Oberösterreich, 36. Jahrgang, Heft 1, 1986

Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Der hl. Florian und Stift St. Florian Dr. Herbert Schindler Architektur, Macht und Raum — St. Florian im Rahmen der europäischen Barockbau kunst 2 Dr. Kurt Holter Clmeiien aus der Stiftsbibiiothek von St. Florian 11 Dr. Marlene Zykan Der heilige Florian in der mittelalterlichen Kunst — Meisterwerke in den Sammlungen des Augustiner Chorherrenstiftes St. Florian 19 Dr. Karl Rehberger Wallfahrt nach St. Florian 27 Die Passio S. Floriani und die Translatio von Rom nach Krakau — Freskenzyklus von 1697 in der Florianikirche zu Graz-Straßgang Dokumentation von Dr. Kari Amon und Dr. Wilheim Steinbock 37 Augustinus Franz Kropfreiter Das Chorherrenstift St. Florian und seine geistlichen Komponisten 51 Dr. Mag. Rupert Gottfried Frieberger O. Praem. Augustinus Franz Kropfreiter 55 Dr. Dietmar Assmann Der hl. Florian in der Volkskunst 57 Hans Gilbert Müller Die Florianijünger und ihr Museum im Stiftsmeierhof St. Florian 63 Oberösterreich aktuell Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck Grußwort an das Augustiner Chorherrenstift St. Florian 73 Dr. Rupert Feucbtmüller Die Welt des Barock — Dramaturgie einer Ausstellung 74 Bücherecke 83 Literaturbeilage Dr. Peter Kraft Noricum heute — Aus dem abgeschlossenen Band lyrischer Texte „Die freigelassenen Worte" 89 Umschlag: Augustiner Chorherrenstift St. Florian, Kunstsammlungen, Florianigang, Hl. Ritter Florian, Holzplastik (Eichenholz), Reste al ter Fassung, 278 cm hoch, Oberösterrei chisch, Mitte 14. Jahrhundert. Foto: Elfriede Mejchar, Wien. Gestaltung: Herbert Friedl Kulturzeitschrift Oberösterreich 36. Jahrgang, Heft 1/1986 Vierteljahresschrift: Kunst, Geschichte, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember. Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Hersteller: LANDESVERLAG Gesellschaft m.b.H. A-4020 Linz, Landstraße 41. ISSN 0253-7435 Redaktion: Dr. Otto Wutzel, Dr. Elfriede Wutzel, A-4020 Linz, Landstraße 41. Jahresabonnement (4 Hefte): S 396.—; Einzelverkaufspreis: S 110.— (Alle Preise inkl. 10 % MWSt.) Schwerpunktthema Heft 2/1986 Böhmerwald — Bayerwald Autoren Heft 1/1986 Dr. Karl Amon, Graz, Universitätsprofessor, Vorstand des Institutes für Kirchengeschichte an der Universität Graz Dr. Dietmar Assmann, Linz, W. Hofrat, Lan desinstitut für Volksbildung und Heimat pflege Dr. Rupert Feuchtmüller, Wien, Universitäts professor Dr. Mag. Gottfried Frieberger O. Praem., Musikwissenschafter und Komponist Dr. Kurt Holter, Wels, Honorarprofessor Dr. Peter Kraft, Linz, Obermagistratsrat, Amt für Presse und Fremdenverkehr beim Magistrat Linz Augustinus Franz Kropfreiter, St. Florian, Stiftsorganist, Regens chori und Komponist Hans Gilbert Müller, Redakteur beim Linzer Volksblatt Dr. Josef Ratzenböck, Landeshauptmann von Oberösterreich DDr. Karl Rehberger, St. Florian und Linz, o. Professor für Kirchengeschichte an der Kath.-Theol. Hochschule Linz Dr. Herbert Schindler, Passau, Universitäts professor, Lehrstuhl für Kunstgeschichte und christliche Archäologie Dr. Wilhelm Steinböck, Graz, Senatsrat, Di rektor des Grazer Stadtmuseums Dr. Marlene Zykan, Wien, Oberrat, Bundesdenkmalamt. Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz: Medieninhaber: LANDESVERLAG Ges.m.b.H. Unternehmensgegenstand: Druckerei, Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlag, Buch- und Papierhandel. Sitz: 4020 Linz, Landstraße 41. Geschäftsführer: Mag. Ing. Wilhelm Pohn, DDr. Willibald Girkinger, August Hattingen Dkfm. Günther Gogl. Aufsichtsrat: Helmut Bergthaler, Dr. Josef Gugerbauer, Dr. Lud wig Scharinger, Ludwig Kneidinger, Dr. Josef Kolmhofer, Mag. Helmut Kukacka, Mag. Friedrich Mayrhofen Dipl.-Volkswirt Helmut Ornezeder, Eduard Ploier, Mag. Dr. Hans Schlichen Josef Wiener, Dr. Josef Wöckinger, Alexander Baratsits, Theodor Greilinger, Walter Gruber, Günter Halbmayr, Gerhard Hennerbichler, Peter Stögmüller. Gesellschafter, deren Anteil 25 % über steigt: Diözese Linz, Oberösterreichischer Raiffeisen-Zentralkasse reg.Gen.m.b.H. Grundlegende Richtung: unabhängig. Beteiligung: Die LANDESVERLAG Ges.m.b.H. ist mit 90 % Geschäftsanteil beteiligt an der Veritas-Gesellschaft m.b.H., Linz, Harrachstraße 5. Unternehmensge genstand: Verlag, Handel und Werkstätten. Geschäftsführer: DDr. Willibald Girkinger, Alois Obereder. Die LANDESVERLAG Ges.m.b.H. ist mit 50 % Geschäftsanteil beteiligt an der „korrekt-Linzer Rundschau Zeitungsverlag Ges.m.b.H., Linz, Prechtlerstraße 21. Unternehmensgegenstand: Herausgabe einer Wochenzeitung für den Großraum Linz, Geschäftsführer: Peter Lengauer, Dir. Dr. Markus Frenner. Auflage kontrolliert NORMALPRÜFUNG Veröffentlicht Im Pressehandbuch Auflage dokumentiert Im Protokollbuch des Ozv und unter der Btx-Nummer * 2270 *

Kulturzeitschritt m ß Topographia Florianensis, 1743, fol. XV „ECCLESIA S. FLORIANI." — Foto: Elfriede Mejohar, Wien „Der hl. Florian und Stift St. Florian" — mit dieser Themenstellung für Heft 1/198S möch te die Schriftieitung der Zeitschrift Oberöster reich ihre Verbundenheit mit dem weit be kannten Augustiner Chorherrenstift im „Fiorianer Landi" vor den Toren von Linz deutlich aufzeigen. Anlaß ist die diesjährige oberösterreichische Landesausstellung „Die Weit des Barock" In St. Florian, wo bereits 1965 eine Landesausstellung — die erste Veranstaltung dieser Art in Oberösterreich — stattgefunden hat. Das damalige Aussteiiungsthema „Die Kunst der Donauschuie 1490—1540" ergab sich aus dem bedeutenden Kunstbesitz des Klo sters mit den Tafein des Sebastiansaitares von Aibrecht Altdorfer als eine besondere museale Kostbarkeit. Auch die Themenstel lung der Landesausstellung 1986 wird aus der Kulturgeschichte der „ceiiuia Sancti Fiorianl" abgeleitet. Am Maria Himmeifahrtstag (15. August) des Jahres 1686 ließ Propst Da vid Fuhrmann durch den Abt von Garsten den Grundstein für den barocken Neubau der Stiftskirche legen. Ab diesem bedeutungs vollen Datum setzt die hochbarocke Baupe riode von St. Florian ein — ein frühbarockes Bauschaffen hat es schon in den Jahrzehn ten vorher gegeben —, die eine Kiosterarchitektur von einzigartiger Schönheit und ba rocker Monumentalität schuf. Somit kann an dem religiösen, geschichtlichen und kulturel len Erscheinungsbild von St. Florian die „Weit des (österreichischen) Barock" in wahrhaft exemplarischer Weise vorgestellt, der Ge genwart nahegebracht werden. Der Inhalt dieses Heftes 1/1986 wurde mit der Aussteiiungsieitung derart abgestimmt, daß diese Publikation volle Selbständigkeit be anspruchen kann. Ausstellung und Ausstel lungskatalog werden flankiert, im Mittelpunkt steht die Gestalt des heiligen Märtyrers, dem das „Sankt Fiorianshus" sein Dasein ver dankt. Es wird auch deutlich gemacht, daß die Geschichte des Stiftes St. Florian einen Zeitraum von rund 1600 Jahren umfaßt, in dem die letzten 300 Jahre mit ihrer prunkvol len Barockkuitur wohl einen Höhepunkt dar stellen, die historischen Wurzein jedoch weit tiefer reichen. Die Schriftleitung dankt allen Mitarbeitern — Autoren und Fotografen. Besonderer Dank gebührt Propst und Konvent des Hauses für ihre Mithilfe und Gastfreundschaft. Jubelfe ste sind Anlaß zur Freude, aber auch zur Be sinnung und zu einem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft. 1

