Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

Bücherecke seien deshalb folgende Kapitel besonders an geführt. „Hans Leinberger und sein Kreis": Dort finden wir den „Meister der Linzer Anna Selbdritt" genannt. „Die Linzer Gruppe — eine der feinsten Kleinkunst werke des Donaustiis." „Das Wirken der Weiiheimer Altarbildhauer Hans Krumper, Hans Degler und Hans Spindier im Do nau-Alpenraum": Es war bereits in der oö. Landes ausstellung 1964 „Die Biidhauerfamilie Schwanthaier" im Augustiner-Chorherrenstift Reichers berg am Inn ein Anliegen, diese Künstiergruppe als „Vorstufen" in den Schwanthalerkreis einzuord nen. Meisterwerke dieser Periode in Oberöster reich sind der ehemalige Hochaltar von Krems münster, heute aufgestellt in der Kremsmünsterer Stiftspfarre Grünau im Almtai, und der ehemalige Hochaltar aus der Stiftskirche Garsten, nach Auf hebung dieses Klosters in alle Winde zerstreut (Eferding, Linz usw.). „Die Bildhauerfamilie Zürn": in diesem Kapitel sind Oberösterreich und Salzburg in Text und Abbil dung verständlicher Weise besonders vertreten. Gleiches gilt von dem Kapitel „Die Biidhauerfamilie Schwanthaier in Ried". Dem „Rieder Öiberg" wid met Schindler eine eigene Darstellung. Es ist dies eines seiner Lieblingsthemen. Seit langem vertritt er die These, daß dieses überragende Beispiel süddeutscher Barockplastik Basilius Schwantha ier zuzuschreiben ist, einem Sohn von Thomas Schwanthaier, der biographisch nur undeutlich er faßt werden kann. Die österreichische Kunstge schichtsforschung sollte sich mit dieser Auffas sung ernsthaft auseinandersetzen. Meinrad Guggenbichier ordnet Schindler in das Kapitel „Die Biidhauerfamilie Schwanthaier in Ried" ein, ebenso den Garstener Marian Rittinger. Darüber ließe sich diskutieren. Weitere Kapitel, die österreichische Leser beson ders interessieren dürften: Das Passauer Biidhauerhandwerk des 18. Jahrhunderts — Die Biidhauenwerkstatt von St. Nikola (Joseph Matthias Götz und Joseph Deutschmann) — Meister in Braunau, Schärding, Burghausen und Tittmoning —- Stukkaturbiidhauer (Johann Baptist Modler, Franz ignaz Holzinger). Von allgemeiner Gültigkeit sind die Kapitel: Zen tren und Schwerpunkte, Arbeitsverhäitnisse (so zialgeschichtlich bedeutungsvoll). Vom Entwurf zum Werk. Diese Publikation sollte in keiner kunstgeschichtli chen Bücherei fehlen. Wie stark österreichische Belange in ihr berücksichtigt sind, zeigt auch das Faktum, daß von den 165 hervorragenden Abbil dungen etwa 30 vertraute heimische Motive dar stellen. Hermann Bauer: Kunst in Bayern. — Rosenheim: Veriagshaus Aifred Förg, 1985, 256 Seiten, davon 48 Farbtafein und 106 Schwarzweißabbiidungen, 32,5 X 24,5 cm, Leinen mit Schube,r Ladenpreis S 694.—. in dieser neuen „Rosenheimer Rarität" wird der an sich gewagte Versuch unternommen, die „Kunstiandschaft Bayern" in einer Gesamtschau darzu stellen. „Die Stammeslande, das Herzogtum, der Herrschaftsbereich der Wittelsbacher, das Kurfür stentum und schließlich für das 19. Jahrhundert dann das Königreich; sie geben jeweils den Be reich ab, innerhalb dessen in diesem Buch von Kunst die Rede sein soll." Der Autor, Prof. Dr. Her mann Bauer, ist seit 1973 Ordinarius für Kunstge schichte an der Universität München, vorher lehrte er bis 1969 an der Universität Salzburg. Sein Werk verzeichnis ist beeindruckend, in diesem Buch er weist er sich als Universalhistoriker ganz im Sinne früherer Geschichtsschreibung. Seine Beschrei bung von 1500 Jahren bayerischer Kunstgeschich te fasziniert. Exakte Wissenschaftlichkeit und Kunstprosa vermitteln dem Leser ein anschauli ches (Kunst-)Geschichtsbild. Das Rosenheimer Verlagshaus Alfred Förg sorgte für eine adäquate Buchausstattung. Es ist Vergnügen und Bereiche rung, dieses Kunstbuch zu lesen, anzuschauen, es immer wieder zur Hand zu nehmen. Der zeitliche Bogen wird vom „Frühen Stammes herzogtum" (Agiioifingerzeit) bis in die Periode „Zwischen den Kriegen" gespannt. Kunst wird nicht isoliert, sondern in ihrer gesamthistorischen Bedingtheit verstanden. Jede Periode wird ein prägsam charkterisiert, Spitzenwerke werden in Wort und Bild repräsentativ vorgestellt. Einige For mulierungen seien als Beispiele zitiert. Die ur sprüngliche Rotunde an der Gnadenkapeiie Aitötting gilt dem Autor als „eine architektonische Reliquie aus Bayerns früherer Herzogszeit", der Salzburger Virgildom, überdeckt vom barocken Salzburger Dom, erscheint ihm als „Krönungs- und Grabeskirche Tassilos", ist also historisch mit Tassi lokelch und Tassiloieuchter in der Schatzkammer von Kremsmünster in einer Betrachtungsebene zu verstehen. Die Kunstüberiieferung aus dem „Bayern in karoiingischer und ottonischer