Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

Dis Manibus Römisches Wetter Auf deinen Wegen vom Haus nach zuhause bist du allein mit dir selbst. Auf diesen Wegen aber spielt letzte Freiheit sich ab. Für diese Wege zeigt niemand Verständnis, sie sind kein Hoffnungsgebiet für Freizeitgestalter, Gewerkschafter, Parteien. Deine Frau, deine Kinder können dort nicht dich begleiten. Dafür tauchen im Denken die Toten auf, begleiten dich, schweben dir über Kopf und Schultern, sind dir Gefährten auf weitesten und mitunter nächsten Strecken in ihr Reich. Eine Inschrift, Zug um Zug formt sich in dir und die Fußsohlen stempeln sie täglich abwärts auf den Asphalt: DIS MANIBUS Worte pflastern den Weg, unter dem die Vergangenheit weiterhin kräftig sich rührt. Osthimmel über Enns in Schwarzgrau. Grelles Westlicht darunter hinein. Von der Linzer Industrie dazu die rosarote Wolke, südwärts von ihr weißer Dampf. Dies alles verteilt sich parallel unter dem Schwarzgrau, unter der hohen, glatten Wolkendecke in feinstes Gemisch. Der Himmel im Sonnenuntergang westlich ist wolkenfrei, das abwärts sinkende Gestirn verteilt grelles Schwefelgelb. Die Häuser ostwärts vom Hochhausbalkon wie aus Seitenlicht herausgestochen: Grau, Ocker, Weiß die Wände; Schiefergrau, Graurot die Giebel, leuchtendes Hellgrün der Bäume, der Wiesen und Büsche; Schwarzgraugrün des Waldrückens am Horizont. Darüber schwebend auch heute zwischen Lauriacum, Lentia und Ovilava provinzialrömische Geister und Genien. Damals, als Wetter und Beleuchtung genauso waren, fielen Sonnenstrahlen auch auf Hütten, Festungsmauem, Tempel, Kasemenbauten, Straßenbelag. Steine glänzten noch vom Regen, Gegend hauchte gesunden Dampf gegen hohes, starres Gewölk, weißlich und schwarzgrau. Unter der Haut bleibt der Schädelknochen einer Landschaft auf Sichtweite. Skelett schlummert friedlich späterem Staubzerfall in Flut oder Feuer entgegen. 90

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