Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 3, 1986

Altstadtrevitalisierung als Synonym für wieder gewonnene Lebensqualität in der Landeshauptstadt Linz Die Landeshauptstadt Linz machte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine stürmische Ent wicklung durch, schaffte den Sprung von der Provinzmetropole zum Industriestandort internatio nalen Formats. Eine derartige Wirt schaftsexpansion, wie sie Linz er lebte, — man bedenke, daß die Stadt heute mit 8400 Betrieben den größten geschlossenen Wirtschafts raum Österreichs darstellt — stellt an die kommunale Verwaltung unfangreiche Aufgaben, ständig neue Herausforderungen, die es gilt, an zunehmen und zu meistern. Die Linzer Stadtverwaltung war und ist, was das Uberwinden infrastruk tureller, sozialer und gesellschaftli cher Probleme im Sog rascher indu strieller Expansion betrifft, stets er folgreich, nur allzuoft konträr zur allgemein vorherrschenden kon junkturellen Situation. Wie auch in anderen Großstädten war die Orientierung am grundlegenden Bedürfnis des Stadtbewohners nach sozialer Geborgenheit, nach ausreichendem Freizeitangebot und einer lebenswerten Umwelt tragen des Element kommunaler Politik. Eine der niedrigsten Arbeitslosen raten Österreichs, das große Sportund Spielflächenangebot und der mit 53 Prozent überdurchschnitt lich hohe Grünflächenanteil sind geeignet, dies zu belegen. In einem Bereich hebt sich Linz jedoch von anderen Städten hervor: durch sei nen zielstrebig und vorbildlich sa nierten Altstadtkern, durch Hun derte stilgerecht restaurierte alte Bürgerhäuser, denen man in der In nenstadt, aber auch an der Periphe rie auf Schritt und Tritt begegnet. Die Altstadt ein begehrtes Wohngebiet Jene fatale Entwicklung, die wie an dernorts vielfach zu beobachten, den Innenstadtbereich zum reinen Geschäfts- und Arbeitszentrum und die umliegenden Satellitensied lungen zu reinen Wohngebieten, — um es drastisch auszudrücken: — „Schlafstädten" degradiert, konnte in Linz dank umsichtiger, bereits in den sechziger Jahren einsetzender Städteplanung unter größtmögli cher Berücksichtigung denkmalpflegerischer Gesichtspunkte und sozial orientierter Gesichtspunkte von vornherein verhindert werden. So sind die Linzer Innenstadt und der Altstadtbereich heute begehrte Wohngebiete, wo man gerne arbei tet, gerne lebt u \d auch gerne seine Freizeit verbringt. Als Beispiele für gelungene Revitalisierung, wobei neben der Erhaltung historisch wertvoller Bausubstanz „Belebung" ganz im Sinne des Wortes zu verste hen ist, seien nur die Linzer Fuß gängerzone, der Hauptplatz und der Altstadtkern angeführt, Berei che mit relativ hoher Wohndichte, wo sich heute unter restaurierten Fassaden Geschäft an Geschäft und Lokal an Lokal reiht. Kulturelles Erbe bewahren Die Anfänge der Bemühungen der Stadt um die Revitalisierung des kulturellen Erbes aus der Vergan genheit reichen bis in die sechziger Jahre zurück. Nach den Mühen des Wiederaufbaues in den Nach kriegsjahren begann sich das Be wußtsein der öffentlichen Hand um die Wahrung des kulturellen Erbes allmählich durchzusetzen. Großan gelegte Sanierungsvorhaben, zu nächst an einzelnen Gebäuden, wurden in Angriff genommen. Ein erster Meilenstein war die erfolg reiche Renovierung des Stadtmu seums Nordico, einer ehemaligen Mietkaserne, vom Stift Kremsmün ster erworben und von der Stadt seit 1963 durchgehend renoviert. Heute beherbergt das völlig neuge staltete Gebäude das Linzer Stadt museum. Als weiteres Beispiel vorbildlicher städtischer Initiative auf dem Ge biet der Altstadterhaltung folgte die Revitalisierung des um 1740 von Baumeister Johann Michael Pruner errichteten prachtvollen baAls ein Musterbeispiel für vorbildliche Altstadtrevitalisierung gilt das von der Stadt mit Kosten von 26,5 Millionen Schilling von Grund auf renovierte Kremsmünsterer Stiftshaus. Das Gebäude, das einen goti schen Kern aufweist, beherbergt neben zehn Wohnungen und einem Restaurant auch eine Gedächtnisstätte, die an das Wirken Kaiser Friedrichs III. in Linz erinnert. rocken Linzer Prunerstifts mit Ko sten von 21 Millionen Schilling. Das Bauwerk diente einst als Ar menhaus, später als Irrenanstalt, bevor es durch die Stadt vor dem vollständigen Verfall bewahrt wer den konnte. Vorbildliche Privatinitiative Enormen Auftrieb erhalten die Be mühungen um die Altstadtrevitali sierung seit dem Jahr 1977 mit der Gewährung freiwilliger finanzieller Zuschüsse zur Altstadterhaltung an Private. Nunmehr hält die Stadt jährlich neun Millionen Schilling an Förderungsmitteln bereit. An fängliche Bedenken über das zu er wartende Echo der Förderungsak tion bei Privatpersonen erwiesen sich als unbegründet. Durch die Schaffung finanzieller Anreize wurde eine wahre Flut von Privat initiativen ausgelöst. So konnten seit Bestehen der Aktion 384 Häu ser mit städtischer Unterstützung wieder in ihren ursprünglichen schönen Zustand gebracht werden. Die Gesamtsumme der ausbezahl ten Förderungsmittel erreichte die stattliche Höhe von rund 52 Millio nen Schilling. Die Stadt Linz kann heute dank dieser Förderungsmaßnahmen als ein Modellfall für Altstadtsanie rungsmaßnahmen im harmoni schen Einklang zwischen Öffent lichkeit und Privaten gelten. Leben in alten „Mauern" Ganz gleich, ob man seine Schritte nun in die Linzer Altstadt, in die Landstraße, durch die romantisch verträumt wirkenden Gebiete von Alt-Urfahr-West mit ihren alten Fischer- und Handwerkshäusern, auf den Römerberg mit seinen prachtvollen restaurierten Jugend stilbauten oder etwa in den Süden von Linz, nach Ebelsberg, lenkt, überall zeugen frisch herunterge putzte Fassaden vom gelungenen Versuch, alten Gemäuern im wahr sten Sinne des Wortes wieder „Le ben einzuhauchen". Weniger der re präsentativ und prachtvoll anzuse hende Althausbestand, vielmehr die wiedergekehrte Lebensfreude, spielende Kinder und Blumen in den Fenstern der schönen alten Mauern, in Stadtteilen, die heute als Wohngebiete mehr denn je gefragt sind, lassen die Bemühun gen der Stadt um die Altstadtrevi talisierung erst als gelungen er scheinen. 88

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