Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

dender Änderungen der Fassadenstruktur und der Dachgestaltung, Carlones eigen willig-geniale Grundidee der Klosteranlage von Sankt Florian behaupten. Das Imposan teste bleibt die lange Front des Westflügels und der Empfangsbau, der sich als Schau raum gegen den mächtigen Prälatenhof öff net. Der Bibliothekspavillon von St. Florian wäre nach Carlones Vorstellung ein in die Ho farchitektur eingebundenes, nur reicher ge gliedertes Risalit geworden, dem zum Hof ein zweites Treppenhaus vorgelegt ist. Gotthard Hayberger gab ihm schließlich durch seitli che Giebel (Feuermauern) das heutige Kon zept, das zur Hofseite durch strengere Glie derung auf die Carlonebauten Rücksicht nimmt, während es nach Osten festliche Ro kokogliederung aufweist. Die glanzvollen Bibliotheken des Barock^^ (so in Metten, Altenburg, Admont, Waldsas sen, Fürstenzell, Schussenried, Ottobeuren, Wiblingen) führen architektonisch über die gewiß bedachte Nützlichkeit einer Bibliothek weit hinaus. Der Raum soll nicht nur feuersi cher, also gewölbt sein, sondern auch fest lich. So entstehen wahre Festsäle für Bücher, Deckenfresken öffnen den realen Raum nach oben; sie weisen Szenen aus der Historie auf oder zeigen uns in Allegorien die Vertreter der großen Disziplinen: Theologie, Philoso phie, Jurisprudenz und Medizin. Tugend und Wissenschaft schließen einen Bund (verkör pert durch Allegorien). Auch der Astronomie — einem Lieblingsgebiet der Klostergelehr samkeit — wird gedacht. Die Musen werden aufgerufen: Athene, antike Göttin der Weis heit, und Pegasus — das Dichterroß — dür fen nicht fehlen. Entsprechend dem antitheti schen Prinzip des Barock wird der heidni schen Wissenschaft die christliche Wissen schaft gegenübergestellt. Himmelsgloben in der Raummitte erinnern an Erkenntnisse der Erdkunde und Astronomie. Am reizvollsten vielleicht die Ausgestaltung des Schrankwerks mit Intarsien und der durchbrochenen Galerien mit Schnitzarbeit. Selten fehlt ein Wahlspruch über dem Portal. So heißt es in Melk: Ex litteris inmortalitas! Über dem Portal zum Hauptsaal der Biblio thek in St. Florian steht das lateinische Disti chon: Hic sibi perpetuo Virtutem foedere jungit Pallas et ambabus sacra stat Ista domus. (Hier haben sich Wissenschaft und Tugend zu ewigem Bunde vereinigt und beiden ist dieses Haus geweiht.) Als wahrhaft schöpferisches Zeitalter, das vor allem in der Entdeckung des Raumes Großes leistete, wurde der Barock zu Anfang unseres Jahrhunderts erkannt und wiederentdeckt. Und man bewundert heute mehr und mehr seine Fähigkeit zu großzügigen Planungen, die Weite seines geistigen Horizonts, die Ge nialität seiner Raumschöpfungen, wie auch die sinnfällige Ordnung seiner Bau-Distribu tion. Gerade in städtebaulicher und land schaftsarchitektonischer Hinsicht vermittelte er Maßstäbe, die heute noch lehrreich sind, aber nur selten erreicht werden. Anmerkungen: 1 Bernini, Giovanni Lorenzo (1598—1680), Archi tekt und Bildhauer. Lit.: Brinckmann, A. E., Die Baukunst des 17. und 18. Jahrhunderts in den Ro manischen Ländern. Handbuch der Kunstwissen schaft, Neubabelsberg 1919 ff. — Pane, R.; Berni ni, architetto, Venedig 1953. 2 Borromini, Francesco (1599—1667), Architekt und Biidhauer. Lit.: Hempel, E. Borromini, Wien 1924. — Sedimayr, H., Die Architektur Borrominis, München 1939. — Argan, G. C., Borromini, Mai land 1952. 3 Guarini, Guarino (1624—1683), Architekt, Lit.: Brinckmann, A. E., von Guarino Guarini bis Balt hasar Neumann, Berlin 1932. — Portoghesi, R, Guarino Guarini, Mailand 1956. 4 Franz, H. G., Die Kirchenbauten des Christoph Dientzenhofer, Brünn—München—^Wien 1942. — Hegemann, H. W., Die deutsche Barockkunst Böh mens, München 1943. — Franz, H. G., Bauten und Baumeister in der Barockzeit in Böhmen, Leipzig 1962. 5 Balthasar Neumann (1687—1753), Architekt. Lit.: Freeden, M. 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Auflage Stift Melk 1960, S. 28. 12 Ebenda, S. 28. 13 Fischer von Erlach, Johann Bernhard (1656—1723), Architekt und Bildhauer. Lit.: Sedi mayr, H., Fischer von Eriach, Wien 195a 14 Hildebrandt, Johann Lukas von (1668—1745), Architekt. Lit.: Grimschitz, B., Lukas von Hilde brandt, Wien 1959. 15 wie Anmerkung 4 16 wie Anmerkung 5 17 Hanfstaengi, E., Die Brüder C. D. und E. Q. Asam, München—Berlin 1955 — Rupprecht, B., Die Brüder Asam, Sinn und Sinnlichkeit im bayeri schen Barock. Photographische Aufnahmen; WolfChristian von der Mülbe, Regensburg 1980. 18 Fischer, Johann Michael (um 1691—1766), Ar chitekt. Lit.: Lieb, N., Johann Michael Fischer — Baumeister und Raumschöpfer im späten Barock Süddeutschiands. Photographische Aufnahmen: Wolf-Christian von der Mülbe, Regensburg 1982. 19 Zimmermann, Dominikus (1685—1766), Archi tekt und Stukkateur. Lit.: Muschail-Viehbrook, Th., Dominikus Zimmermann, Leipzig 1912. — Lamb, Ch., Die Wies, München 1948 und München 1964. 20 Herrmann, W., Der hochbarocke Kiostertyp, Ein Beitrag zum Begriff des barocken Gruppen baues, Diss. phii. Leipzig 1924. — Lieb, N., Die Stiftsaniagen des Barock in Aitbayern und Schwa ben (Bayern), in: Studien und Mitteilungen zur Ge schichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, Band 79, Ottobeuren 1968, S. 109—121. — Derselbe (mit F. Dieth), Die Vorariberger Barock baumeister, München—Zürich 1960 und 1967. — Schindler, H., (Hrsg.), Europäische Barockkiöster, München 1972. 21 Adriani, G., Die Kiosterbibiiotheken des Spät barock in Österreich und Süddeutschiand. Ein Bei trag zur Bau- und Kunstgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts. Graz—Leipzig—^Wien 1935. — Bernhard, M., Stifts- und Kiosterbibiiotheken, in: Keysers kleine Kulturgeschichte, München 1983. 10

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