Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 2, 1986

Der Schwarzenbergsche Schwemmkanal Alois Sonnleitner Vor etwa 10 Millionen Jahren war der Böh merwald noch nicht kontinentale Wasser scheide; die Moldauschotter auf dem Kerschbaumer Sattel beweisen, daß die Moldau damals nicht in die Elbe und mit ihr in die Nordsee geflossen ist, sondern durch das Tal der Alst in die Donau und mit ihr ins Schwar ze Meer. Mit der „Umleitung" der Moldau nach Norden erst wurde der Böhmerwald die große europäische Wasserscheide. Schon in urgeschichtlicher Zeit wurde dieser Höhenrücken in seinen flachen Bereichen von Säumern und Fuhrleuten bewältigt, um den begehrten Bernstein in den Süden Euro pas und in den Mittelmeerraum zu bringen. Erst die Salzarmut Böhmens hatte dann eine so gewaltige Sogwirkung, daß auch die Bar riere des hohen Böhmerwaldes mit Aufgipfe lungen bis 1500 m überwunden wurde. Seit dem hohen Mittelalter brachte man das Salz aus den Lagern von Hallein zunächst auf dem Inn nach Passau, von dort aber mußte es auf den vielen Adern des Goldenen Steiges nach Böhmen getragen, gesäumt und gefah ren werden. Große Steigungen und wilde Ge steinshalden waren dabei zu überwinden. Einmal aber hat — und das in unserer Neu zeit — wieder das Wasser, wenigstens das Wasser der Bäche aus dem Kammbereich des Böhmerwaldes, den massiven Wall der Wasserscheide überwunden: im Schwarzenbergschen Schwemmkanal, auf dem mit Hilfe des Wassers der mehr als 20 Bäche, die am Nordhang in die Moldau fließen, das Holz des Böhmerwaldes in die Große Mühl ge schwemmt und dann mit Plätten auf der Do nau nach Wien gebracht wurde. Das Holz des Böhmerwaldes war im Mittelal ter nur zum Hausbau und als Hausbrand ver wertet worden. Erst die Glashütten nützten, ja verschlangen seit dem 16./17. Jahrhundert zur Herstellung von Pottasche und zum Hei zen der Schmelzöfen so große Mengen Holz, daß der Südhang des Böhmerwaldes bis zu den Terrassen des Mühltales, die schon gero det waren, vielerorts kahlgeschlagen und -gebrannt war. Vom Nordhang aber wurde nur das Holz der flußnahen Wälder auf der Moldau in die Bin nenregionen Böhmens geflößt und ge schwemmt; in den Kammregionen — das wa ren etwa 12.000 ha — brachen die altersschwachen und vom Sturm gefällten Baumriesen zusammen und vermoderten, immer tiefer in den Boden einsinkend, denn von dort gab es zunächst weder wirtschaft liche Nutzung noch Ausbringungsmöglich keiten — bis Joseph Rosenauer, ein junger Forst- und Vermessungsingenieur des Für sten Schwarzenberg, auf die wirklich geniale Idee kam, das Wasser der Moldau-Zubringer-Bäche in einem Kanal abzufangen und Porträt Joseph Rosenauer (1735—1804) die Trag- und Schiebkraft dieses Wassers zur Schwemme, also zur billigsten Möglichkeit der Ausbringung, zu nutzen. Landauf, landab gab es damals Holz-Schwemmanlagen z. B. auf der Moldau oder im Salzburgischen; aber auf diesen, oft übrigens sehr kühn angeleg ten Kanälen und Riesen wurde das Holz von den Bergen durch das Gefälle des Wassers nur zu Tal gebracht. Das Unerhörte und Neue am Unterfangen Rosenauers bestand darin, daß die Scheiter über eine Wasserscheide geschwemmt werden sollten, vom Nordhang des Böhmerwaldes auf den Südhang, vom Moldautal in das Mühltal. Allein die Vermessung dieser künstlichen Wasserrinne von der Mündung in die Große Mühl bis zum Seebach im unwegsamen Ge lände des Böhmerwaldes, der damals tiefer unerschlossener Urwald war, muß zunächst eine beachtliche körperliche, noch mehr aber eine einsame wissenschaftliche Leistung eines äußerst hartnäckigen Idealisten gewe sen sein; nur mit dem „Gspür" eines genialen Vermessers und der findigen Ausnützung al ler „VordI" (= Vorteil — „Da VordI treibt 's Handwerk", sagt eine alte Bauernweisheit — heute nennt man das weltweit das Know-how) erklärbar. Kein Wunder, daß Rosenauers Schwemmka nal-Projekt zunächst so unglaubwürdig und phantastisch erschien, daß er kein Gehör fand. Erst im zweiten Anlauf im Jahre 1789 genehmigte Fürst Schwarzenberg den Plan, und — das ist ganz typisch und kennzeich nend für den Planer — noch im selben Jahr und ehe das Schwemmpatent ergangen war, begann Rosenauer, noch dazu auf eigene Kosten, den Bau der Wasserstraße über die europäische Wasserscheide. Der „Alte Ka nal", wie diese Ausbaustufe später genannt wurde, sollte beim Seebach, dem Abfluß des Plöckensteiner Sees, enden und von dort bis zur Mündung in die Große Mühl bei Lichten au eine Länge von 33 km haben. Erst nach dem Erlöschen dieses Privilegiums, das auf 30 Jahre gegeben war, erst wenn sich also die Schwemmanlage schon bewährt hatte, sollte weitergebaut werden bis zum Licht wasser am Fuß des Dreisessel. An der schwierigsten Stelle, wo der Kanal in den Zwettlbach einmündet und die Scheiter in seinem natürlichen Gerinne vom Rosenhü gel, der Wasserscheide, ins Mühltal ge schwemmtwerden sollten, begann Rosenau er den Bau des Kanals, offenbar aus der Überlegung: Konnte er der Blockhalde des Wildbaches den Kanal abtrotzen, dann gab der „Rest", der den Nordhang des Böhmer waldes querte, nur mehr das Problem des Gefälles auf. Je sanfter nämlich das Gefälle in diesem Abschnitt, aus dem alles Schwemmholz stammte, war, umso mehr Holz aus den riesigen Revieren des Fürsten konnte zum Kanal herunterbracht werden — und niemals wurden Scheiter zum Kanal hin aufgebracht. Die kyklopischen Granitblöcke, durch die sich der Zwettlbach von 800 m über dem Meer auf den Rosenhügel auf 600 m über dem Meer beim Theresianischen Grenzstein zwängt und stürzt, waren das Haupthindernis beim Bau dieses Schwemmgerinnes. Aber findige und kräftige Steinhauer und Bergleu te, die herangeholt worden waren, sprengten und kleben das Material zur Verbauung der Kanalflanken, zu den riesigen Platten des Ka nalbodens — beides war besonders in den steilen Krümmungen dieses Abschnittes not wendig, sollten die Scheiter ohne allzu viele Schwemmer in Fluß gehalten werden können — und zum Unterbau des Treppelweges, der entlang des ganzen Kanals angelegt wurde, damit die Schwemmleute Schoppungen der Scheiter möglichst schnell erreichen und auf lösen konnten. Mehr als tausend Arbeiter setzte Rosenauer auf diesem ersten Bauabschnitt ein: die einen mußten Schlägern und Wurzelstöcke ausgraben bzw. -sprengen, andere das Ka nalbett ausheben und wieder andere — 69

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