Architektur, Macht und Raum St. Florian Im Rahmen der europäischen Barockbaukunst Herbert Schindler Anders als die Gotik und die Renaissance enthält die Stilbezeichnung Barock einen charakteristischen Hinweis auf das Räum liche. Sie kommt aus dem italienischen „barocco", was soviel wie „schiefrund" bedeutet. Als Abweichung von der Ordnung und Ge setzmäßigkeit der Renaissance — Verstoß gegen die Regelmäßigkeit — wurde dieser neue Stil empfunden, der sich zuerst in Ita lien herausbildete und in raschen Entwick lungsschritten ganz Europa eroberte. Uns Heutigen erscheint der Barock geradezu als das Prinzip einer festgefügten Ordnung, einer übergeordneten Gesetzmäßigkeit und strengen Regularität der Planung. Dieser scheinbare Widerspruch ist leicht erklärt, wenn man als das eigentlich stilkonstitutierende Prinzip des Barock dessen neues Ver hältnis zum Raum erkennt. Zunächst zum Freiraum der Landschaft! Das Ziel — das mit den Stilordnungen der Renaissance nicht er reichbar war — hieß Gestaltung und Ordnung (in gewissem Sinn auch Eroberung) der den Menschen umgebenden Natur, d. h. des irdi schen Raumes. Dahinter steht als Aufforde rung das Bibelwort „Macht euch die Erde Un tertan". Dieses als Auftrag von oben empfundene Schaffen steht unter den großen Begriffen: Architektur, Macht und Raum. In der Sakralarchitektur ist das Hauptthema des Barock die Verschmelzung von Langbau (Richtungsbau) und Zentralbau. Der Lang bau als die älteste Form des christlichen Kult gebäudes — vollendet ausgedrückt in der frühchristlichen Basilika — ist fassungs mächtiger Raum für eine Gemeinschaft, die Gott dienen will. Die Zuordnung des Gemein deraumes zum Altarraum ist eindeutig; der Altar ist Mittelpunkt der gemeinsamen Eucharistiefeier. Die mittelalterliche Kirchen architektur löste bei Ordenskirchen und auch bei Kathedralkirchen diese enge Verbindung von Klerus und Gemeinde durch Lettnerein bauten und die Trennung der Mönchschöre (beziehungsweise Kapitelchöre) von den Laienräumen auf. Der Zentralbau — das Ideal der Renaissance — ist auf den Menschen, genauer gesagt: auf die Einzelperson bezogen und auf ihr persön liches Verhältnis zu Gott. (Der Zentralbau hat seine Vorläufer in antiken und frühchrist lichen Mausoleen.) Der Zentralbau ist im technischen Sinn ein Gewölbe- oder Massenbau mit gerundeter Mauerbegrenzung. Der Längsbau oder Rich tungsbau ist ein Gerüstbau mit geraden Mauerfluchten. Der Barock als die Kunst der Gegenreformation stand vor der Aufgabe, die beiden gegensätzlichen Entwicklungssträn ge der Kirchenarchitektur zu vereinigen. Kirchliche Architektur In Rom zeigte sich das neue Kunstwollen am frühesten. Hier entstand seit 1568 die pro grammatische neue Ordenskirche der Jesui ten II Gesü (gebaut von Vignola, die Fassade von G. della Porta) als eine Kombination von Zentral- und Langbau mit Vierungskuppel (Kreuzkuppelkirche). Lorenzo Bernini,^ der zum Baumeister von St. Peter bestellte Bild hauerarchitekt, gab dem neuen Raumgefühl durch die mit wundervoller Einfühlung in das Terrain gestalteten Kollonaden überzeugen den Ausdruck. Die täuschende, nach oben sich leicht verengende Scala Regia und eine Reihe herrlicher Brunnenanlagen bezeugen seine schöpferische Kraft. Sein Tabernakel mit den gewundenen Bronzesäulen über dem Petersgrab, der „Ciborio", wurde als Of fenbarung begrüßt und diente einer ganzen Generation von Baumeistern und Altarbau ern als Formenarsenal. Im Bereich der Sakra larchitektur ist die Ausbildung der Ovalkirche xorniji CullrLMf .id Fi. Djio Vitii Pnrppsijo Mi'. : r 0'v\ . "iruilVif,-. .11. CcfIf.viJix): f liiri.iiii. C. i'ji rrilfit,";. lifpica/j . ■ iJTt' h( ZVilvji'Aii'i'. ci'Miil.'i inji riui i 0. .Ht'i-fiL'; JUr.""'7! .'Iiii;/ .-h .'irj/if I'/m . f?. djjläMLUin . IiThi iu /t>. .1)11 MifiiiTTcrl: ii-Moyto CoilTci: /F. U'i.Vnihit: F/. /■»Mt.i. ib. .//fi-tiijt) il.iji/il III . /'/..'iifVi'i'fiti. /(i-ituii. jl|fi(crfifijtEiII * aijL.ilä'i'.fiiriJrai'Bfr t. u P f * .'iVi, t tUiTUjr.Ksrfffn&iinrii in ri ,r « "- rii,yfrtßfiirFpcspj^«-v ■m. hC'.. '^tQ. • tfiKriiCri TEt ^»'Wp^rrrTirTrTrriTrtrET -• »i'r ti rrti rn rt rrrrrr.rr ^ i.n: !r« ^ I l V 1^' ' i ff rfrr{afLrriiij.irt', rrf Xi, H 'gi K 'S. P- ^ "Sl. »«gi «B» ^ ^

