Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 2, 1986

von der Stirne und Braue der Felsen, ge säumt von der Wimper dunkler Tannen — drin das Wasser regungslos wie eine verstei nerte Träne." Friedberg In dem Oberplan benachbarten moldauabwärts gelegenen Friedberg fand Adalbert Stifter während der sommerlichen Universi tätsferien des Jahres 1828 freundliche Auf nahme im Elternhaus seines Studienfreun des Matthias Greipl. Die Kaufmannsfamilie Greipl stand in hohem Ansehen. Das Greiplsche Leinwandgeschäft besaß Niederlagen in Wien, Pest, Triest, Mantua und Verona. Im Hause Greipl herrschte reges und geselliges Leben. Von den fünf Kindern des Matthias und der Therese Greipl war Matthias junior der einzige Sohn. Fanny, die Erstgeborene, zählte zwanzig Jahre, als ihr der um drei Jah re ältere Student Stifter seine Liebe gestand. Im Friedberger Freundeskreis waren sie ein ander näher gekommen. Aus einer anfängli chen Zuneigung des Studenten war eine tief wurzelnde Liebe zu Fanny aufgekeimt, die freilich keine Erfüllung finden konnte. Zeit lebens hat der Dichter seiner Jugendliebe in Wehmut gedacht. Im späten Alter noch soll ihn beim Durchfahren von Friedberg die Erin nerung an seine Jugendliebe so sehr bewegt haben, daß er darüber in Tränen ausbrach. Dem liebenswerten und gütigen Vater Fannys setzte Stifter in der „Mappe meines Urgroß vaters" in der Gestalt des sanftmütigen Obristen ein Denkmal. Fanny, von ihrer Mutter in eine konventionelle, doch keineswegs glück liche Ehe gedrängt, starb früh nach der Ge burt eines Knaben. Dem Dichter wurde sie zur Muse, deren Gestalt ihn als lichte Vision durch sein weiteres Leben begleitete. In man chen Frauen- und Mädchengestalten von Stifters Dichtungen lassen sich vereinzelte Züge Fanny Greipls vermuten. Für Stifter war Friedberg gleichsam zur Heimat des Herzens geworden. Was er dort an innerer Be glückung — wie nachmals an schmerzlichem Entsagen empfunden hat, klingt als wehmüti ger Grundton noch in vielen seiner Erzählun gen nach. Am 7. August 1856 fiel Friedberg einer Brand katastrophe zum Opfer. Das Greiplsche Haus mit den dazu gehörenden Nebengebäuden war dabei ein Raub der Flammen geworden. Daß aus dem brennenden Wohnhause drei von Stifter stammende Bilder gerettet werden konnten, ist einer glücklichen Fügung zu dan ken. Eines der Bilder, ein Aquarell, das um 1828 entstanden sein dürfte, zeigt Friedberg mit dem deutlich herausragenden GreiplHaus und der Ruine Wittinghausen im Hinter grund. Nach dem Brande wurde das GreiplHaus nicht im ursprünglichen Stil wiederer richtet. Heute hat sich das Ortsbild wesent lich verändert; Friedberg steht am Ufer des Moldau-Stausees. An die Familie Greipl erin nern noch die Epitaphe von Fannys Eltern und ihrem Großvater an der südlichen Außen wand der Friedberger Pfarrkirche. Ruine Wittinghausen Auch die Ruine Wittinghausen zählt zu den bedeutenden Erinnerungsstätten Adalbert Stifters. Vorjahren noch vom Bärenstein „wie ein luftblauer Würfel anzusehen, der am obe ren Rande eines breiten Waldbandes schwe bet", bleibt Wittinghausen heute hinter dich tem Waldwuchs unseren Blicken verborgen. Ein kleines, auf Holz gemaltes Ölbild, die Rui ne darstellend, war von Stifter ursprünglich Matthias Greipl zugedacht. Ein zweites Ölbild von Wittinghausen hatte er für seinen Ju gendfreund Dr. Mugerauer gemalt. Die Wid mung war in lateinischer Sprache, die er mei sterhaft beherrschte, abgefaßt. Zu deutsch lautet sie: „Dr. Anton Mugerauer. St. Thoma, einst Wittinghausen, jetzt in zerfallenen Trümmern, besteht bis heute als ein Denkmal unserer dort froh verbrachten Jugend und brüderlichen Liebe, die nicht früher vergehen wird als jene Zeugen, die in Asche gelegten Mauern, deren wir gedenken. Die Zuneigung bietet Dir dieses Bild — mögest Du nie jener Zeit vergessen und derer, welche