Jagd und Jäger im Spiegel der „Volkskunst" Franz Grieshofer Seit der Urzeit regt die Jagd die Phantasie des Menschen zu künstlerischem Schaffen an. Voii Staunen bewundern wir die expres sionistisch anmutenden Malereien in den Höhlen von Lascaux und von Altamira. Auch die Ritzzeichnungen und die primitiven Schnitzwerke der Steinzeitkünstler erregen unsere Anerkennung. Ohne das Geheimnis seichen Tuns völlig zu ergründen, darf man annehmen, daß der Antrieb zur Darstellung und Abbildung des Wildes und der Jagd wohl kultischen oder magischen Ursprungs ist. Die Jagd bedeutete für den Menschen der Frühzeit Existenzsicherung. Ihr Erfolg ent schied über Leben und Tod. Verständlich, wenn man mit Hilfe von Sympathiezauber das Jagdglück zwingen weilte. Lange Zeit glaubte man nun auch die Bild zeugnisse auf den alltäglichen Gebrauchs objekten innerhalb der ländlichen Kultur mit den Erscheinungen primitiver Kulturen ver gleichen und ihren Ursprung ebenfalls Im Mythologischen suchen zu können. Man denke hier etwa an das Motiv vom springen den Hirsch. Die Vorstellung vom Hirsch als Zugtier des Sonnenwagens, als Wettertier (zu Lichtmeß macht die Sonne einen Hirsch sprung), dessen Geweihe gegen den Donner schützen (aus diesem Grund befanden sich bis ins 19. Jahrhundert Hirschgeweihe am Stephansdom), und als Tier von großer Ge schlechtsstärke haben wahrscheinlich dazu beigetragen, den Hirsch als Bildmotiv und im Ornament lebendig zu erhalten. Von daher mag man verstehen, daß die Volksmedizin, aber auch der Aberglaube in Form von Amu letten die Kräfte dieses edlen wie flinken Tie res sich zunutze machte. Vor allem das Bild vom pfellgetroffenen, weidwunden Hirsch, der mit Hilfe des Lebenskrautes oder der hei lenden Wurzel (Rübe) im Äser den Tod über windet, hatte für den Menschen allzeit etwas Tröstliches. In Form von graphitierten oder grün glasierten Kachein fand dieses Motiv schon früh Eingang in die Bauernstuben. Lebzelter gaben den von Pfeilen getroffenen Hirsch bei Modeistechern in Auftrag, um ihn in Form von süßen Lebkuchen am Kirtag zum Kauf anzubieten. Für eine doch wohl gehobe ne Kundschaft malten die Krügelmacher den König der heimischen Wälder auf den weiß glasierten Grund von Schüsseln und auf die birnenförmigen Majolikakrüge. Als gegen ständige Paare oder in langen Reihen er wuchsen die Hirsche am Webstuhl auf Bor ten und prächtigen Decken, die durch Wanderhändler weite Verbreitung fanden. Auch die Schmiede wußten den Feuerböcken die Gestalt des Hirsches zu geben, und manch Schlüsselloch umrahmt ein aus Blech geschnittener Hirsch. Neben dem Hirsch maß man auch dem Stein bock besondere Wirkung zu. An ihm war schon nach spätantiker Meinung so gut wie alles heilkräftig. Das wuchtige Steinbockge hörn wurde dementsprechend besonders in der Barockzeit als Stoff für verschiedene amulettartige Gegenstände verwendet. Ne ben Schalen und Pokalen erzeugte man in Salzburg vor allem Löffel, und die Messerer belegten mit dem Gehörn des Steinbocks die Griffe der Klappmesser. Wegen der besonde ren Wirkung des Steinbockhornes verwende te man diese als übeiabwehrende Druden messer, wobei zur Verstärkung der Abwehrkraft in die Klingen noch neun Kreuze und neun Halbmonde eingeschlagen wur den. Wegen der Seltenheit der Steinböcke nahm man für die Griffe des Jagdbestecks auch Gemskrickein. Solche Bestecke ließ man sich individueii anfertigen und achtete daher auf eine luxuriöse Ausfertigung. Die Bearbeitung des biegsam gemachten Kuh horns erfolgte ebenfalls in eigenen speziali sierten Werkstätten. Ein Mittelpunkt dafür war Sterzing an der Brennerstraße, von wo die Schnupftabakdosen und die Puiverhörner weithin in die Alpenländer und nach Süd deutschland verhandelt wurden. Verständ lich, daß die Jäger Stücke mit Motiven aus ihrer Welt bevorzugten. Über die unmittelbar magische Wirkung kommt der Verwendung von Horn bzw. der Darstellung jagdlicher Motive auch symboli sche Bedeutung zu. So erhält das Steinbock horn seine Wertschätzung auch aus der christlichen Tradition, da Christus im Zeichen des Steinbocks geboren wurde. Den weid wunden Hirsch mit dem Lebenskraut konnte Majolikaschüssel mit springendem Hirsch, Gmunden, um 1800. Sämtliche Abbildungen zu diesem Beitrag aus dem Österreichischen Museum für Volkskunde, 1080 Wien, Laudongasse 15—19. Herstellung der Fotos; LIchtblldwerkstätte „Alpenland", Wien 27
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