Links; Topographia Florianensis, 1743, Stiftsarchiv St. Florian,'Hs. 78, Plan 2: Forma collegii ad S. Fiorianum a . . Davide praeposito anno MDLXXXVIII medidata. — Foto: Elfriede Mejohar, Wien. Rechts: Die Superga bei Turin, Klosteranlage aus der Vogelschau, Grundsteinlegung 1717, Baumeister Filippo Juvara (1674 od. 76—1736). — Foto aus: Europäische Barockklöster. Hrsg. v. Herbert Schindler, Prestel Verlag München. die wichtigste Neuerung (Oratorium di San Filippo Neri, 1634, und 8. Andrea al Quirinale, 1658/78). Bedeutender jedoch, vor allem für die Stilent wicklung im Norden der Alpen, wurden die Raumschöpfungen seines Gegenspielers, des eigenwilligen Francesco Borromini.^ Sein Ziel war Bewegung der Baumasse und die Formung der Raumschale mittels Traveen im Rahmen einer festen Struktur: ein geistrei ches Spiel von Konvexe und Konkave (am deutlichsten in San Carlo alle quattro fontane). Die Grundriß- und Aufrißformen sind von kristallischem Schliff; Mauern und Fassaden ondulieren; die Türme werden — geometri schen Zirkelkunststücken gleich — ent wickelt; sie haben geistvoll verspielte Bekrönungen. Der Theatinermönch Guarino Guarini® prägte die für Turin und den Piemont bezeichnende Sonderform, die Züge des Irrationalen und Phantastischen enthält, was zu höchst komplizierten und genial ge meisterten Wölbeformen führte. Das Oval wird als eine bezeichnende, vom reinen Rund abweichende Raumform entdeckt (S. Lorenzo in Turin), eine Idee, die vor allem die süd deutsche und österreichische Entwicklung bereichern sollte. Daß ein solches Unterfan gen die bisherige Ordnung und Struktur der Innenräume sprengen mußte, ist verständ lich, vor allem bei Kult- und Festräumen. An die Wölbekunst werden unerhörte Anforde rungen gestellt. Gewölbe werden bis an die Grenze des statisch Möglichen gedehnt. Die tragenden Gurtbogen erhalten dabei tatsäch lich die „schiefrunde" Führung. Zuerst bei Borromini in Rom und Guarini im Piemontesischen, dann bei den Brüdern Dientzenhofer" in Böhmen, am kühnsten bei Balthasar Neumann® in Franken. Entsprechend Vignolas Gesükirche, steht auf deutschem Boden St. Michael in München am Ausgangspunkt der neuen räumlichen Tendenzen.® Der gewaltige Wandpfeilerraum war mit den klassischen Ordnungen nicht mehr zu bewältigen. Deshalb setzte man Attikaaufsätze auf die Pfeilerl Im Zuge der räum lichen Konzentration wurde auf eine Vie rungskuppel verzichtet. Die Mehrzahl der süddeutschen Klosterkirchen der Frühphase (zumal die zahlreichen Jesuitenkirchen) schließen sich an das Raumsystem von St. Michael an, auch die raummächtige Klo sterkirche zu Fürstenfeld bei München (1701 und 1718—1736), der letzte Großkirchenbau, der auf Tonnenwölbungsbasis errichtet wur1 c 'm

Links: Passau, Dom St. Stephan, Schnitt durch das Langhaus, das Querschiff und den Chor. Unter Einbeziehung des gotischen Chores und der Vierungskuppel größter Barockdom nördiich der Alpen. — Foto: Gregor Peda, Passau Unten: St. Florian, Stiftskirche, Blick in das Langhaus. — Foto: Elfriede Mejchar, Wien Rechts unten: „Closter Möick", Kupferstich 1750 von Franz Leopoid Schmitner nach einem Temperabild von Franz Rosenstingl in den Kunstsammiungen des Benediktinerstiftes Melk. — Foto: Bildstelle der nö. Landesregierung bzw. Europäische Barockkiöster. . . de. Einen eigenen verwandten Bautyp führen die Meister aus dem Intelvital ein; Es sind dies Langhausanlagen mit einer Abfolge von Kuppelbaldachinen, so der Passauer Dom — neben der Münchner Theatinerkirche größter Barockbau nördlich der Alpen! — von Carlo Lurago und Giovanni B. Carlone,'' und seine Nachfolgebauten in Österreich (mit reinem Stuck): die Klosterkirchen von Schlierbach und Garsten,® beides Bauten der CarloneFamilie. Begründer des Garlone-Bauschemas und „bedeutendster Klosterbaumeister Öster reich" (so J. Sturm) ist Pietro Francesco Car lone, der Vater des Carlo Antonio und Archi tekt der Klosterkirche Garsten, wahrschein lich auch der Jusuitenkirchen in Passau, Leoben und Linz. Das carloneske Prinzip einer gerichteten Raumfolge, die durch die Aneinanderreihung von Kuppelbaldachinen erzielt wird, wurde in St. Florian übernommen, wobei es zu einer Verschmelzung mit dem Langhausschema der böhmischen Jesuitenkirchen des Carlo Lurago kam (ähnlich dem gleichzeitig ent standenen Kirchenbau von Waldsassen, Oberpfalz). Die Struktur der Mittelschiffwand von St. Florian enthält zugleich Anregungen von der Wiener Dominikanerkirche, wie Korth® nachweist. Es kommt zur Ausbildung von zusätzlichen seitlichen Baldachinräu men. Damit wird eine für die Bauzeit bedeu tende Synthese zwischen Kathedralkirche und Klosterkirche erreicht. Sie ist wahr scheinlich eine Gemeinschaftsleistung der

Brüder Carlo Antonio Carlone und Giovanni Battista Carlone, weiche bereits die Raumge staltung des Passauer Domes maßgeblich beeinflußt haben dürften. Entwickiungsgeschichtiich bedeutsam ist die Fiachkuppei in der Vierung und die Verdrängung des Stucks durch Freskomalerei. Die Raumstruktur der Stiftskirche in Melk lei tet sich einerseits vom gebundenen Balda chinsystem oberitalienischer Meister (Enrico Zucallis Münchner Theatinerkirche) ab, an dererseits folgt sie dem Carlonetyp von Passau-St. Florian. Für das borromineske Einsin ken der Langhauswand zwischen den Pfeilern könnte man Anregungen aus dem Dientzenhoferkreis in Böhmen annehmen (St. Niklas auf der Kleinseite in Prag und Klo sterkirche Woborischt von Christoph Dientzenhofer), obwohl die für den Dientzenhofer kreis charakteristischen Merkmale — wie schräg gestellte Wandpfeiler und sphärisch geführte Gurtbogen — bei Prandtauer fehlen. Näher als der Einfluß Böhmens liegen die An regungen, die von der Wiener Piaristenkirche, der nicht mehr erhaltenen Dorotheerkirche (1698) und vor allem von Matthias SteinI (Klosterkirche in Dürnstein) ausgehen.^" Man hat auch den Einfluß des 1701 als Ratge ber beigezogenen Theaterarchitekten Anto nio Beduzzi anzunehmen. Prandtauer, der von Haus aus Bildhauer war, dürfte verschie dene Anregungen in den „vorhandenen Riß" und in das „von ihm gemachte Modell" der Melker Stiftskirche hineinverarbeitet haben. Dabei kommt dem Bauherrn, der im Barock zeitalter in Bausachen erstaunlich beschla gen war, oft ein maßgeblicher dirigierender Einfluß zu. So heißt es in dem von Prandtauer mit dem Abt Berthold Dietmayr abgeschlos senen Kontrakt: vor allem dem, „waß abgere det worden, er ohne Ihre Gnaden Wissen und Einwilligen nichts ändern solle".^^ 1701 reist Prandtauer mit dem Prior von Melk nach St. Florian, um die soeben vollendete Stiftskir che zu besichtigen. Damals dürfte die Ent scheidung für die Melker Deckengestaltung gefallen sein: böhmische Kappen, sogenann te Platzigewölbe (die frühesten finden sich in der Jesuitenkirche zu Königgrätz von Lurago 1645), in Verbindung mit umfassender Fres komalerei.^^ Melk bleibt jedoch bei der klas sischen Grundrißgestaltung einer Kreuzkup pelkirche (Theatinerkirche München, Wein garten, Wttb.). In Zentralbauten der ländlichen Wallfahrtskir chen wird die Abweichung von der klassi schen Strukturierung am frühesten faßbar (Etwa in Maria Birnbaum bei Aichach, We sterndorf bei Fang und in Kappel bei Wald sassen). Beim Neubau von St. Peter in Wien treffen wir wieder das Oval, das als Grundriß gedanke von den großen österreichischen Barockarchitekten Fischer von Erlach^® und Lukas von Hildebrandt häufig aufgegriffen und geistvoll abgewandelt worden ist. Bleibt der Grazer Fischer von Erlach als Bildhauer architekt (wie Bernini) im allgemeinen bei strenger Gliederung im klassischen italieni schen Kanon — Verschmelzung von Langund Zentralbau, Tambourkuppel (Wiener Karlskirche) —, so steht bei dem Wiener Lu kas von Hildebrandt^'' die Raumgestaltung deutlicher in der Nachfolge Borrominis und Guarinis (Wien, Piaristenkirche Maria-Treu). Er ist als Ingenieurarchitekt dazu berufen, in großen freiräumlichen Zusammenhängen zu planen. Als Festungsarchitekt und Raum schöpfer steht er Guarini nahe. Er ist jeÄ i m f'T Hf

