teressanter Glossen aus der Zeit der schriftlichen Niederlegung des Textes ent hält. Auch hier hat man zunächst an einen ita lienischen Ursprung gedacht, doch kann nach den neu gewonnenen Einsichten in die Buchmalerei des späten 12. Jahrhunderts kein Zweifel mehr sein, daß der Codex III/5 aus Westeuropa, aus dem kulturell eng ver bundenen Südengland bzw. Nordfrankreich, stammt. In unserem Falle erhält dies insoferne eine neue Gewichtung, als wir unter den Glossen solche aus den südenglischen Rechtsschulen finden. Stilistisch steht unse re Handschrift in den anderen österreichi schen Beständen nicht isoliert, auch hier wird man damit ein neues Kapitel der heimischen Geistesgeschichte aufschlagen können. Wie sehr dieses mit St. Florian verbunden ist, zeigt eine Anrufung des Heiligen am Anfang des Buches. Im allgemeinen gelten solche Feststellungen ebenso für weitere, in der damaligen Zeit nicht seltene Buchimporte aus dem Westen. Auch St. Florian besitzt ein Beispiel dafür in einer bisher unbeachteten Bibelhandschrift. Zwar ist bei dieser die Herkunft unbekannt, doch sind Erzeugnisse ähnlicher Ateliers aus nicht wenigen anderen österreichischen Klosterbibliotheken nachzuweisen. Der CSF. 111/222 in dem handlichen Format von 25 X 18 cm enthält die gesamten Bibeltexte in einer kleinen, sehr zierlichen Schrift mit zahl reichen, meist überaus kleinen und qualitäts voll ausgeführten Miniaturen und Initialen. Er wurde in einem Pariser Atelier um 1240 her gestellt. Die Meisternamen sind in dieser Ent wicklung meist unbekannt, doch läßt sich aus dem heutzutage über die ganze Welt ver streuten Bestand von ähnlichen Handschrif ten an einer ganzen Reihe von Gruppen die Zeitentwicklung mit einer relativ großen Prä zision feststellen. St. Florian besitzt darüber hinaus noch eini ge andere Beispiele aus dem Bereich der westlichen, der französischen Buchmalerei. Wir begnügen uns, auf zwei von ihnen hinzu weisen, die vor noch nicht langer Zeit (1975) durch Professor Gerhard Schmidt, Wien, in die kunsthistorische Literatur eingeführt wor den sind.® Wiederum handelt es sich um reich ausgestattete Rechtshandschriften. CSF. III/2 enthält das Decretum Gratiani, es wurde kurz nach 1291 in Paris geschrieben und reich ausgestattet. Der Cod. S. F. III/3 enthält einen kommentierten Dekretalentext des Papstes Bonifaz VIII. Auch diese Hand schrift stammt aus Paris, sie ist um etwa 1315—1325 zu datieren. Beide Handschriften sind seit dem 15. Jahrhundert in St. Florian nachzuweisen, haben aber vorher verschie dene Schicksale gehabt. Unsere Abbildun gen sollen die Qualität demonstrieren und zum m Sv'.K?"XTI^,-v «npiefritlJliTirOTtutUTO, i Handschrift CSF. III/2, Dekret des Gratian, Paris nach 1291, Blatt T, Anfangsseite gleich die Sammeltätigkeit im Stift im späten Mittelalter belegen. Wir haben bereits oben ausgeführt, daß wir die im Stift abgelaufenen Entwicklungen des Florianer Skriptoriums in der Zeit des romani schen Stiles und die Hochblüte der eigen ständigen Maler-Werkstatt um 1300 aus un serer Aufzählung aussparen wollen oder müssen. So bleiben wir bei den juristischen Prunkhandschriften und wenden uns einem weiteren Beispiel von Bonifaz des VIII. Dekretalen zu, diesmal nicht viel später, aber zum Unterschied im Süden, in Italien, hergestellt. Der Codex S. Floriani 111/7 ist vor 1342 in Bo logna in dem bekannten und hochangesehe nen Atelier des Nicolo di Giacomo da Bolo gna hergestellt. Der überreiche Schmuck besteht außer den blattgroßen Vollbildern am Anfang und am Ende, wo die Verwandt schaftstafeln ausgeführt sind, aus einer gro ßen Zahl von kleinen, überaus lebendig mit Köpfen figurierten Initialen. Man hat derartige Handschriften mehrfach für hochgestellte, an südlichen Universitäten studierende Kleriker hergestellt, wie die Parallelhandschriften in Salzburg und an anderen Orten beweisen. Der CSF. III/7 ist für Albrecht II., Herzog von Sachsen hergestellt worden, der in Padua studierte, wo er 1314 Rektor der Ultramontaji© ureosiHiStncpscgac nfc?*j»rotojtojnicEnfi0etpämiu6*f>ic Handschrift CSF. III/S, Dekretalen von Papst Bonifaz VIII., Paris 1315—1325, erste Miniatur, Überreichung der Handschrift. nisti war. Später wurde er Bischof von Passau (bis 1342) und in dieser Zeit ist die Hand schrift entstanden, wie das mit den entspre chenden Wappen versehene Titelbild zeigt. Die Hauptdarstellung ist dem Passauer Pa tron, dem hl. Stephanus, gewidmet. Auch diese Handschrift kam schon im 15. Jahrhun dert nach St. Florian, wie die Besitzvermerke dieser Zeit beweisen. Ob die Erwerbung so bedeutender Prunkhandschriften, wie die zu letzt genannten Rechtshandschriften, auf eine gezielte Sammeltätigkeit dieser Zeit zu rückgeht, ist eine offene Frage. Daß sie sich nunmehr seit mindestens 500 Jahren im Be sitz des Stiftes oder der Stiftsbibliothek befin den, muß als Beweis einer großartigen Tradi tionspflege gewertet werden. Etwa in der gleichen Zeit kann, wie in ande ren Klöstern und Stiften, auch in St. Florian eine bedeutende eigenständige Pflege der Buchkunst nachgewiesen werden. Soweit dies eine zusammenhängende Reihe von künstlerisch gestalteten Handschriften und Wiegendrucken ergibt, ist eine Zusammen fassung an anderer Stelle vorgesehen.^ Hier müssen wir uns auf wenige Beispiele be schränken, welche eine gewisse Außensei terposition im Bücherbestand besitzen. Dazu gehört eine Gruppe von Handschriften ver14
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