Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

Wallfahrt nach St. Florian Karl Rehberger Wallfahrten gibt es in allen Religionen und zu allen Zeiten, aber auch Kritik und Abiehnung von Seiten aller Spielformen rationalistischer Theoiogie, „die es mit der Allgegenwart und Allwissenheit des einen Gottes unvereinbar häit, daß er sich an bestimmten Orten oder durch besondere Mittier außergewöhnlich hilfreich erweist" (Kötting 1). Die christiiche Heiligenverehrung hatte sich im 4. und 5. Jahrhundert voll entwickelt. Dazu gehörte ganz wesentlich, daß der Gläubige die Grab oder Gedächtnisstätten seiner Heiiigen re gelmäßig aufsuchte, auch in den Zeiten der Verfolgung. Am Grab des exemplarischen Glaubenszeugen holte man sich Kraft für das eigene Bekenntnis. Die ersten Pilger an der Begräbnisstätte des, weii Märtyrer, als heilig verehrten Florlanus waren natürlicherweise die Christen aus dem Umkreis der Römerstadt Lauriacum. Sie kannten das Grab. Vielleicht hatte auch schon vor dem Jahre 304 in den abseits der Stadt gelegenen Buchenwäldern am Ufer der Ipf ein Christenfriedhof bestanden. Knapp 10 Jahre nach dem Martertod des hohen Verwal tungsbeamten der Provinz Ufernoricum hatte das Christentum im Jahre 313 die Freiheit er langt. Florian war die überragende Persön lichkeit, der durch sein mutiges Auftreten die inhaftierten Mitchristen im Glauben bestärkte und mutig in den Tod ging, obwohl er gewiß die Möglichkeit gehabt hätte, der großen Ver folgungswelle unter Kaiser Diokletian zu entgehen. Die frühen Christen besuchten nicht nur die Gedenkstätten ihrer Märtyrer, sondern sie versuchten auch das Ereignis und die Um stände des Martertodes schriftlich festzuhal ten. Aus lokalen Märtyrerverzeichnissen wur den überregionale Listen erstellt. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts entstand in Oberitaiien das sog. Martyrologium Hieronymianum, das in knappen Worten auch vom hl. Florian berichtet. Zu soichen Kurzfassungen kamen schon seit dem 4. Jahrhundert die umfangreicheren Märtyrerlegenden, In de nen das richterliche Verhör zu rhetorisch kunstvollen Reden der Angeklagten ausge weitet wurde. Darin verteidigen sie ihren Chri stenglauben, greifen den Götterglauben an und drohen Ihren Gegnern das Strafgericht Gottes an. Vielfach werden Wunderberichte eingeflochten. Der Verfasser des ersten Teiles der Florians legende kannte die römischen Verhältnisse des 4. Jahrhunderts am Donaulimes noch ge nau. Sein Bericht schließt mit der Hinrichtung Florians durch Ertränken. Wenn wir in Ufernoricum und darüber hinaus die Namens- und Siediungskontinuität vom teiiweisen Abzug der Römer um 488 über die Völkerwanderungszeit bis zur Seßhaftwerdung neuer Völkerschaften In unserem Raum als gut gesichert annehmen dürfen, so darf mit aller Vorsicht auch von einer Kultkontinui tät gesprochen werden. Gewiß gedieh religiö ses und kulturelles Leben in diesen Randge bieten nur auf Sparflamme, aber es muß keine Unterbrechung eingetreten sein. Der Fortsetzer der Fiorianslegende, vielleicht im 8. Jahrhundert, schildert die Ereignisse vom Brückensturz des Heiligen bis zu seiner Beisetzung. Zahlreiche Wunder haben sich damals und in der Folgezeit bis zur Abfas sung des Textes ereignet. Das letzte Quell wunder vor der endgültigen Bestattung hatte zur Folge, daß sich dort ebenfalls eine Wall fahrtsstätte entwickelte. Das Floriani-Brünnlein bei der Kirche St. Johann, wenige Minu ten von der Stiftskirche entfernt, war vor allem im Mittelalter ein gern besuchter Wall fahrtsort. Seit der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts lebt der Name Florlanus in einigen wenigen schriftlichen Dokumenten weiter. Schenkun gen an oder beim hl. Florian geben Zeugnis von seiner Verehrung. 