Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

Oberösterreich aktuell Aus den Kunstsammlungen des Stiftes St. Florian; Werkstatt Bernhard Strigels, um 1510, Porträt Kaiser Maximilian 1. — Foto: Eifriede Mejohar, Wien Links: Stift St. Florian, Marmorsaal (Kaisersaal). Mit Deckenfresko von Bartolomeo Altomonte, Verherrlichung der Siege Österreichs und Ungarns über die Türken, und Architekturmalerei von Ippolito Sconzani. — Foto: Hofstetter, Ried im Innkreis schafft die Möglichkeit, daß auch jener Besu cher, der sich zum erstenmal in der Ausstel lung befindet, schon im vorhinein die Zeit be messen kann, die seinen persönlichen Interessen entspricht. Trotz allen Bemühens aber bleibt eine große Fülle von Eindrücken, die nach Auflockerung und Abwechslung verlangen. Diesem be rechtigten Wunsch, den ja schließlich jeder Ausstellungsgestalter auch aus eigener Er fahrung kennt, dient ein zwischen Kaiserzim mern und Leopoldinischem Trakt eingescho benes Sonderthema, das in der Art einer „Sesselhierarchie" die Kulturgeschichte des barocken Sitzmöbels vom Thronsessel bis zum Melkschemel andeutet und in sehr lockerer Form zeigt, worauf man im Barock sitzen durfte, sollte oder mußte. Außerdem sind zwei Multimediashows in die Ausstel lung integriert, um gerade dort, wo die großen Raumgruppen zusammentreffen, über das Gesehene sowie das Kommende mit Bild und Ton zu reflektieren. Zwischen den Kaiserzim mern und dem Leopoldinischen Trakt geht es um die weltliche Bildsprache des Stiftes so wie um ihre ideellen Voraussetzungen; zwi schen Leopoldinischem Trakt und Refektori um um die geistlichen Anliegen des Augustiner-Chorherrenstiftes im Barock, wie auch in der Gegenwart. Es versteht sich von selbst, daß die Vorführräume so angeordnet sind, daß sie den Ausstellungsbesuch nicht blockieren. Sie bieten Informationen nur für den an, der sie wünscht; in gewisser Hinsicht werden diese Bereiche, vor allem zwischen den Darbietungen, auch die Funktion von willkommenen Ruheräumen erfüllen können. Der Katalog Kataloge wurden in den letzten Jahrzehnten zu einer eigenen und auch sehr wichtigen Gattung innerhalb der wissenschaftlichen Literatur. Sie wurden durch die Fülle des ge botenen Stoffes, durch grundsätzliche wis senschaftliche Beiträge und exakte Objekt beschreibungen zu dicken Büchern, kilo schwer, ja sogar zu mehrbändigen Publikatio nen. Die „Lektüre nachher", die den Katalo gen die hohen Auflagen sicherte, wurde vom Besucher derart geschätzt, daß die Unhandlichkeit und teils auch Unbrauchbarkeit bei rascher Information in der Ausstellung selber in Kauf genommen wurde. Die oberösterreichische Landesausstellung sucht beiden Wünschen, dem der raschen In formation, wie dem des späteren Studiums gerecht zu werden. Der Ausstellung dient da her ein knapp gefaßter Katalog; der Lektüre ein Buch. Beides zusammen ist eine gemein same Publikation. Wenn sich der Besucher mit dem Buch während des Ausstellungsbe suches nicht belasten will, kann er es auch erst am Ende der Besichtigung, bei der Aus stellungskasse, beheben. Der Katalog ist so geordnet, daß in der linken Textspalte die Do kumentation des Objektes erfolgt, in der rechten jene Information, die der Besucher vor dem Objekt benötigt, um das einzelne in einem größeren Zusammenhang zu sehen und vorgelegten Gedankengängen nachge hen zu können. Das Buch „Welt des Barock" bietet Reflexionen zum Stiftsjubiläum, die über das in der Ausstellung Gezeigte hinaus gehen, dennoch aber davon ihren Ausgang nehmen. Katalog und Buch folgen somit ver schiedenen Aufgaben, bieten jeweils andere Aspekte, stehen aber in keinem gegenseiti gem Zitatenzusammenhang. Gerade da durch ergänzen sie einander und weiten ge meinsam den Blickwinkel. Absloht und Ziel der Ausstellung Es ist heute fast schon zur Gewohnheit ge worden, auch zu fragen, an wen sich eine Pu blikation oder eine Ausstellung wendet, an welche „Zielgruppe" gedacht war. Die Ant wort liegt auf der Hand; St. Florian wendet sich an alle Besucher. Die Ausstellung will je den, der durch sie geht, ansprechen, und wenn dies zunächst auch nur durch die Art der Gestaltung, durch einzelne Objekte oder durch die Schönheit der restaurierten Prunk räume möglich ist. Irgendwo soll aber dann das Interesse erweckt werden. Vielleicht ge lingt es dann, von diesem Punkt aus weiteres anzuregen: daß man eben dort noch einmal näher hinsieht, wo man vorher achtlos vor übergegangen war, daß man zum Katalog greift, oder zu Hause das Buch liest, sogar zu weiteren Büchern greift. Es könnte so sein, wie bei einem Zeitungsleser, der zuerst nur die Schlagzeilen überblickt und dann von der Lektüre einzelner Berichte immer mehr in An spruch genommen wird. Ein Vorwurf sei vorweggenommen: Wieder eine historische Ausstellung, wieder jenes in die Vergangenheit zurückgewendete Den ken; Flucht aus der Gegenwart. Ein solcher Vorwurf sei nicht mit einer philosophischen Betrachtung über Nutzen und Wert der Histo rie entkräftet, eher mit der so oft zu beobach tenden Tatsache, daß der Mensch in der Ver gangenheit sich selber sucht, daß er wissen will, wie es damals war, wie er damals gelebt hätte, ob er es besser gehabt hätte und wie weit er es heute gebracht hat. Fragen, die in dieser Ausstellung nur in Relationen, aber nicht in absoluten Werten beantwortet wer den können. St. Florian bietet das Modell einer Welt, in der geistliche, geistige und weltliche Macht zueinander in Beziehung ge treten waren, sich aufeinander angewiesen fühlten. „Quam bene conveniunt" — wie gut sie übereinkommen — könnte als Motto über 79

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