Walifahrtskloster und Fürststift Maria Einsiedeln in der Schweiz, Kupferstich von Johann Heinrich Ebersbach nach M. L. Kauffiin, ca. 1703, Einsiedeln, Stiftsbibliothek, Abteilung Graphische Sammlung. Dargestellt die Gesamtanlage nach den Planungen von Johann Georg Kuen und Kaspar Moosbrugger — Foto: Europäische Barockklöster. . . doch auch einer der größten Gartengestalter seiner Zeit (Belvederegarten). Am folgerichtigsten jedoch wurden Guarinis Ideen von den aus Oberbayern (aus St. Mar garethen bei Brannenburg und Flintsbach) stammenden, in Böhmen und Franken um fassend schaffenden Brüdern Christoph und Johann Dientzenhofer weitergeführt^® (Sankt Niklas auf der Kieinseite in Prag, St. Margareth in Brevnov, Klosterkirche Banz in Ober franken). ihre aus oberitaiienischen Vorbil dern und den volkstümlichen Wallfahrts kirchen Süddeutschlands entwickelten Raumschöpfungen formieren sich zur be wegten Raumumgrenzung, wobei die Gliede rung sich dem Bewegungszug beugt; auch die Wölbungen erhalten eine unerhörte Frei heit der Formung, der sich die Gurtbogen — „windschief" möchte man sagen — anpas sen. Das klassische Giiederungsschemades Frühbarock — wie es St. Florian noch verkör pert — ist damit endgültig verlassen. Der bewegte Raum an sich, ohne Fessel, in freiem Formenspiei, einem organisch emp findenden Gestaltungstrieb gehorchend (wie später im Jugendstil bei dem portugiesischen Architekten Gaudil), ist in den Grundzügen geschaffen. Bei Balthasar Naumann,^® in Vierzehnheiligen und Neresheim, erhält er seine genialste, konstruktiv durchdachteste Formung. Der Raum wird zum Spiegelbild des Widerstreits der Kräfte, die von der kon struktiven Idee — der Durchdringung von Längs- und Zentrairaumtendenzen — in Spannung gehalten sind. Das verblüffend Ir rationale der Spannungsverhältnisse und Be wegungsabläufe ist in den Gedanken kon struktiver Rationalität eingebunden, das Technische ist genial gemeistert. Was letzt lich wieder auf dem hochbarocken Prinzip von der Übereinstimmung und Bändigung des Gegensätzlichen — dem großer Spiel raum und Freiheit eingeräumt ist — beruht. Anders verläuft die Entwicklung im südwestli chen Deutschland. Von den Baumeistern aus dem Bregenzerwaid wurden bestimmte Raumtypen von streng gebundener Form für die Klosterkirche entwickelt: es ist die Wandpfeileraniage in einfacher oder berei cherter Form, bekannt als Vorarlberger Mün sterschema. Die Wandpfeiler, zwischen die Emporen gespannt sind, haben in zwei Ebe nen Durchgänge. Die kraftvolle Raumgestal tung eines Franz Beer oder Michael Thumb bildet eine westliche Parallele zum Carloneraum. In anderer Richtung als Guarini, die Brüder Dientzenhofer und Balthasar Neumann ha ben auch die bayerischen RokokoKirchenbaumeister, die Brüder Asam,^^ Jo hann Michael Fischer,^® Dominikus Zimmermann^® dem spätbarocken Raumge- '.P vOTiT Ii I*# «1 — ■ IAA'i.,A* "•{iL',1. fühl Ausdruck gegeben. Nicht die Gliederung des Raumes scheint hier das Wesentliche, sondern die Raumaufiösung, d. h. die Verunkiärung der Raumgrenzen durch illusionäre Wandaufiösung mitteis Putzarchitektur, Stuck und Maierei. Weiß ist der Grundton der entmateriaiisierten, durch große Fenster auf gerissenen Mauern. Durch spiegelnden Stuckmarmor, phantastische Aitaraufbauten, raumöffnende Fresken wird der Kirchenbau zum Abbild des Himmeis und zum Festsaai Gottes ausgestaltet. Das bedingt ein inniges Zusammenwirken aller Künste, von Plastik, Stukkatur und Maierei. So entstehen die in der europäischen Architekturgeschichte ein maligen Rokokokirchen, die Klosterkirchen zu Ottobeuren, Zwiefalten, Berg am Laim, Rott am Inn, Weltenburg, die Wallfahrtskirche Wies bei Steingaden — oder als köstliches Beispiel einer privaten Andachtsstätte — die Asamkirche in der Sendiingerstraße in Mün chen. Auch die Rokokokirche in Suben im Innviertel und die Klosterkirche Engeiszell und Wilhering bei Linz gehören zu diesem Raumtyp oder neigen ihm teilweise zu. Ein alemannisches Gegenstück zur Wieskirche schuf Peter Thumb in der Wallfahrtskirche Birnau am Bodensee. Die großen Klosterkir chen unter den Genannten hat man einmal „Kathedralen des Rokoko" bezeichnet. Mit Ausnahme von Weitenburg handelt es sich um Flachkuppeianiagen mit umfassender Freskomalerei und Stukkatur. Die Freiraumarchitektur (Klosteraniage) Ausgehend vom Escoriai, dem Palast und Kloster vereinenden Riesenbau Philipps Ii. bei Madrid (begonnen 1563), entwickelt sich die programmatische Klosterbaukunst des Barock,^® ausgerichtet nach dem Ideal einer „Civitas Dei" und in bewußter Steigerung der Landschaft. Beim Escoriai war die strenge Reguiarität eines äußeren Vierfiügelbaues mit Ecktürmen — im Inneren durch Höfe un terteilt, die dominierende Kirche in der Mittel achse — noch dem Geist der Renaissance verpflichtet (man sagt allerdings, der Bauherr wollte den „Rost des hl. Laurentius" symbo lisch nachbilden). Die Nachfoigebauten ge langen zu einer freieren, reich rhythmisierten Gruppierung der Trakte, vor allem dort wo es bergiges Gelände zu meistern und zu krönen galt: am großartigsten in Melk an der Donau durch den Tiroler Jakob Prandtauer, in der Superga bei Turin durch Fiiippo Juvara, in Banz in Oberfranken durch Leonhard und Jo hann Dientzenhofer. Wo es das Terrain erlaubte, weitauszugreifen, entstehen meist regelmäßige Anlagen, aber auch diese in sich verschieden und reich vari iert. Ais Beispiele erwähnen wir: Einsiedeln in der Schweiz und Wiblingen bei Ulm. In Österreich folgt Garsten dem Escorialschema. Kloster Mafra bei Lissabon, erbaut von den aus Regensburg stammenden Architek ten Johann Friedrich Ludwig, wußte den Es-