Zeit" . . . „beschränkt sich im wesentlichen auf die Reste von mobilen Stücken aus Schatzkammern und Bibliotheken". Es sind Zimelien, zu denen auch Salzburg mit sei ner Schreibschuie einen wesentlichen Beitrag ge leistet hat. Es ist aus Raumgründen nicht möglich, diese Auf zählung von Details fortzusetzen. Die Faszination der Lektüre bleibt in allen Kapiteln dieses „Stan dardwerkes zur Kunstgeschichte Bayerns" erhal ten: Die Romanik — Die Hochgotik — Die Spätgo tik — Die Renaissance — Die Barockzeit — Das Rokoko — Zopfstil/früher Klassizismus — Die Kunst im neuen Königreich: Empire und Bieder meier — Der Ludwigsstil — Der Historismus und die Anfänge der industriaiisierung — Die Münch ner Maierei —■ Kunst für den Märchenkönig — München als Kunststadt/Die Prinzregentenzeit — Der Münchner Jugendstil — „Der blaue Reiter" — Zwischen den Kriegen/Epilog. Allein der Blick auf dieses Inhaltsverzeichnis be legt die Selbständigkeit des Autors. An die klassi schen Stilbezeichnungen hält er sich nur bis zur Kunstentwickiung hinein ins 18. Jahrhundert, wo bei wertvoll seine Hinweise auf die territorialen Ver schiedenheiten sind. — „In der Kunstgeschichts schreibung haben sich Epochenbezeichnungen eingebürgert, die nicht durchgehend einheitlich konzipiert sind oder auf einer gleichen Ebene liegen." Für das 19. Jahrhundert bis herein In die Gegen wart wird In Wort und Bild In großartiger Welse die Eigenentwicklung der bayerischen Kunst Im Wlttelsbachischen Majestätsbereich und die Gestal tung von München zu einer einzigartigen Kunstme tropole dargestellt. Wie überlegt dieses bayerische Kunstpanorama angelegt wurde, belegen auch die ausgewählten Blldbeisplele, so etwa bei Wassily Kandlnsky die Gegenüberstellung eines seiner Frühwerke „Der Brautzug", 1902, mit der „Kompo sition IV" aus dem Jahr 1911. im Klappentext dieses Werkes wird aufgeführt: „Wer mehr weiß, sieht mehr." Diesem Werbespruch wird gerne zugestimmt. Diese „Kunst in Bayern" Ist für den Kunstliebhaber und ebenso für den Fach mann ein wertvoller Behelf, gleichzeitig ein biblio philer Genuß für jeden Freund schöner Bücher. O. Wutzel Walter Turrini: Intarsien. Eine alte Kunst — leicht er lernba.r — Rosenheim: Rosenheimer Verlagshaus Aifred Förg, 1985, 104 Seiten, davon 8 Seiten mit Farbbildern, 50 z. .T zweifarbige Zeichnungen, 23 X 19,5 cm, Pappband, Ladenpreis S 296.40. Das vorliegende Buch fußt auf den bekannten Kur sen, die in Stift Geras im niederösterreichischen Waidviertel stattfinden, und die Bewahrung, Fort führung und Entwicklung kunsthandwerklicher Techniken zum Ziel haben. Dieser vorerst für den Interessierten Laien abgesteckte Bereich wird vom Autor vertieft und erweitert, so daß das Buch in gleicher Weise den Fachmann anspricht, was es nach den Worten des Autors auch soll und auf Grund der beruflichen Ausbildung des Autors auch kann. Das Buch Ist aufgebaut ähnlich dem Entstehen einer Intarsle. Wir hören vom Holz, seinen Eigen schaften, wie man die positiven nützt und fördert, die negativen unterdrückt und sich vor ihnen schützt. Die Handwerkzeuge und Maschinen, die dazu helfen, werden uns vorgestellt, schließlich er halten wir auch das ideelle Werkzeug, die ver schiedenen Techniken des intarslerens. in knapper, sehr informativer Form erhalten wir Kenntnis von den verschiedenen Methoden des In tarslerens und Marketierens. Das Hauptaugen merk bleibt auf dem handwerklichen Bereich. Der Autor verliert sich nicht in schwärmerischem No stalgiewahn und vermittelt gerade deshalb ein gu tes Bild von der Geschichte, den Möglichkeiten und den Zukunftsaussichten seines Handwerks. Der interessierte erhält viele Denkanstöße, und es wird durchaus auch eine Art Jagdfleber geweckt, die faszinierend durchdachten Techniken nachzuvollziehen, die die Schönheit des Produktes oft mit einer erstaunlichen Rationalisierung des Arbeits ablaufes verbinden. Für den Anfänger und reinen Hobbybastier wären Skizzen, die den Arbeltsablauf einiger Techniken verdeutlichen, wünschenswert. Bloße Beschrei bungen führen sicher zum Scheitern einiger be mühter Versuche. Andererseits erfolgen dankens werte Hinwelse auf sonst eher vernachläßigte Dinge, wie Werkzeugpflege, Beachtung eines auch optisch geordneten Herstellungsablaufes und Verwendung auch moderner Materlallen. Wer ein steigendes Bedürfnis für Qualität und eine ebenso steigende Abneigung gegen Konfektionsware hat, und wem das Handwerk am Herzen liegt, der findet in diesem Buch die Möglichkeit aufge zeigt, eine traditionsreiche Handwerkskunst zu be wahren, sie selbst zu erleben und zu aktivem Neuen zu verjüngen. A. Klupp 85

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