Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

Die Fiorianijünger und ihr Museum im Stiftsmeierhof St. Florian Hans Gilbert Müller Mit „Phanömenon" bezeichneten die alten Griechen, was ihnen hintergründig erschien, was nicht in den logischen Abiauf ihrer Denk weise paßte. Und so ein Sack, bis nach oben hin mit „Phanömena" gefüllt, ist, was wir heute alles unter dem Begriff „Feuerwehr" er fassen. „Pars pro toto", sagt der Lateiner, wenn er z. B. von einem „Dach über dem Kopf" spricht und darunter alles das versteht, was ein Haus bietet. Das Einsatzspektrum und das Wesen der Feuerwehr reicht eben falls weit über das hinaus, was „Feuerwehr" wortwörtlich bedeutet. Hängt es damit zusammen, daß das Feuerwehr-Deutsch schlechthin der Auffassung entspricht, die Mark Twain von der deutschen Sprache hatte, die er als ein Ragout von falsch verstandenen zusammengesetzten Hauptwörtern be zeichnete? So spricht man bei uns vom Brand- und Kata strophenschutz und meint dabei den Schutz V o r Bränden und Katastrophen. Den Kom mandanten der Feuerwehren eines Bezirkes nennt man „Oberbrandrat", wiewohl es kei nen Ober- und auch keinen Unterbrand, wohl aber Groß-, Mittel- und Kleinbrände gibt. Die ganze verbale Hierarchie der Feuerwehr ge hörte durchforstet, denn ein Ober- oder Hauptfeuerwehrmann, ein Ober- oder Haupt löschmeister, ein Oberbrand- oder Haupt brandinspektor ist, wie so mancher andere Dienstrang auch, eine falsche Koppelung der deutschen Sprache. So gesehen ist auch die „Heuwehr" kritikwürdig, die vor Entstehungs bränden schützt, wenn das Heu, man verges se nicht aufs Grummet, nicht ganz trocken eingebracht wird und daher die Gefahr einer Selbstentzündung besteht. Auch die Bezeichnung „Floriani-Jünger", ist, wenn man darunter Feuerwehrmänner ver stehen soll, eine Fehlanzeige. Zugegeben, der heilige Florian ist Schutzpatron der Feuerwehren, aber auch der Müller, Ham merschmiede, Gerber, Radmeister, Töpfer, Tischler, Brauer, Hafner, Seifensieder, Schäff1er, Kaminfeger und Schmiede, wie aus alten Votivbildern hervorgeht und mit Zunftbriefen und Prozessionsstangen, vor allem im öster reichisch-süddeutschen Raum, unschwer nachweisbar ist. Ein Phanömenon ist die Kühnheit, mit der heute in Festschriften, die anläßlich eines Feuerwehrjubiläums herausgegeben wer den, die Feuerwehren den heiligen Florian al lein für sich in Anspruch nehmen und wie mit Stuß und Schmus über die passio Floriani berichtet wird. So, als wäre uns sein Sold buch erhalten geblieben, wird behauptet, daß er ein Hauptmann gewesen und mit Fackeln gemartet worden sei, ehe man ihn, mit einem Mühlstein um den Hals, von einer Brücke in die Enns gestürzt habe, wobei der Henker, als Der hl. Florian, Lebkuchenmodel, um 1790, Sammlung Rosenbauer Strafe für sein Tun, erblindet sei, obwohl dies dem Statthalter Aquiiinus, dem ehemaligen Regimentskameraden von Florianus, wider fahren hätte müssen, hatte doch er dessen Marter befohlen. A la Metro-Goldwyn-Mayer gerät die FlorianLegende, wenn beschrieben wird, wie der Leichnam des Heiligen im 12. Jahrhundert durch das Heben einer Hand (!) sich sozusa gen freiwillig zur Dienstverpflichtung in Polen gemeldet haben soll! Von einem Papst, Lucius III., ist die Rede, der dem König Kasimir von Polen gefällig sein wollte, als dieser eine