Rechts; Benediktinerabtei Weingarten, Württemberg, Lithographie von J. Bayer, um 1840, „Feieriiche Prozession, welche aiijährlich am Tage nach Christi Himmelfahrt gehalten wird . . — Foto: Landesbildstelle Württemberg, Stuttgart bzw. Europäische Barockklöster. . . Rechts unten: Reichsabtei Ottobeuren, „Abriss des Immediaten Freyen Reichs Stüffts u. Gotteshauses Ottobeyren O. 8. Bend, in Schwaben, so anno 764 gestifftet worden". Kupferstich aus dem Jahre 1766 von Johann Baptist Kiauber in Augsburg aus der Festschrift zur 1000-Jahrfeier des Benediktinerkiosters Ottobeuren, 1766, München, Bayerische Staatsbibliothek. — Foto: Europäische Barockkiöster. . . corlal an ausladender Breite und festlicher Lagerung noch zu übertreffen. Kloster Weingarten in Württemberg — Haupt werk der Vorarlberger — wurde nur zum Teil vollendet. Seine auf Wandpfeilerbasis errich tete Kreuzkuppeikirche liegt in der Mitte des Klosters und entbietet die vorgewölbte Haupt fassade, ähnlich der Salzburger Kollegienkir che Fischers von Erlach. Bei Ottobeuren — einer der großen schwäbi schen Reichsabteien — tritt die Kirche ener gisch vor den Klostertrakt vor und gibt somit den Auftakt zu einem mächtigen „Geleitzug" von Bauten, der mit weitausladenden Stifts gebäuden beginnt und mit den niederen Wirt schaftsbauten endet. Man fühlt sich an einen Schiffsgeleitzug erinnert. Die festlichen Raumfoigen, Kaisersäle und Bibliotheken, ihre vornehmen Prälaturen und Gastflügel sind über ihren Zweckbau hinaus Konzeptionen einer idealen Architektur im Sinne des Barock und eines transzendenten Weltbildes. Ihre langgezogenen Trakte und programmatisch eingefügten Repräsenta tionsräume — verbunden durch endlos er scheinende Gänge — dokumentieren das Unendlichkeitsgefühl des Barock. Die Zeit, die diese Architektur-Monumente — Zeugnisse eines absolutistischen Zeitalters — entstehen ließ, sind die zweihundert Jahre von König Philipp II. bis zu Kaiser Karl VI., eine Wegstrecke europäischer Geschichte, in der Geist, Wille und Sendungsbewußtsein fn ■ II II'»! "liiilaiiiigagjiaE 3 " '• f'i- )i> Ku "ti-l' r.-'itU')' ..Irl' ii'in I

St. Florian, Augustiner-Chorherrenstift, Bück in das Treppenhaus, 1706—1714, „eine der großartigsten Lösungen dieser Aufgabe im österreichischen Barock" (Dehio-Handbuch, Oberösterreich). - Foto: Elfriede Mejchar, Wien barocken Bauherrentums eindringlich ge genwärtig werden. In Göttweig In der Wachau wurde ein ganzer Berg mit einer gewaltigen Palast-Klosterarchltektur gekrönt. Hildebrandt kleidete den Escorlalgedanken In die festlichen Formen des österreichischen Barock. Auch diese An lage Im Escorialschema blieb unvollendet. In Klosterneuburg bei Wien, das mit Unter stützung Kaiser Karls VI. zu einem habsburglschen Residenzkloster ausgebaut werden sollte, künden gleichfalls nur Teile von dem großartigen Beginnen unter Donato Felice dAiilo aus dem Intelvi. Dieses NIcht-mehr-BewältIgen der Planun gen Ist letztlich bezeichnend für die Utopie der barocken Baugesinnung. Was In Spanien und Portugal, in bestimmter Weise auch in Frankreich noch gelang: nämlich Herrscher residenz und Kloster zu vereinigen, das heißt weltliche Macht im Sinne des Gottesgnadentums religiös zu untermauern und zu fundamentieren, das vermag sich in Österreich, selbst unter sanftem Zwang von selten des Kaisers, nicht mehr durchzusetzen. Die histo rische Zelt des Gottesgnadentums war hier vorbei. Das Verhältnis Kirche und Herrscher haus stand bald darauf Im kühlen Wind der Josephinischen Reformen. Ein allerletzter Versuch unter Karl VII. In Dlessen am Ammersee — über den Gräbern der Heiligen aus dem Hause DIessen-Andechs — ein wittelbachlsches Kaiserkloster zu er richten, blieb ebenfalls In den Anfängen stecken. Erhalten Ist nur die großartige Roko kokirche von Johann Michael Fischer und Frangois Cuvillies. Wahrscheinlich hat die Reichsabtei Wiblingen 1750 die Pläne für Ihren Osttrakt von DIessen übernommen. St. Florians Stiftsanlage, das Neubauprojekt des Propstes Fuhrmann, folgt allgemein der Motivation des barocken Bauen: Historie, Ruhm und Macht des Klosters sichtbar zu machen. Im einzelnen betrachtet erweist sich die Stiftsanlage als ein hervorragendes Bei spiel für die Abwandlung des Escorlalschemas In der österreichischen Kloster architektur. Die absolute Regularität ist durchbrochen. Es kommt zu einem span nungsreichen Spiel von geschlossenen und offenen Freiräumen, von Rechteckhöfen, die asymmetrisch unterteilt werden, wobei von den Flügeln frei endende Annexbauten aus greifen, während die Klosterkirche die Flanke besetzt hält. Im ersten Neubauprojekt finden sich solche Annexe an der Südwestecke der Anlage und an der Ostfront. Die Planung diees ersten Projektes geht wahrscheinlich auf Carlo Antonio Carlone zurück, der bis zum Jahre 1708 (seinem Todesjahr) die Baumaß nahmen leitete. Prandtauer führte zunächst die Anlage des Westbaues nach Carlones .rr - f lA. f • ■ f. <r/;- > £-^- ... ,w, • I Plänen weiter, griff jedoch im Jahre 1710 ent scheidend in die Neubauplanung ein. Carlo ne wollte offenbar nach seinem Prinzip, In die Landschaft ausgreifende Annexbauten zu er richten, einen Saalbau an den Westflügel an fügen. Prandtauer versetzte den Saal als Do minante In die Mitte des Südtraktes und stellte damit die geschlossene Anlage — mit Ausnahme des Sommerrefektoriums — her. Er gestaltete das von Carlone geplante Trep penhaus — eine der originellsten Bauideen der barocken Kiosterarchitektur — zu einer großartigen durch Öffnung vom Hof her zu sehenden Freiraumarchitektur, gab dem so genannten Bläserturm die elegante Gestalt. Durch die Gegenüberstellung von Klosterkir che und Saalbau — kirchlicher und weltlicher Dominanten also — gelang es Prandtauer In St. Florian, die Idee einer programmatischen Kiosterarchitektur des Barock einzubringen. Der sieben Fensterachsen umfassende fest lich gegliederte Saalbau wurde zu einem Kernstück der Architekturvorstellung Prandtauers Im Sinne bildhauerhaft begriffener. In sich reichgegliederter Baukörper, die landschaftsprägend wirken. So sehr dieser Bau körper ein Glanzstück repräsentativer Festsaalarchitetur in der Nachfolge Fischer von Erlachs darstellt, so sehr rückt er von Carlo nes streng geordneter und von frühbarocker Wucht bestimmter Architekturvorsteilung ab. Allein In der Gegenüberstellung des großarti gen Treppenhauspavillons und des Biblio thekspavillons konnte sich, trotz entschel8

St. Florian, Augustiner Chorherrenstift, Westflügel mit Torturm (Bläserturm), Stiftstor und Schauseite der Stiftskirche mit den flankierenden Kirchentürmen. — Foto: Elfriede Mejchar, Wien I I isf.c

