Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

Cimelien aus der Stiftsbibliothek von St. Florian Kurt Holter Neben einer sehr beträchtlichen Sammlung von Handschriften, wie sie aus der Schreiber und Sammeltätigkeit der Chorherren des Stif tes St. Florian im Laufe der Jahrhunderte her vorgegangen ist, besitzt die Stiftsbibliothek auch eine Sammlung von Cimelien ähnlicher Art. Es wäre nicht richtig zu sagen, daß diese mit den allgemeinen Beständen keine Verbin dungen hätten. Vielfach zeigen sie parallele Herkunftsangaben und teilweise gehören die betreffenden Bände zu den ältesten Bestän den der Stiftsbibliothek. Dennoch sind sie, oder mindestens ein Teil dieser Cimelien, da sie stets besonders bewertet und gehütet worden sind, weniger bekannt, als dies ihrem Range entsprechen würde. Aus diesem Grunde sollen einige dieser Kostbarkeiten hier besprochen werden. Die Abbildungen mögen auch eine Vorstellung von ihrem Aus sehen geben.^ Gleich vorweg möchten wir festhalten, daß die Erzeugnisse der bekannten „Malerschule von Sankt Florian", denen vor fast 25 Jah ren durch Universitätsprofessor Gerhard Schmidt, Wien, eine vorzügliche Analyse ge widmet worden ist,^ in unsere Ausführungen nicht einbezogen werden, obwohl ein Teil dieser Handschriften, aus welchem Grunde auch immer, bei der seinerzeitigen Signie rung unter die Cimelien eingereiht worden ist. Ganz streng möchten auch wir uns nicht an diese Einteilung halten, sondern, wie wir ein zelne der Cimelien beiseite lassen wollen, möchten wir einige Codices der allgemeinen Reihe hier miteinbeziehen. Eine solche Freiheit nehmen wir uns gleich bei den ersten dieser Handschriften. Das er ste Beispiel ist ein bisher unbeachtetes Frag ment einer karolingischen Handschrift eines Homiliars von Beda Venerabiiis, das als Vor satz in einem Einband aus dem Minoritenkonvent in Halberg bei Halberstadt erhalten ist. Die Inkunabel X/114A, ein Nürnberger Druck von 1498 (Hain 10315), dürfte im 19. Jahrhundert für die Stiftsbibliothek erworben worden sein. Über die Herkunft des interes santen Handschriftenfragmentes ist damit kaum etwas ausgesagt. Die Spezialforschung wird sich dieses Denkmals noch an nehmen müssen. Nicht viel jünger sind eine Federzeichnung und ein Boethius-Text aus dem 10. Jahrhun dert, wobei das Porträt dieses bekannten Philosophen unsere Aufmerksamkeit ver dient (CSF. XI/58). Die Zeichnung trägt eine Überschrift in griechischen Lettern, weshalb sie schon vor längerer Zeit die Aufmerksam keit des bekannten Handschriftenforschers Professor Bernhard Bischoff, München, er weckt hat. Dieser hat die Entstehung dieses Textes in den westlichen, französischen Kul turkreis eingeordnet. Wie sie in unser Land und in die Sammlung von St. Florian gekom men ist, blieb bisher ungeklärt. Eine Eintra gung aus dem 13. Jahrhundert, die sich auf den Beiblättern findet, erwähnt einen Wirt schaftshof in Gaflenz, ein Besitz, der seit dem 12. oder 13. Jahrhundert für das Bene diktinerkloster Garsten gesichert ist. Wahr scheinlich kam also unser Boethius über diesen Umweg nach St. Florian. Eine weitere, etwas jüngere Federzeichnung, die den Boet hius im Kerker darstellt, findet sich in einer anderen Handschrift, möglicherweise lokaler Entstehung, CSF. XI/75, doch ist eine Vorbild lichkeit der älteren Zeichnung nicht gegeben. Mit dem nächsten Beispiel kommen wir zu einem Kapitel, das für die Geschichte des Stiftes und seiner Bibliothek vermutlich sehr große Bedeutung besitzt. Wir meinen die „Florianer Riesenbibel", den größten Codex der Bibliothek, eine Handschrift im Format von 66 X 46 cm mit schweren, lederüber zogenen Holzdeckeln. Man kann diesen Bücherriesen als einzelner nur mühsam handhaben. Die Riesenbibel enthält etwa die Hälfte des gesamten Bibeltextes, woraus zu schließen ist, daß ein ursprünglich vorhandener, wohl ebenso großer zweiter Band in Veriust geraLt. Ii Iniü,oremparv:' Dicebitt iJoTum- Ccce mma S^4dLltf ocadsaC SCci ueflrr^f' M.? l'i €ce Jm •4 j» - .Z /. cjiiijrtini dectuttstrv- tncti P I ünjfiS» ä'3JU'-*^P y .»w .w 1 «• Inkunabel X/114 A, Vorsatz: Homlliar von Beda Venerabiiis, Karolingisch, 2. Hälfte 9. Jh., Initiale Handschrift CSF. XI/58, Autorenporträt zum Traktat „De trinitate" des Boethius, 10. Jh. Handschrift CSF. Xi/75, Boethius im Kerker und dem Diktat der Philosophia, 12. Jh. 11

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