Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

Handschrift CSR 111/10, Missale, Kanonbild 106*', um 1480/90 Angaben über seine Herstellung bzw. Schrei ber, Fr. Martin Imler und Georg Spar, von de nen der eine 1459, der andere 1457 starb, und die sich beim Schreiben ergänzt haben sol len. Der Versuch, diese Hände auf den vorlie genden Band aufzuteilen, hat kein überzeu gendes Ergebnis gebracht. Wir werden mit diesen Namen auch deshalb nicht weiter kommen, weil zwar der Buchschmuck zwei verschiedene Hände zeigt, von denen jedoch nur der Maler der ersten Deckfarbenbilder und Initialen mit der Zeit um 1455 in Verbin dung gebracht werden könnte. Der Rest, das Gros der lebendigen Federzeichnungen, etwa 200 Bilder und Initialen, ist zweifellos später. Es kann unseres Erachtens kein Zwei fel sein, daß der Hauptkünstler aus dem Kreis des städtischen Buchgewerbes stammt und wir glauben mit Berechtigung den Vorschlag machen zu können, hier die Leistung eines Ulmer Buch- und Wappenmalers anzuneh men. Die Verbindung zur Druckgraphik, wie sie in der Offizin des ülmer Druckers Johann Zainer gepflegt wurde," ist relativ eng und sicherlich zeitgleich. Damit gewinnt aber diese Handschrift als ein Hauptwerk der schwäbischen Buchillustration um 1470 er heblich an Bedeutung und ihre zahlreichen, auch ikonographisch interessanten kolorier ten Zeichnungen werden einen festen Platz in der Geschichte der schwäbischen Feder zeichnung einnehmen. Handschrift CSR III/9, Missale, Kanonbild 114", um 1490 Wenn von schwäbischer Buchkunst des Spätmittelaiters die Rede ist, wird man so gleich an Augsburg denken. Auch zu diesem Kunstkreis hat St. Florian etwas beizutragen. Die Stiftsbibliothek besitzt mit den Missalien CSR III/9 und 10 zwei handgeschriebene und reich verzierte Missalien, deren Behandlung es erfordert, sich mit der schwäbischen Buchmalerei zu beschäftigen. Beide gehören zu der Gruppe von Handschriften, die man bisher zu dem etwas unklaren Begriff ei ner „Salzburg-Augsburger"-Buchmaler-WerkStatt zusammengefaßt hat. Wie ist das zu er klären? Schon vor langer Zeit hat der Grazer Bibliotheksdirektor Ferdinand Eichler auf eine Gruppe von Missalien und ähnlichen li turgischen Handschriften hingewiesen, deren Entstehung er in Salzburg vermutete.^2 Dann wurde festgestellt, daß in Augs burg außerordentlich ähnliche Meßbücher entstanden sind,^® und über die Detailfragen hat man auch weiterhin nur unbefriedigende Vorstellungen gewinnen können.^'* Die Flo rianer Handschriften sind seither in diesen Problemkreis eingeschlossen. Zweifellos steht fest, daß um die siebziger Jahre des 15. Jahrhunderts in Augsburg für die örtlichen und benachbarten Klöster reich verzierte, vorwiegend liturgische Bücher ge schrieben und ausgemalt worden sind, und daß nach kurzer Blütezeit dieser Gruppe mehrere andere, namentlich bekannte Minia turen für die gleichartigen Auftraggeber in Augsburg und München gearbeitet haben. Die anfangs tätigen Kräfte schienen aber plötzlich verschwunden. Um 1490, das erste datierte und für diesen Zusammenhang wich tige Denkmal liegt in Gestalt des Cvp. 1778 in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien — es ist ein Meßbuch für die Diözese Salzburg, 1490 in Augsburg geschrieben —, faßt die Gruppe wieder in Augsburg festen Boden. Bis um 1500 und darüber hinaus sind dort nicht wenige solcher Handschriften ent standen und vielfach auch durch Augsburger Buchbinder gebunden worden. In die chrono logische Lücke nun gehören die in der Steier mark und anderen Alpenländern aufbewahr ten Codices. Man kann daher annehmen, daß die Werkstatt zwischen etwa 1475 und 1490 auf Wanderschaft gegangen ist und vor allem in Salzburg und dessen Erzdiözese tä tig war. Der CSR III/9, den wir oben genannt haben, gehört zu dieser letztgenannten Gruppe. Nach dem Kalender zu schließen, ist er als Passauer Missale zu bezeichnen, um 1500 muß er schon in St. Florian gewesen sein. Seine nächste Parallele ist ein Saizburger Missale in Klosterneuburg (CGI. 74). Diese Handschrift dürfte ursprünglich einen Augs burger Einband besessen haben. Ebenso sehr verwandt ist ein Salzburger Missale der Universitätsbibliothek in Salzburg, Hs. M. 111/11, ebenfalls in einen Augsburger blindge preßten Einband gebunden. Durchaus gleichartig sind einige weitere vor und nach 1500 in Augsburg geschriebene Missalien, die sich jetzt in der Bayerischen Staatsbiblio thek in München befinden: Cml. 3905 von 1495, 4101 von 1497, 4103 und 4306, beide von 1501. Sie stammen alle nicht von einer Hand, aber an ihrer Zusammengehörigkeit kann kein Zweifel sein. Dabei ist zu beachten, daß auch sehr enge ikonographische Bezie hungen zu den beiden früheren Gruppen be stehen, so daß an einer „Werkstatt-Gemein schaft", in welcher Form auch immer, nicht gezweifelt werden kann. Weiters ist hervorzu heben, daß sich diese Werkstatt in der Zeit um 1500 sehr lebhaft in das Buchgewerbe eingeschaltet hat. Zahlreiche Inkunabeln und Altdrucke (damit bezeichnet man die Drucke unmittelbar nach 1500) wurden von dieser Werkstatt buchkünstlerisch ausgestaltet und in den ganzen Südosten versandt. Es braucht also nicht wunderzunehmen, daß einerseits Passauer, andererseits Salzburger Missalien auch als Handschriften verhandelt wurden. Die ersten Druck-Ausgaben wurden in der gleichen Zeit aufgelegt und vielfach von Hand ausgestattet. Es liegt durchaus in der Natur der Verhältnisse, wenn wir nach einem neuerlichen Studium der wichtigsten ein16

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