dender Änderungen der Fassadenstruktur und der Dachgestaltung, Carlones eigen willig-geniale Grundidee der Klosteranlage von Sankt Florian behaupten. Das Imposan teste bleibt die lange Front des Westflügels und der Empfangsbau, der sich als Schau raum gegen den mächtigen Prälatenhof öff net. Der Bibliothekspavillon von St. Florian wäre nach Carlones Vorstellung ein in die Ho farchitektur eingebundenes, nur reicher ge gliedertes Risalit geworden, dem zum Hof ein zweites Treppenhaus vorgelegt ist. Gotthard Hayberger gab ihm schließlich durch seitli che Giebel (Feuermauern) das heutige Kon zept, das zur Hofseite durch strengere Glie derung auf die Carlonebauten Rücksicht nimmt, während es nach Osten festliche Ro kokogliederung aufweist. Die glanzvollen Bibliotheken des Barock^^ (so in Metten, Altenburg, Admont, Waldsas sen, Fürstenzell, Schussenried, Ottobeuren, Wiblingen) führen architektonisch über die gewiß bedachte Nützlichkeit einer Bibliothek weit hinaus. Der Raum soll nicht nur feuersi cher, also gewölbt sein, sondern auch fest lich. So entstehen wahre Festsäle für Bücher, Deckenfresken öffnen den realen Raum nach oben; sie weisen Szenen aus der Historie auf oder zeigen uns in Allegorien die Vertreter der großen Disziplinen: Theologie, Philoso phie, Jurisprudenz und Medizin. Tugend und Wissenschaft schließen einen Bund (verkör pert durch Allegorien). Auch der Astronomie — einem Lieblingsgebiet der Klostergelehr samkeit — wird gedacht. Die Musen werden aufgerufen: Athene, antike Göttin der Weis heit, und Pegasus — das Dichterroß — dür fen nicht fehlen. Entsprechend dem antitheti schen Prinzip des Barock wird der heidni schen Wissenschaft die christliche Wissen schaft gegenübergestellt. Himmelsgloben in der Raummitte erinnern an Erkenntnisse der Erdkunde und Astronomie. Am reizvollsten vielleicht die Ausgestaltung des Schrankwerks mit Intarsien und der durchbrochenen Galerien mit Schnitzarbeit. Selten fehlt ein Wahlspruch über dem Portal. So heißt es in Melk: Ex litteris inmortalitas! Über dem Portal zum Hauptsaal der Biblio thek in St. Florian steht das lateinische Disti chon: Hic sibi perpetuo Virtutem foedere jungit Pallas et ambabus sacra stat Ista domus. (Hier haben sich Wissenschaft und Tugend zu ewigem Bunde vereinigt und beiden ist dieses Haus geweiht.) Als wahrhaft schöpferisches Zeitalter, das vor allem in der Entdeckung des Raumes Großes leistete, wurde der Barock zu Anfang unseres Jahrhunderts erkannt und wiederentdeckt. Und man bewundert heute mehr und mehr seine Fähigkeit zu großzügigen Planungen, die Weite seines geistigen Horizonts, die Ge nialität seiner Raumschöpfungen, wie auch die sinnfällige Ordnung seiner Bau-Distribu tion. Gerade in städtebaulicher und land schaftsarchitektonischer Hinsicht vermittelte er Maßstäbe, die heute noch lehrreich sind, aber nur selten erreicht werden. Anmerkungen: 1 Bernini, Giovanni Lorenzo (1598—1680), Archi tekt und Bildhauer. Lit.: Brinckmann, A. E., Die Baukunst des 17. und 18. Jahrhunderts in den Ro manischen Ländern. Handbuch der Kunstwissen schaft, Neubabelsberg 1919 ff. — Pane, R.; Berni ni, architetto, Venedig 1953. 2 Borromini, Francesco (1599—1667), Architekt und Biidhauer. Lit.: Hempel, E. Borromini, Wien 1924. — Sedimayr, H., Die Architektur Borrominis, München 1939. — Argan, G. C., Borromini, Mai land 1952. 3 Guarini, Guarino (1624—1683), Architekt, Lit.: Brinckmann, A. E., von Guarino Guarini bis Balt hasar Neumann, Berlin 1932. — Portoghesi, R, Guarino Guarini, Mailand 1956. 4 Franz, H. G., Die Kirchenbauten des Christoph Dientzenhofer, Brünn—München—^Wien 1942. — Hegemann, H. W., Die deutsche Barockkunst Böh mens, München 1943. — Franz, H. G., Bauten und Baumeister in der Barockzeit in Böhmen, Leipzig 1962. 5 Balthasar Neumann (1687—1753), Architekt. Lit.: Freeden, M. H. von, Balthasar Neumann, Le ben und Werk, München—Berlin 1953 und 1981. — Kömstedt, R., Von Bauten und Baumeistern des fränkischen Barocks, aus dem Nachlaß herausge geben von Hans Reuther, Berlin 1963. — Reuther, H., Balthasar Neumann — Der mainfränische Ba rockbaumeister, München 1983. 6 Hauttmann, M., Geschichte der kirchlichen Baukunst in Bayern, Schwaben und Franken 1550—1780, München 1921. 7 Schindler, H., Der Dom zu Passau, Aufnahmen Gregor Peda, Königstein im Taunus 1981. 8 Sturm, J. Beiträge zur Architektur der Carlone in Österreich, Diss. phil., Wien 1969. — Derselbe, Der Kirchenraum von St. Michael in Passau, in: Ausstellungskatalog Passavia sacra, Passau 1975, S. 34—45. 9 Korth, Th., Stift St. Florian, Die Entstehungsge schichte der barocken Klosteranlage, Nürnberg 1975, S. 68 ff. und S. 74 ff. 10 Derselbe, S. 74 ff. 11 Zitiert nach Feuchtmüller, R., Jakob Prandtauer und sein Werk, in: Ausstellungskatalog Jakob Prandtauer und sein Kunstkreis, 3. Auflage Stift Melk 1960, S. 28. 12 Ebenda, S. 28. 13 Fischer von Erlach, Johann Bernhard (1656—1723), Architekt und Bildhauer. Lit.: Sedi mayr, H., Fischer von Eriach, Wien 195a 14 Hildebrandt, Johann Lukas von (1668—1745), Architekt. Lit.: Grimschitz, B., Lukas von Hilde brandt, Wien 1959. 15 wie Anmerkung 4 16 wie Anmerkung 5 17 Hanfstaengi, E., Die Brüder C. D. und E. Q. Asam, München—Berlin 1955 — Rupprecht, B., Die Brüder Asam, Sinn und Sinnlichkeit im bayeri schen Barock. Photographische Aufnahmen; WolfChristian von der Mülbe, Regensburg 1980. 18 Fischer, Johann Michael (um 1691—1766), Ar chitekt. Lit.: Lieb, N., Johann Michael Fischer — Baumeister und Raumschöpfer im späten Barock Süddeutschiands. Photographische Aufnahmen: Wolf-Christian von der Mülbe, Regensburg 1982. 19 Zimmermann, Dominikus (1685—1766), Archi tekt und Stukkateur. Lit.: Muschail-Viehbrook, Th., Dominikus Zimmermann, Leipzig 1912. — Lamb, Ch., Die Wies, München 1948 und München 1964. 20 Herrmann, W., Der hochbarocke Kiostertyp, Ein Beitrag zum Begriff des barocken Gruppen baues, Diss. phii. Leipzig 1924. — Lieb, N., Die Stiftsaniagen des Barock in Aitbayern und Schwa ben (Bayern), in: Studien und Mitteilungen zur Ge schichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, Band 79, Ottobeuren 1968, S. 109—121. — Derselbe (mit F. Dieth), Die Vorariberger Barock baumeister, München—Zürich 1960 und 1967. — Schindler, H., (Hrsg.), Europäische Barockkiöster, München 1972. 21 Adriani, G., Die Kiosterbibiiotheken des Spät barock in Österreich und Süddeutschiand. Ein Bei trag zur Bau- und Kunstgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts. Graz—Leipzig—^Wien 1935. — Bernhard, M., Stifts- und Kiosterbibiiotheken, in: Keysers kleine Kulturgeschichte, München 1983. 10