Deine Ge fährten waren. Wien, am 26. August 1839. Ad. Stifter." Seiner in Jugendtagen verbrachten Stunden auf Wittinghausen gedenkt der Dichter im „Hochwald"; „Oft saß ich in vergangenen Ta gen in dem alten Mauerwerke, ein liebgewor denes Buch lesend oder bloß den lieben auf keimenden Jugendgefühlen horchend, durch die ausgebröckelten Fenster zum blauen Himmel schauend ... oft und gern verweilte ich dort. . ." Das Rosenbergergut im Bayerwald Im Bayerwald, dem vorgelagerten, mählich abfallenden Teil des Böhmerwaldes, hat Stif ter „ungeheures Labsal in den weiten und breiten Wäldern" erfahren. Lackenhäuser, ein Dorf, dessen Waldhäuser weit verstreut lie gen, ist am südlichen Fuße des Dreisessel berges gelegen und von der Mühlviertler Grenzgemeinde Schwarzenberg in ungefähr einer knappen Wegstunde zu erreichen. „Der Aufenthalt in dieser Gegend gehört zu der glücklichsten Zeit meines Lebens . . . Meine ganze Seele hängt an der Gegend. Wenn ich irgendwo genese, so ist es dort. . ." Diesen begeisterten Worten des alternden und be reits leidenden Dichters ließen sich noch vie le weitere hinzufügen, die er in Briefen an seine Frau wie an manche seiner Freunde geäußert hat. Um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war mit dem Böhmerwald auch die Gegend am Fuße des Dreisesselberges als Erholungs- und Wandergebiet entdeckt worden. Als gastliches Haus bot sich Stifter das ansehnliche Rosenbergergut an, mit dessen Besitzern, Franz Xaver und Katharina Rosenberger, er freundschaftlich verbunden war. In der Erzählung „Aus dem Bayrischen Walde" schildert Stifter das Rosenbergersche Anwesen: „Es ist ein fast schloßähnli ches Gebäude, aus einem Haupthause und einem Seitenflügel bestehend . . . Auf dem Dache des Seitenflügels ... ist ein Türm chen mit einer Glocke, die das Zeichen zur Morgen-, Mittag- und Abendandacht gibt. . . Wenn ich in der Ferienzeit meiner Studien oft von meiner Heimat Oberplan im südlichen Böhmen in jene Wälder streifte, stieg ich ger ne auf der anderen Seite zu dem alten Ro senberger hinab und verweilte, nicht selten mit mehreren Genossen, durch eine Zahl von Tagen in seinem Hause, wo gute und billige Bewirtung zu treffen war. So wurde ich mit seinen Kindern befreundet, was zur Folge hatte, daß ich mehrere Male in späteren Jah ren mit meiner Gattin im Hause Franz Rosen bergers war, wo er uns im ersten Stockwerke des Seitenflügels eine Wohnung . . . anwies." Stifters Erholungsaufenthalte im Rosenber gergut setzten im Sommer 1855 ein. Seinem Verleger Heckenast teilte er am 23. August 1855 mit: „Ich sitze am südlichen Fuße des Dreisesselberges im Hause des Herrn Ro senberger ... Ich bin seit 19ten hier, und wie ein Wunder fangen alle üblen Erscheinungen zu verschwinden an. Ich trinke das Wasser, welches hier aus dem ungeheuren Granit lager, aus dem der Böhmerwald besteht, mit einer Klarheit und Durchsichtigkeit kömmt... Ich wasche mich mit diesem Was ser, und nachdem ich den Vormittag ver schrieben habe, gehe ich am Nachmittage in dem stillen ungeheuer weiten Tale oder in dem noch stilleren Walde herum. Ach Gott, könnte das so fort dauern!! Welche Werke dürften da entstehen?!" Mit dem Verleger kam er dann im darauffol genden Jahr in das Rosenbergergut. Ein für den Herbst 1857 geplanter Urlaub in den Lackenhäusern kam nicht zustande, da Stif ter dienstliche Obliegenheiten im Amte fest hielten. Ein kurzes Verweilen im Rosenber gergut ergab ich im Oktober 1860 anläßlich einer Schulinspektionsreise Stifters in das obere Mühlviertel. Im September 1863 suchte er mit dem Maler Kaiser das Dorf Lackenhäu ser und das Rosenbergergut auf: „Kaiser war vom Hochwald sehr entzückt, er wird jetzt ge wiß treffliche Zeichnungen liefern", berichtet Stifter im Dezember 1863 seinem Verleger. 30

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2