71 7 /i bei Frauen häufig ist, nicht nur selber verkör pern, sondern auch die Kultur, der sie an gehören. Wenig später hat sich die Wahrnehmung des Nachbarlandes, die so lange Kindheit und Jugend mitbestimmt hat, in den Hintergrund geschoben, bedingt durch den Beruf, der sich dazwischengedrängt hat, durch Ortsver änderungen bis nach Mitteldeutschland, Norddeutschland und dann wieder zurück nach Oberbayern. Doch aus heutiger Sicht ist mir an der Erfah rung von Oberösterreich vor allem zweierlei deutlich geworden: Einmai ist es der im Sied lunsraum der bayerischen Frühzeit und des bayerischen Großreiches besonders bäuer lich gebliebene kulturelle Charakter des oberösterreichischen Nachbarlandes. Es kennt im Grunde keine Feudaltraditionen, höchstens einen milden, aufgeklärten und ab dem 18. Jahrhundert wissenschaftlich ge prägten klösterlichen Feudalismus, es ist von einer Bauern- und Handwerkerkultur be stimmt. Das läßt sich an vielerlei Kulturfor men, an Siedlungs- und Architekturformen, vor allem an der Art, wie bäuerliche Landwirt schaft betrieben wird, an der Gestaltung der Handwerksprodukte ablesen; ein Beispiel dafür ist die Gmundner Keramik, Dinge also, die aus einer bäuerlich-alpenländischen Arbeite- und Gebrauchskultur stammen. Zu gleich aber, und das ist für den, der im Bayeri schen Wald aufgewachsen ist, das Besonde re, ist Oberösterreich durch die politische Entwicklung, aber auch durch die Lage an dem zweiten großen Strom Europas, der den Westen mit dem Osten verbindet, zum Indu strieland geworden. Das industrielle Entwicklungsband folgt vor allem dem Band der Donau. Der in Ober österreich gefundene Kompromiß zwischen bäuerlicher Kultur mit handwerklichen Pro duktionsformen in kleineren Orten und in den Landstädten und mit der Großindustrie, mit Hochtechnologie, auch mit hochentwickelter Verkehrstechnik nicht allein auf dem Wasser weg der Donau, auch auf dem großen Schie nenweg und jetzt auf den Autobahnwegen, sind Sonderleistungen, die die Möglichkeit einer Verbindung von bäuerlicher Kultur und industrieller, von verschiedenartigen Lebens formen sichtbar macht, eine Mögiichkeit, die in der Großstadt Linz vor allem in einer im deutschen Sprachraum fast einzigartigen Weise repräsentiert wird. Immer dann, wenn ich nach Linz zurückkehre, fallen mir die Unversehrbarkeit und Unverlierbarkeit des Cha rakters der Altstadt auf, die durch die Großin dustrie im Osten und Süden von Linz, durch den großen Verkehrsweg der Autobahn kaum verändert wird, die auch moderne Architektur- und Wohnformen des Massenwohnens in einer Großstadt integriert hat. Dieses Modell leitet für mich auch über in ein gedankliches Modell einer europäischen Ordnung. Hans Heigert hat in der Süddeut schen Zeitung vor einigen Jahren geschrie ben, es sei nun einmal so und es sei doch im Grunde wohl auch nicht schlecht, daß auf 37
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