Reliquie erbat, die da mals hoch im Kurs stand. Lucius III. ging in eine römische Gruft und bat um ein Zeichen, wer nach Polen möchte. Nicht Laurentius, der damals der Patron in Feuersgefahr war, hob die Hand, sondern Florian! Legenden sind wie Sagen nie ganz bar histo rischer Begebenheiten. Demnach kommt das Martyrologium Hieronymianum, ein früh mittelalterliches Martyrerverzeichnis, das vor Jahren noch heftig umstritten war, der Wahr heit anscheinend am nächsten. Die verglei chende Geschichtsforschung entdeckte dar in eine Reihe von Formulierungen, die kaum verwendet worden wären, bezögen sie sich nicht auf historische Fakten; so die Bezeich nung „Noricum Ripense" = Ufernorikum. Sie entspricht den Gegebenheiten im 3. bzw. 4. Jahrhundert. Die Einteilung in ein Noricum ripense geht auf Diocletian zurück, der mit seinen Edikten die Christenverfolgung aus gelöst hat, der Florianus zum Opfer gefallen ist, während Diocletians Nachfolger, Constantin, im Toleranzedikt von Mailand (313) den Schutz der Christen anordnete; neun Jahre nach dem Tode des Heiligen! Präzise ist im Martyrologium Hieronymianum vermerkt, daß es sich bei Florianus um einen „ex princeps officii praesidis" gehandelt hat, also um einen höheren Beamten der römi schen Zivilverwaltung, nämlich den Vorste her des Statthalteramtes. Das „ex" im Text be deutet, daß Florianus zum Zeitpunkt seiner Festnahme pensioniert war; Aus Altersgrün den oder weil er als Christ als politisch unzu verlässig gegolten hat? Seit dem 9. Jahrhundert gilt ungefähr der Raum, in dem sich heute das Stift St. Florian erstreckt, als der Platz, wo Florianus bestattet worden ist. Wie in einer Ausstellung, die zur Zeit im Freilichtmuseum Sumerauerhof bei St. Florian zu sehen ist, hingewiesen wird, ist einer Urkunde aus der Zeit um 820 bis 825 zu entnehmen, daß im Ort, der „Puoche" (Bu che?) genannt wurde, der „kostbare Leib des Märtyrers Florian ruht". Wer weiß, was daraus geworden ist? Gerade dieses Gebiet hat mit Einfällen aus dem Osten oft Entsetzliches durchgestanden. Die Hunnen, Awaren und die Ungarn haben un ser Gebiet verheert. Propst Einwik, der über die Weihe der „neuen" Stiftskirche im Jahr 1291 berichtet, verweist darauf, daß der heili ge Leib im Chorraum der Kirche vor feindli chen Einfällen verborgen worden ist. Kaiser Maximilian 1., ein besonderer Verehrer Flo rians, hat mit Einwilligung von Papst Leo X. Grabungen durchführen lassen, die zu kei nem Ergebnis führten. Eine andere Version besagt, daß Florian in der Kathedrale am Wawel unter dem Sarg des heiligen Stanislaus ruht. Sein Haupt be finde sich in einem kostbaren gotischen Schrein, in einem Reliquiar, das aus der er sten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammt und ursprünglich für die Kopfreliquie des heiligen Stanislaus angefertigt worden ist. Eine ganze Reihe schriftlicher Aufzeichnungen über die Präsenz der Reliquen Florians im heutigen Polen belegt die Verbindung von Ost und West in der Verehrung dieses Heiligen (s. auch in diesem Heft S. 37 ff.). Aber auch davon ist die Rede, daß die Gebei ne Florians im 6. Jahrhundert nach Oberitaiien gebracht worden seien, ehe sie, ein hal bes Jahrtausend später, nach Polen kamen. Das hat einiges für sich, hat doch der Abzug 63

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