Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 3, 1986

Oberösterreich aktuell Die Bedeutung der Jagd in Oberösterreich Landesrat Leopold Hofinger Die Entwicklung der Jagd Ist eng mit der Menschheitsgeschichte verbunden. Jede Kulturepoche hat Ihre eigenen Jagdformen entwickelt und Art und Welse der Jagdaus übung Im Lichte der Zelt geregelt. Spätestens seit dem Zeltpunkt, da bei der Jagdausübung die Ernährung des Menschen nicht mehr Im Vordergrund stand, sind Jagd kultur und Jagdrecht auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Struktur und Entwicklung der jeweiligen Epoche: vom feudalen Jagd recht über die Bauernbefreiung bis hin zum heutigen Jagdrecht, das Spiegelbild der de mokratischen Verfassung unseres Landes Ist, so etwa könnte diese Entwicklung kurz umschrieben werden. Wie aus geschichtlichen Quellen hervorgeht, haben das Weidwerk und ein überhegter Wildstand schon zu allen Zelten die Gemüter erhitzt und Unruhen ausgelöst. Von 1650 bis 1747 gab es andauernd Bauernunruhen — den sogenannten Wildenecker-Aufruhr, der das Mondsee-Geblet 60 Jahre nicht zur Ruhe kommen ließ. Jagdrevolten gab es auch In Steyr, Steyregg, RIedegg, Alberndorf und Gallneukirchen, wo nach Quellenangaben ganze Rudel Hirsche die Felder verwüsteten und die ohendles karge Ernte vernichteten. In diesem grundherrschaftlichen System war den Bauern zwischen Pfingsten und Michaeli das Betreten der Wälder verboten. 1740 grif fen die Losensteiner Nagelschmiede zur Selbsthilfe, verprügelten die Jäger und dezi mierten das Wild auf eigene Faust. Mit der Bauernbefreiung Im Jahr 1848 wurde das Jagdrecht auf eigenem Grund gestattet. Jeder konnte der Jagdlust und -leldenschaft huldigen. Das Wild wurde zum Freiwild und der Wildstand In der Folge fast ausgerottet, so daß bald die Gesetzgebung einschreiten mußte. Aus dieser Zelt stammen eigentlich die Wurzeln unseres heutigen Jagdrechts. Das oö. Jagdrecht Zum Unterschied Bundeskompetenz Im Forstrecht ist das Jagdwesen nach unserer Bundesverfassung Landessache. Qberösterrelch hat bereits 1964 ein modernes und In sich geschlossenes Jagdrecht geschaffen, das wegen seiner Einbettung In die gesam ten landeskulturellen Interessen heute noch Österreichwelt vorbildhaft Ist. Demnach erfließt das Jagdrecht aus dem Grundeigentum und Ist mit Ihm verbunden. Hat ein Eigentümer mehr als 115 ha zusam menhängende Grundfläche, so wird es als Ei genjagd, sonst aber von der Gemeinschaft der Grundeigentümer genossenschaftlich ausgeübt. Die Jagdgenossenschaft, die von der Gesamtheit der Grundeigentümer einer Gemeinde gebildet wird, verpachtet üblicher weise dieses Jagdrecht an die Jägerschaft, die — In der Jagdgesellschaft zusammenge schlossen — die Jagd ausübt. Qberösterrelch Ist heute In 920 eigenständige Jagdge biete unterteilt. Nicht zuletzt aus landeskulturellem Interesse Ist man bestrebt, möglichst der einheimischen Jägerschaft bei der Verpachtung des Jagdreviers den Zu schlag zu geben. Die Ausübung der Jagd durch ortsansässige Jäger gewährleistet nämlich In einem hohen Maß eine Jagdaus übung Im Einklang mit den Interessen der ge samten Bevölkerung. Der vielbefürchtete Ausverkauf unserer Jagdreviere an zahlungs kräftige Ausländer Ist In Oberösterreich nicht eingetreten. Insgesamt sind nur 30 oberösterrelchlsche Jagdreviere, vor allem solche der Bundesforste, an Ausländer