Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

Flurname Versunkenes Schloß" Geblieben ist der flach auslaufende Hang, dahinter, steiler werdend, der Hügel, der Wein trägt (nur heute in Zeilen, nicht mehr herausgerankt an Bäumen). Neu, und auch schon jahrhundertealt sind die Maisfelder, doch Weizen und Kom waren auch damals schon da. Zwischen den Feldern am Hang sind Büsche und Baumreihen und da und dort, weiße Flecken, ziegelrot gegiebelt, leuchten die alten Winzerhäuser, die auch heute noch in Gebrauch stehn. Das flache Feld davor, noch immer auf ganz sanfter Schräge des Hangs, wäre eintönig ohne das Steinlabyrinth von Mauern, die jahrhundertelang das Pflügen behinderten und eines Tages, fast meterhoch, herausgeschält wurden aus dem Grund. „Ein römisches Landhaus", beweist schlüssig die Wissenschaft. Noch genauer: „ein Meierhof aus dem ersten, zweiten Jahrhundert nach Christus" und umgebaut dann, erweitert am Ende des dritten, Anfang des vierten Jahrhunderts. Wer nicht die Erklärungsschrift kennt, geht, läuft und springt, ähnlich Kindern beim Tempelhüpfen über abbetonierte Mauern, ein System aus Quadraten und Rechtecken, die Zeit der Planung im Großen und weiträumigen Ganzen; aber auch Auswuchern eines Grundrisses mit Kleinquadraten, Achtecken, Sechsecken, Bögen und Apsiden. liegende der Wissenschafter lautet präzise: Hier baute, wohnte, lebte ein reicher Grundherr, einer der zu befehlen hatte und später, als das Reich verfiel, ein sicherer Schutzherr war der Provinz. Dann aber sei aus dem Grundriß herauszulesen: Sehr viel Bodenheizung, Wandheizung durch Heißluft in Röhrensystemen bei all dem kalten und rauhen Wetter (trotz Weinbau) und mit Hilfe der Quellen des Steilhangs kanalisiertes Haus, Abfälle aus Küche und Hof fortgespült in die Kloake, ein rekonstruierter Abtritt mit mehreren Sitzen nebeneinander. Uns bleibt also: Überlieferung von Stoffwechsel, Sanität und Badefreudigkeit mit Feuerkammer, Durchlauferhitzer und Auskleideraum, Heißwasserwanne, Dampfbad, Temperatur so um die 50 Grad Celsius, Luftfeuchtigkeit um 100 Prozent, dann Lauwasserwanne, Abschwitzräume, Kalt wasserwanne. Bad und Heizung wurden im Lauf der Zeit sogar ständig ausgebaut und erweitert. Man vermutet zweierlei Bäder, ein altmodisches, ein modernes. Das Haus war für Gäste gerüstet, vielleicht auch eine Herberge hochgestellter Persönlichkeiten. Und wenn in den Badestuben Geselligkeit geherrscht haben mag, vielleicht Promiskuität der Geschlechter, dann hatte das alles seine Ergänzung in einem großen ähnlichen Anbau nordöstlich des Hofgevierts. Hier empfing der Hausherr mit I,eibwache und Dienerschaft in seiner Hausburg, und die war wiederum heizbar durch Luft, die von äußeren Feuern in Boden und Wände einströmte. Das später Hinzugebaute hatte im Norden seinen mächtigsten Teil, der an die ,yilla" mit Hof anschloß, „die Basilika": 8 Meter lang, 9 Meter breit, im Vergleich dazu das Villengebäude samt Hof und stattlicher Südhalle 38 mal 38 Meter im Geviert, die Bäder aber daneben etwa 18 mal 6, die Empfangshalle mit zwei sechseckigen Turmgrundrissen und zwei quadratischen Dienerschaftsräumen annähernd gleich groß wie die „Basilika". In dieser habe, sagen die Forscher, der Gutsherr in der späten Kaiserzeit seine verarmten Bauern und Pächter zusammenkommen lassen. Daß der Raum damals bereits eine Kirche war, ist nicht ausgeschlossen. Wenn aber darin sich Christentum entfaltete, dann vielleicht auch schon eine Klostergemeinschaft, welche die Ordnung der Gegend mitstiftete? In den Apsiden also Geheimnis von Ordnung und Heiligkeit? Hier, sagt man, hat bei Empfängen der Herr des Hauses erhöht residiert und ein großes Fenster hinter seinem Rücken hat wohl alles Licht auf den Gast vor dem Herrn geworfen. Fünf andere Aspiden im Westen des Baues waren Zentren des Badebetriebs. Dort saß man dampfend, abdunstend vereint, wechselte Witze, Zoten, Anekdoten, verdaute, ließ Wasser ab und unterhielt sich wohl auch lässig über dem Sitzloch mit dem kühlen Rinnsal darunter, das von der Küche herkommend, quer durch das Haus floß. Heute wirken die Mauerreste des Bads selber wie Grundmauern kleiner Kapellen: „Das Bauwerk allmählich verfallen", nicht durch Brand oder Gewalt, 94

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