Cimelien aus der Stiftsbibliothek von St. Florian Kurt Holter Neben einer sehr beträchtlichen Sammlung von Handschriften, wie sie aus der Schreiber und Sammeltätigkeit der Chorherren des Stif tes St. Florian im Laufe der Jahrhunderte her vorgegangen ist, besitzt die Stiftsbibliothek auch eine Sammlung von Cimelien ähnlicher Art. Es wäre nicht richtig zu sagen, daß diese mit den allgemeinen Beständen keine Verbin dungen hätten. Vielfach zeigen sie parallele Herkunftsangaben und teilweise gehören die betreffenden Bände zu den ältesten Bestän den der Stiftsbibliothek. Dennoch sind sie, oder mindestens ein Teil dieser Cimelien, da sie stets besonders bewertet und gehütet worden sind, weniger bekannt, als dies ihrem Range entsprechen würde. Aus diesem Grunde sollen einige dieser Kostbarkeiten hier besprochen werden. Die Abbildungen mögen auch eine Vorstellung von ihrem Aus sehen geben.^ Gleich vorweg möchten wir festhalten, daß die Erzeugnisse der bekannten „Malerschule von Sankt Florian", denen vor fast 25 Jah ren durch Universitätsprofessor Gerhard Schmidt, Wien, eine vorzügliche Analyse ge widmet worden ist,^ in unsere Ausführungen nicht einbezogen werden, obwohl ein Teil dieser Handschriften, aus welchem Grunde auch immer, bei der seinerzeitigen Signie rung unter die Cimelien eingereiht worden ist. Ganz streng möchten auch wir uns nicht an diese Einteilung halten, sondern, wie wir ein zelne der Cimelien beiseite lassen wollen, möchten wir einige Codices der allgemeinen Reihe hier miteinbeziehen. Eine solche Freiheit nehmen wir uns gleich bei den ersten dieser Handschriften. Das er ste Beispiel ist ein bisher unbeachtetes Frag ment einer karolingischen Handschrift eines Homiliars von Beda Venerabiiis, das als Vor satz in einem Einband aus dem Minoritenkonvent in Halberg bei Halberstadt erhalten ist. Die Inkunabel X/114A, ein Nürnberger Druck von 1498 (Hain 10315), dürfte im 19. Jahrhundert für die Stiftsbibliothek erworben worden sein. Über die Herkunft des interes santen Handschriftenfragmentes ist damit kaum etwas ausgesagt. Die Spezialforschung wird sich dieses Denkmals noch an nehmen müssen. Nicht viel jünger sind eine Federzeichnung und ein Boethius-Text aus dem 10. Jahrhun dert, wobei das Porträt dieses bekannten Philosophen unsere Aufmerksamkeit ver dient (CSF. XI/58). Die Zeichnung trägt eine Überschrift in griechischen Lettern, weshalb sie schon vor längerer Zeit die Aufmerksam keit des bekannten Handschriftenforschers Professor Bernhard Bischoff, München, er weckt hat. Dieser hat die Entstehung dieses Textes in den westlichen, französischen Kul turkreis eingeordnet. Wie sie in unser Land und in die Sammlung von St. Florian gekom men ist, blieb bisher ungeklärt. Eine Eintra gung aus dem 13. Jahrhundert, die sich auf den Beiblättern findet, erwähnt einen Wirt schaftshof in Gaflenz, ein Besitz, der seit dem 12. oder 13. Jahrhundert für das Bene diktinerkloster Garsten gesichert ist. Wahr scheinlich kam also unser Boethius über diesen Umweg nach St. Florian. Eine weitere, etwas jüngere Federzeichnung, die den Boet hius im Kerker darstellt, findet sich in einer anderen Handschrift, möglicherweise lokaler Entstehung, CSF. XI/75, doch ist eine Vorbild lichkeit der älteren Zeichnung nicht gegeben. Mit dem nächsten Beispiel kommen wir zu einem Kapitel, das für die Geschichte des Stiftes und seiner Bibliothek vermutlich sehr große Bedeutung besitzt. Wir meinen die „Florianer Riesenbibel", den größten Codex der Bibliothek, eine Handschrift im Format von 66 X 46 cm mit schweren, lederüber zogenen Holzdeckeln. Man kann diesen Bücherriesen als einzelner nur mühsam handhaben. Die Riesenbibel enthält etwa die Hälfte des gesamten Bibeltextes, woraus zu schließen ist, daß ein ursprünglich vorhandener, wohl ebenso großer zweiter Band in Veriust geraLt. Ii Iniü,oremparv:' Dicebitt iJoTum- Ccce mma S^4dLltf ocadsaC SCci ueflrr^f' M.? l'i €ce Jm •4 j» - .Z /. cjiiijrtini dectuttstrv- tncti P I ünjfiS» ä'3JU'-*^P y .»w .w 1 «• Inkunabel X/114 A, Vorsatz: Homlliar von Beda Venerabiiis, Karolingisch, 2. Hälfte 9. Jh., Initiale Handschrift CSF. XI/58, Autorenporträt zum Traktat „De trinitate" des Boethius, 10. Jh. Handschrift CSF. Xi/75, Boethius im Kerker und dem Diktat der Philosophia, 12. Jh. 11

fl'di llOill! I' -,.v «1* ":t itiiml' vilir-iTf " yW" I j fi.trini iirlkiir f'lUwiiy, s'fi'Aiiirta trco< inj'£ «fiF c:| 0n«siOiÄ mtjo • piiwsw f©nftmiöOTW» tnrn ¥ WÄ»t»A;i4W morttnmiri 'aÄföffiÄÄ?« Handschrift CSF. XI/1, Rorlaner Riesenbibel, Blatt 318", Miniatur Evangelist Johannes Handschrift CSF. XI/1, Fiorianer Riesenbibel, Blatt 1, Miniatur hl. Hieronymus ten Ist. Dies dürfte freilich schon vor Jahrhun derten eingetreten sein, denn der jetzige Ein band umschließt Teile von beiden anzuneh menden Hälften. Es ist jedoch nicht ausge schlossen, daß einzelne weitere Blätter des zweiten Bandes in der Fragmenten-Sammlung des Linzer Landesarchivs erhalten ge blieben sind, wo man sie vor wenigen Jahren aus Einbänden des Starhembergschen Ar chivs abgelöst hat. Schrift und Buchschmuck sind sehr ähnlich, das Format fast identisch. Da auch der Sankt Florianer Band keines wegs einheitlich geschrieben und ausgestat tet ist, wird man eine Trennung von den Lin zer Fragmenten umso schwerer beweisen können. Man hat die besondere Stellung dieser Bibel texte schon seit längerer Zeit erkannt. Über ihren Ursprung allerdings gehen und gingen die Meinungen auseinander. Ais man sich am Beginn unseres Jahrhunderts erstmalig wis senschaftlich mit dieser Riesenbibel befaßte, war bekannt, daß in Italien am Ende des 11. Jahrhunderts eine größere Anzahl ähnli cher Handschriften angefertigt worden ist. Und obwohl damals schon von mehreren Ge lehrten auf Zusammenhänge mit der Salz burger Buchkunst hingewiesen wurde,® neig te man — und auch wir haben uns ursprüng12

