Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

Das Chorherrenstift St. Florian und seine geistlichen Komponisten Augustinus Franz Kropfreiter Ist von der Musik im Augustiner Chorherren stift St. Florian die Rede, drängt sich sofort der Name Anton Bruckner auf, dessen Le bensweg durch das Stift geprägt wurde. Doch ist es nicht Aufgabe dieser Arbeit, über ihn zu berichten, sondern über komponierende Chorherren des Klosters, soweit dies histori sche Quellen ermöglichen. Im Jahre 1071 berief Bischof Altmann von Passau den Orden der Augustiner Chorher ren nach St. Florian. In der Regel dieses Ordens ist die festliche Feier der Liturgie ver ankert. Wir finden daher seit dem 11. Jahr hundert eine Klosterschule mit Knaben („Sin ger auf der Schul"), die mit dem Gesang des gregorianischen Chorals vertraut waren. Aber auch von Aufführungen geistlicher Spiele (mit Musik) berichtet die Historie. Namentlich erwähnte Chorherrenkomponi sten kennen wir erst seit der Barockzeit. Das Lebensgefühl des Barock verlangte nach ausgiebiger Musikübung; In der Kirche, bei der Tafel, beim Besuch hoher Gäste, im Fa sching und bei Singspielaufführungen zeig ten die Stiftsmusiker ihr Können. Ihr Ansehen war so groß, daß von Städten, Stiften und Adelssitzen der Umgebung Einladungen er gingen, bei festlichen Anlässen mitzuwirken. Die Blüte des Musiklebens an den geistlichen Hochburgen wurde in beträchtlichem Maße mitbestimmt von den Hauskomponisten der Klöster, die in den meisten Fällen zugleich das Amt des Regenschori (Director musices) innehatten. Sie nahmen in vielfältigem Aus tausch ihres Schaffens Einfluß aufeinander. Infolge dieses schöpferischen Austausches, der auch die zeitgenössischen Produktionen der Metropolen vor allem Wien und Salzburg mit ihren führenden Meistern (Eberlin, Michael Haydn, die beiden Mozart in Salz burg, Fux, Caldara, Reutter, Gassmann und Albrechtsberger in Wien) einbezog, hatten sie an der musikgeschichtlichen Entwicklung ihrer Zeit keinen geringen Anteil. Von 1727 bis 1733 wirkte als Regenschori in St. Florian der Chorherr Caspar Langdalle.r im Stiftsarchiv befinden sich mehrere Responsorien (u. a. vom Ostersonntag), wäh rend in den Musikarchiven von Kremsmün ster und Göttweig auch mehrere Messen von ihm erhalten sind. Erst in F. J. Aumann fand St. Florian einen Musiker bedeutenden Ranges, der sein gan zes Leben und Schaffen in den Dienst des Stiftes stellte. Franz Joseph Aumann (1728—1797) Er wurde 1728 in Traismauer (NÖ.) als Sohn eines Schulmeisters und Organisten geboren und erhielt seine Ausbildung als Schüler der Jesuiten in Krems und Wien (Philosophie und Theologie). Während des Aufenthaltes in Wien lernte Aumann Michael Haydn und Jo hann Georg Albrechtsberger kennen. Mit bei den Komponisten stand Aumann lebenslang in freundschaftlicher Verbindung. Möglich ist auch ein Kontakt zum jungen Joseph Haydn, der später Kompositionen für St. Florian lieferte. Im Alter von 25 Jahren trat Aumann 1753 in das Stift St. Florian ein, das damals unter der Leitung des bedeutenden Prälaten Johann C .. #■- „O Crux Ave", Autograph von Franz Joseph Aumann - D. o.n. fRA[CiSCW.SER.AvmNN. CanonIcvs. R.ad.S.FLorj OßiiT. I AeTAT. SvaE. LXIX, ■ # ■ Grabplatte für F. J. Aumann an der Friedhofmauer in St. Florian Georg Wiesmayr, einem hohen Förderer der Künste und Wissenschaften, stand, dem das Stift den Bau der Bibliothek verdankt. Die Priesterweihe empfing der Kleriker Aumann 1757. Die chronologische Folge von Aumanns Schaffens und die Entstehungsan lässe seiner Kompositionen lassen sich nur in wenigen Fällen ermitteln. Das schöpferi sche Hauptgewicht liegt in der Kirchenmusik, dagegen ist das weltliche Werk (Divertimenti, Cassationen, Serenaden und Singspiele) schmal. Nachweisbar sind über 30 Messen, minde stens zehn Requiem- und fünf Tedeum-Vertonungen, zahlreiche Graduellen, Sequenzen, Offertorien, Litaneien und Motetten, insge samt über 300 Werke. Besonders sei auf den musikalischen Wert der vielen Magniflcatvertonungen hingewiesen. Die früher vielgesun gene MIssa germanica „Wir werfen uns dar nieder" stammt ebenfalls aus der Feder Aumanns. Weiters sind sieben Oratorien nachweisbar, zu denen jedoch nur in zwei Fällen das vollständige Material erhalten ist. Es handelt sich um sogenannte Sepolchri, wie sie am Karfreitag vor dem Heiligen Grab aufgeführt wurden. Aumanns weltliche Vokalkompositionen sind zum großen Teil zu Texten des erfolgreichen Vertreters mundartlicher Dichtung in Ober österreich, Pater Maurus Lindemayr vom Stift Lambach (1723—1783), geschaffen. Diese damals vielgespielten „Operettin" (u. a. Die Binder oder Bacchus ist nicht Schuld an dem Rausch) zielen darauf ab, menschliche Sitten und Unsitten durch Figuren aus dem Volk darstellen zu lassen. Aumann pflegte enge Beziehung zu Lambach und zu Lindemayr persönlich, das belegen die vielen Abschrif ten seiner Werke im Lambacher Archiv. In Aumanns Florianer Zeit fällt auch der Bau der großen Barockorgel durch F. X. Chris mann (1770—1774). Dies ist ein Verdienst des kunstsinnigen Prälaten Matthäus II. Gogl, dem auch die Bildergalerie wichtige Ankäufe verdankt. Aumann schrieb zur Orgelweihe 1774 eine Kantate, deren Musik leider ver schollen ist. Die Werke Aumanns waren von den Zeitge nossen hochgeschätzt und wurden In zahlrei chen Abschriften in fast allen Gebieten des habsburgischen Herrschaftsbereiches ver breitet und aufgeführt. In der formalen Anla ge und in der satztechnischen Gediegenheit braucht sein Schaffen den Vergleich mit den Werken seiner Altersgenossen Michael Haydn, J. G. Albrechtsberger oder auch des jungen Joseph Haydn nicht zu scheuen. Bis in unsere Tage gelangen einzelne liturgische Stücke dieses bemerkenswertesten Florianer Komponisten des 18. Jahrhunderts zur Auf führung. 51

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