesentlichste Kostbarkeit seines I.ebens. 89
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