819 vollendet ein Schreiber auf dem Rückweg von einem Kriegszug in den Südosten des Reiches ein Buch „beim hl. Florian". Aller Wahrscheinlich keit nach gab es damals bereits ein wie im mer verfaßtes Kloster an der Begräbnisstätte des hl. Florian. Zwar konnte man keine Reli quien des Heiligen vorzeigen, doch war man überzeugt, daß an dem Ort Puoche, benannt nach der natürlichen Umgebung mit ihren Buchenwäldern, „der kostbare Märtyrer Flo rian dem Leibe nach ruht" (Rehberger 87). Im 9. Jahrhundert mehren sich die schriftli chen Zeugnisse für die Existenz des Klosters St. Florian. 888 stellte König Arnulf „im Klo ster des hl. Märtyrers Florian" eine Urkunde für Kremsmünster aus. Der Aufenthalt König Ludwigs (IV.) am 17. Juni 907 in St. Florian dürfte historisches Faktum sein, die unter demselben Datum laufende Urkunde aber unecht. Die seit Beginn des 10. Jahrhunderts auch den Raum um St. Florian tangierenden Ungarneinfälie haben die Existenz des Klosters gewiß gefährdet, aber wohl kaum gänzlich vernichtet. In späteren Zeiten meinte man, die Klosterbe wohner des 10. Jahrhunderts hätten die kost baren Reliquien so gründlich versteckt, daß sie nicht mehr aufzufinden waren. Jedenfalls mußte man In der Folgezelt mit der Tatsache leben, daß man weder Reliquien noch ein Grab oder etwas dergleichen vorzei gen konnte. Einzig die nach wie vor sichtbar fließende Quelle erinnerte augenfällig an die Ereignisse von 304. Kaiser Heinrich II. war zwar nicht persöniich in St. Florian, doch schenkte er 1002 dem (in folge der kriegerischen Ereignisse der ver gangenen Jahrzehnte) verarmten Kloster eine nahe gelegene Hube. Dafür mußten die Klosterangehörigen in besonderer Weise für den Herrscher zu Gott und dem heiiigen Fiorian beten. Die Passauer Bischöfe des 11. Jahrhunderts suchten das Kloster zum hl. Florian wieder zur Biüte zu führen. Doch geiang erst dem großen Reformbischof Altmann um 1071 ein neuer Anfang. An die Stelie der nach der Aa chener Regel, die dem einzeinen Privatbesitz erlaubte, lebenden Brüder traten die später so genannten Augustiner Chorherren. Ihnen war neben den Aufgaben in Seelsorge, Litur gie, geistiger und materielier Kultur auch der Kult des hl. Florian anvertraut. Seit damais ist der kirchliche Mittelpunkt der Floriansvereh rung ein Seitenaitar, doch weiterhin ohne zur Schau gestelite Reliquien oder auch nur ein wundertätiges Bild. Die mittelalterlichen Menschen machten nicht ungern weite Piigerreisen. Ziel der Fernpilger waren Rom, St. Jakob in Spanien, Aachen und seihst Jerusalem. Die Pilger wur den mit einem eigenen Segen auf die Reise geschickt. In St. Florian hat sich ein Rituale aus dem 12. Jahrhundert erhalten, das eine Segensformei für Pilgerstab und Reisetasche enthält (XI 467). Ein gleichzeitiges Lamba cher Rituale zeigt in einer Initiale die Segenshandiung (Franz, Tafel 2). Nach der Rückkehr wurde der Pilger wieder mit einem Gebet empfangen. Es heißt darin: so wie der Pilger von seiner langen Reise hell zurückgekehrt ist, so möge er fortan auf den Wegen Gottes wandeln und sein ewiges Ziel erreichen (Franz 115). Als 1235 Bischof Rudigier von Passau (1233—1250) die neue Heiliggeist-Kapelle in St. Florian weihen wollte, brach durch Un achtsamkeit im Gefolge des Bischofs ein Brand aus, der die romanische Stiftskirche vernichtete. Widrige Umstände verhinderten längere Zeit die Voliendung des nunmehr go tischen Neubaues. Die Weihe der neuen Kir che konnte erst 1291 erfolgen. Der Chorherr und spätere Propst Ainwik (1295—1313) schil dert In seiner sog. Kirchweihchronik und in der Lebensbeschreibung der Klausnerin Wilbirg (gest. 11. Dezember 1289) recht anschauiich mit den Stilmitteln seiner Zeit die Ereignisse des 13. Jahrhunderts. In der Kirchweihchronik berichtet Ainwik ein leitend auf der Basis der Florianslegende und der Restaurationsurkunde von 1071 nochmals über das Martyrium des hi. Florian, seine Beisetzung an der Stelie des jetzigen Stiftes und über dessen Anfänge. Ein wichti ger Punkt im ganzen Bericht sind die Wunder am Grab des Heiiigen und an der Quelie bei der Johanneskirche. Zweck der Abfassung 27

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