verpachtet. Diese Qrts- und Helmatbezogenhelt der Jagd soll auch In Zukunft aufrechterhalten bleiben. Unser Jagdgesetz regelt zwar ordnend die Jagdausübung, es geht aber auch davon aus, daß die örtliche Gemeinschaft viel bes ser als jede gesetzliche Bestimmung In der Lage Ist, die auftretenden Probleme zu re geln. Man kann heute mit Recht feststellen, daß diese Absicht des Gesetzgebers voll zum Tragen gekommen Ist. Das Verhältnis zwi schen Jägern und Bauernschaft Ist großtells spannungsfrei und der manchmal schwierige Ausgleich zwischen den Interessen der Jagd und der Land- und Forstwirtschaft kann Im mer wieder gefunden werden. Bauer und Jäger Jagd und Landwirtschaft waren über Jahr hunderte hinweg feindliche Brüder. Diese Zelten gehören heute der Vergangenheit an. Das Bild hat sich gewandelt. Ein großer Teil der rund 14.600 oberösterreichischen Jäger sind selbst Landwirte und vermögen dadurch abzuschätzen, wo die sinnvolle Mitte zwi schen kahler Wildleere und schädigender Überhege Hegt. Selbstverständlich gibt es zwischen den bei den Gruppen nach wie vor Probleme, Insbe sondere dort, wo Übereifrige auf beiden Sel ten die naturgemäß verschiedenen Ziel setzungen übertreiben. Es steht außer Zwei fel, daß das Wild, Insbesondere das Schalen wild, also Rehe und Rotwild, durch die Äsungsaufnahme der Landwirtschaft Futter entzieht. (Von den Wildschweinen möchte Ich lieber nicht reden, mit denen kann sich die Landwirtschaft bei bestem Willen nicht an freunden.) Wenn sich der Wildbestand aber In vernünftigen Grenzen hält, nehmen die meisten Bauern diese Beeinträchtigung auf sich. Meiner Meinung nach weniger wegen des Jagdpachtzinses, der für den einzelnen ja nicht viel ausmacht, sondern deswegen, well das wildlebende Tier als ein Stück Natur betrachtet wird, dem sich niemand enger ver bunden fühlt als der von der Natur abhängige Landwirt. Die Regelung des jährlichen Abschusses, die vom Jagdausschuß als Vertreter der Grund eigentümer und Jäger gemeinsam ausgear beitet wird, ermöglicht einen vernünftigen Ausgleich. Dieses System hat sich bisher be stens bewährt. Darüber hinaus gibt es auch wildlebende Tiere, die dem Landwirt beson ders ans Herz gewachsen sind. Ich denke da bei an Rebhühner, die als Schädllngsvernlchter besonders geschätzt werden. Das neue Bild der Jagd Die Meinung über die Jagd hat sich aber nicht nur In der Landwirtschaft, sondern auch ganz allgemein erheblich objektiviert und verbessert. Der Jäger gilt heute nicht mehr als Tiermörder, sondern man weiß, daß es sei ner Hege und Pflege zuzuschreiben Ist, daß es trotz der Eingriffe des Menschen In die Umwelt noch wildlebende Tiere gibt. Das „Reh am Waldesrand", das für viele der Inbeglff des Schönen und Romantischen Ist, wür de es wahrscheinlich gar nicht mehr geben, wenn nicht der auslesende Abschuß des kranken und überalterten Wildes und die oft recht mühevolle und aufwendige Fütterung In der Notzelt durch die Jägerschaft ausgeübt würde. Auch der wirtschaftliche Wert der Jagd und die Wiederentdeckung des Wlldbretes In unseren Küchen wird gerechterwei se hier Ins Kalkül zu ziehen sein. Ein Grund für dieses funktionierende Mitein ander Ist die feste gesellschaftliche Veranke rung der Jägerschaft In der Bevölkerung. Aus allen Berufsgruppen finden heute Menschen 55

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