Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 3, 1986

Aus den gleichen Vorlagen wie die Töpfer werkstätten haben die Erzeuger von Zinnge schirr geschöpft. Auf den Zinnpietschen und Humpen tauchen nämlich ebenfalls die glei chen Motive auf. Auch die Modelstecher und die Möbelmaler bildeten die „verkehrte Welt" ab. Es ist aber wohl anzunehmen, daß sich hinter diesen scheinbar so lustigen Bildern doch auch eine verschlüsselte Kritik verbarg, die sich gegen konfessionelle und soziale Unterdrückung wandte. Die an paradiesische Zustände gemahnenden Bilder, die eine Hier archie zeigen, die der Wirklichkeit Hohn sprach, waren ein Ausblick auf eine gerech tere Zukunft. Wenn solche Wünsche meist auch nur Utopien blieben, brachte das aus gehende 18. Jahrhundert, hervorgerufen durch eine neue Philosophie, doch eine tief greifende Wende. Man muß sich nur den krassen Unterschied zwischen einem Karl VI. vorstellen, der die Jagd noch mit dem vollen Pomp der Barockzeit betrieb und sie zu einem Fest inszenierte, und seinem späteren Urenkel, dem Erzherzog Johann oder dessen Neffen, Kaiser Franz Joseph, die als einsame Jäger selbst ins „Gamsgebirg" stiegen, selbst die Kleidung der Berufsjäger trugen und auf den Almen in die kargen Hütten einkehrten. Nach dem kaiserlichen Vorbild ergriff der Ruf „zurück zur Natur" nun weite Kreise, die bis lang nicht aktiv an der Jagd beteiligt waren. Der sagenumwobene und geheimnisvolle Waid und das rauhe Gebirge wurden zum Ziel der romantischen Sehnsucht. Eine Auf schrift auf einem hübschen Majolikakrug aus Gmunden mit dem Bildnis einer stattlichen Jägerin in Rokokotracht unterstreicht dieses Empfinden: „Die Jägerin so in dem Wald sich miehiich abgeloffen, hat das, was sie gesucht so lang, giicklich hir angetroffen." Plötzlich entdeckte man eine neue Welt und einen Personenkreis, der in völligem Ein klang und in Harmonie mit der Natur zu leben schien und man war bestrebt, diesem Leitbild zu folgen. Bei gemeinsamen Ausfahrten im Winter setzte man sich zum Beispiel in Schlit ten, die einem springenden Hirsch glichen, oder man befestigte einen geschnitzten Jä ger an der Spitze der hochgezogenen Kufen. Wem solche Gelegenheiten nicht offenstan den, der hatte immerhin die Möglichkeit, sich durch entsprechende Lithographien etwa vom „Steyrischen Jäger", wie sie die Kammermaier Erzherzog Johanns anfertigten, diese Welt zu vergegenwärtigen. Die Romantik des Jägerlebens kommt auch im Flugblattlied zum Ausdruck, das von einem Jäger berichtet, der eine schlafende Schäfe rin findet, die sich im Wald verirrt hatte. Auch die Modelstecher verewigten im ausgehen- £ Jäger mit Gams, kleine Figur aus Kittmasse, Steiermark, um 1820 den 18. Jahrhundert den Jäger und seine weibliche Gefährtin, die Sennerin, in paari gen Modelstöcken. Im Stile des Rokoko form te man den Jäger in Porzellan, was wiederum als Vorlage für die geschnitzte Version diente. Solche Figürchen wurden in den Zentren der Schnitzkunst, in Gröden oder in Berchtesga den, serienmäßig erzeugt oder aus Kittmasse geformt und fanden über den Handel den Weg zum einfachen Bürger. Diese neue Käu ferschicht eröffnet der „Volkskunst" und spe ziell jener mit jagdlicher Motivik an der Wen de zum 19. Jahrhundert eine beachtliche Blüte, für die um diese Zeit fast ausschließlich das zunftmäßig gebundene Handwerk in den Städten und Märkten verantwortlich zeichnet. Die Laienkunst als letzte Instanz der Rezep tion und künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Jagd bezieht ihre Antriebe zu einem wesentlichen Teil aus dem Bedürfnis nach Seibstdarsteiiung. Die Alm- und Jagd szenen auf Kästen und Truhen, auf den Löffeiremen, im Scherenschnitt und ganz be sonders in der Krippenkunst entspringen einer Vorstellungswelt, die dem Hersteller gleichermaßen wie dem Abnehmer vertraut ist. Viele derartige Gegenstände sind in ihrer ziervollen Ausgestaltung als Minnegaben an zusprechen. Rahmzwecke, Waschhölzer und Mangelbretter wurden von den Burschen selbst geschnitzt. Ihnen war die Darstellung einer Gams oder eines Hirschen vertraut. Vielleicht dachten sie dabei auch an das almerische Leben mit dem freieren Verhältnis zwischen Jäger und Sennerin. Ein anderer Teil dieser Erzeugnisse erhält seine Berechti gung durch die Einbindung in das Brauch tum, wie man es am Beispiel der Birken schwammschnitzerei des Salzkammergutes, die für den Rinderschmuck beim Almabtrieb hergestellt wurde, sehen kann. Solcher Lai enkunst ist kommerzielles Streben fremd, sie dient, wie etwa das Wurzeischnitzen, in erster Linie der eigenen Befriedigung. Hier läßt sich auch die überaus naive Büste einordnen, die Kaiser Franz Joseph in einer Gloriole aus Latschen, Edelweiß und Almro sen und umgeben von einem Adler und Gem sen „aiis Jager" zeigt. Dieses private „Kaiser jagdstandbild" wurde 1905 von einem gewissen Th. HeimI geschnitzt und gelangte aus dem Besitz des kaiserlichen Kammerdie ners Eugen Ketterl an das Österreichische Museum für Volkskunde. Trotz der Verfügbarkeit der Jagd bleibt ihre gesellschaftliche Rolle jedoch weiterhin be stehen. Sie bildet den Kristallisationspunkt für Vereinigungen, Clubs und Stammtisch runden, die ihr „Revier" durch entsprechende Tischzeichen markieren. Als ein solches Zei chen fungieren etwa jene kleinen bekleideten Holzfiguren, die in einem von zwei Pferden 31

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