V o C A LfP ftttcwa»i^cau^\^tt^ucwvnwe^u€ttlii5Jocwin(t<Cqcwa f\m«ua«föwttniwfnAtwjtuis\wÄ^mwm«fa>tJl5xnCn4«^ nurfT-'li'; l"S M.» Vk>tru1' 5. ^^.ckÖc .■OjflC «Wt! flncl^MO ftn ■»cbcCr'' UPfti "•Nö-möiT MC fcniinr» quj^ äalrr illi® p-itTüicnT Ictvirims qnc apoirrrlim cnp-tt(igillfir4ijnr mrtmtffiM^n Ihn fcnio fuawth qui Ttllimomu phtbiuruerl'odiititfhma mit itmxfi queäiß;uuin- ße.mirqm Ic^ et cjiiiMidw ucrb.i^phcnchiuus" I etfmuFCJ qupina fmpa .ttTito I f'iifiiii.fjpc atHandschrift CSF. XI/1, Florianer Riesenbibei, Blatt 319", Initiale zur Apokalypse lieh dieser Ansicht angeschlossen —, zur Einreihung der Florianer Riesenbibel in die genannte italienische Gruppe. Es ist hier nicht der Platz, dieses interessante Kapitel österreichischer Wissenschaftsgeschichte auszubreiten. Man muß aber festhalten, daß über Initiative eines japanischen Wissen schafters heute die gegenteilige, die ur sprüngliche Meinung der Zugehörigkeit zur Salzburger Gruppe das Übergewicht zu ge winnen scheint. Obwohl wir uns noch im Kataiog der Landesausstellung in Wels 1983" für die „italienische" These ausgesprochen haben, gab uns die Vorlage der Handschrift aus diesem Anlaß den Anstoß, unsere An sicht zu revidieren. Mit der Annahme der Entstehung der Riesen bibel in Salzburg ändern sich nicht nur die Lokalisierung und Datierung, sondern auch der geistesgeschichtliche und historische Zusammenhang. Man muß demnach — die Datierung in die Zeit um 1120 wird dadurch notwendig — die Riesenbibel aus dem un mittelbaren Zusammenhang des Investitur streites herausnehmen und in die geistigen Bestrebungen einer Reform beweg ung ein ordnen, wie sie durch die Förderung der Au gustiner-Chorherren nach 1122 durch den Salzburger Erzbischof Konrad I. (1106—1147) T>ms'iäbv- •19 ■■yij Iwbtfnffttmmoljmltf cttnt Atnfiimo «iwtnö ».tttänW'Snndäfliffin inämi(hKi«(!{^mnoK4>noM.wycmmw.ftÄra! .1 anfirv«Kmtcra«»t(Vümta.. «anttefe«af«it«tir(iy«tjpwa,;3jac(i«mftr. il Jum «aiili(tarn«iii^ötU'fltii()ic40Klitt.Kw«e(jrap«in5j« oumcaffaat! p «iwabmatBnt'Unr.lbKttnisnn- jp tynntiifiKiiaii awffiif lieKfife«opnufafme^<lijti)t!BSiiia. cfaitS Handschrift CSF. III/5, Dekret des Gratian, Initiale Q, Eintritt eines Novizen in ein Kloster entstanden ist. Linter Berücksichtigung der Vielschichtigkeit der Handschrift wird es viel leicht möglich sein, sie in die Anfänge dieser Reform einzureihen. Jedenfalls ist das letzte Wort über diese Riesenbibel noch nicht ge sprochen, zumal neben rein codicologischen und kunsthistorischen Gesichtspunkten auch solche der Geistesgeschichte und der Salz burger Landesgeschichte miteinbezogen werden müssen. Wenn wir nach diesen Präludien nun zu den Cimelien selbst übergehen, so haben wir mit einer kanonistischen Handschrift zu begin nen. Wir müssen dabei die eigenständige Entwicklung von St. Florian im 12. Jahrhun dert beiseite lassen, was wegen des Umfangs der Gruppe — es handelt sich um fast 50 Handschriften — notwendig erscheint. Die zu besprechende Handschrift CSF. III/5 enthält das Decretum des Gratian, das in der rechts historischen Literatur jener Zeit eine wichtige Rolle spielte. Es ist dem Erforscher der Auf nahme des Römischen Rechtes in unserem Lande, Universitätsdozent Wilfried Stelzer, Wien, gelungen, nachzuweisen, daß diese aufwendig ausgestattete Handschrift einem der ersten führenden Kanonisten Öster reichs, Altmann von Sankt Florian, als Hand exemplar diente, und daß sie eine Anzahl inI / i j!.XliäKsa%ml5 cotmia.ttUUfö6,|litnt tc tcftöcttlttfie mc «tropuft ■'^^^ßtbuieftaflttti^ScnmeMKawmtpa •^«(a^oamtDjtuues quoö vocöfn co Ix^SfOtmm «oSTtmifBaDeOfttioiiMtu^n tct^ituopio ataitttasjrrlüjcr ss-tW. ö'sctlumit^mm^tttQtetarfi.s.co ituuMsifttatua.ittatcfticctaKttF fftncttt.aftpffyr^f^öctfetcöatmrfF cTt^.^utbir öcttßtujcctu qttoo ^ tKJfftuttqnuam öfcttv'^TtiieU^as notteftiÄcttmvqi e «jCf^ietttasie.-^ öie& tuate.switq? Ööftßtfimaili mfntcö!oeq!{«^:'i56tuiöatia£ii«M9 fti) aquts.ßesttc&ciß ftmaiftm-StStt qi aquas qitc cmntüU) fitmatftto; amnvaitmtmm&mnBmmtittv -sfamun c ttaVsoöwuoK? ö's fmuft fnwl ucfpcttitöw.' öicarc{fe.»twcüoö'6-eotipe®räuK' aqttc qttcßtö cclö ftmrinxoaitttm' ttoöutatfs attöatutmittXbsifft'c tiart«töitt-Ä& qUoö öt Wrtmtttrci; faaeiisfitimt tiHuvt.«? mitmnefiMtetttEittfmw totiTignaitiq^facffMbT MtisTha. 1)cii&muuaq%f«ttetitL'E «rfitv 'Spcmfusm.ffc-utdrcös Qtwöcctrijo. t;| s!UKiJr6aaq5cii6f^-mtaii£röje6 'Cttue.^sxurtf öSsts-fiatitUHttttm. imitiftvtnafÄto cclmtauHtdctötg- .oinaaemr^riiKrutßgm-itcttt^a. Nöttsciflnttoöflriacmjwrmfttma j xneato cetootumtmrcmm-förfiac iu«-ca%fetnga'6BtM>«iagtia.ia mnaaajtttmnaitrttiaias tt.-iftena6-®(-potatrca(itn€Ktn0ine ö!eiftcnocti.''Ttdttiwc»etttUt«emäc p|^ö32Ä6&tttött-f!fequoöwri»nfi.' i =ii:«..«®CtumCttCC^1Etttai»Ct>tC6^6 f J Handschrift CSF. 111/222, Bibel, Paris, um 1240, Blatt 4', Initiale mit den sieben Schöpfungstagen 13

teressanter Glossen aus der Zeit der schriftlichen Niederlegung des Textes ent hält. Auch hier hat man zunächst an einen ita lienischen Ursprung gedacht, doch kann nach den neu gewonnenen Einsichten in die Buchmalerei des späten 12. Jahrhunderts kein Zweifel mehr sein, daß der Codex III/5 aus Westeuropa, aus dem kulturell eng ver bundenen Südengland bzw. Nordfrankreich, stammt. In unserem Falle erhält dies insoferne eine neue Gewichtung, als wir unter den Glossen solche aus den südenglischen Rechtsschulen finden. Stilistisch steht unse re Handschrift in den anderen österreichi schen Beständen nicht isoliert, auch hier wird man damit ein neues Kapitel der heimischen Geistesgeschichte aufschlagen können. Wie sehr dieses mit St. Florian verbunden ist, zeigt eine Anrufung des Heiligen am Anfang des Buches. Im allgemeinen gelten solche Feststellungen ebenso für weitere, in der damaligen Zeit nicht seltene Buchimporte aus dem Westen. Auch St. Florian besitzt ein Beispiel dafür in einer bisher unbeachteten Bibelhandschrift. Zwar ist bei dieser die Herkunft unbekannt, doch sind Erzeugnisse ähnlicher Ateliers aus nicht wenigen anderen österreichischen Klosterbibliotheken nachzuweisen. Der CSF. 111/222 in dem handlichen Format von 25 X 18 cm enthält die gesamten Bibeltexte in einer kleinen, sehr zierlichen Schrift mit zahl reichen, meist überaus kleinen und qualitäts voll ausgeführten Miniaturen und Initialen. Er wurde in einem Pariser Atelier um 1240 her gestellt. Die Meisternamen sind in dieser Ent wicklung meist unbekannt, doch läßt sich aus dem heutzutage über die ganze Welt ver streuten Bestand von ähnlichen Handschrif ten an einer ganzen Reihe von Gruppen die Zeitentwicklung mit einer relativ großen Prä zision feststellen. St. Florian besitzt darüber hinaus noch eini ge andere Beispiele aus dem Bereich der westlichen, der französischen Buchmalerei. Wir begnügen uns, auf zwei von ihnen hinzu weisen, die vor noch nicht langer Zeit (1975) durch Professor Gerhard Schmidt, Wien, in die kunsthistorische Literatur eingeführt wor den sind.® Wiederum handelt es sich um reich ausgestattete Rechtshandschriften. CSF. III/2 enthält das Decretum Gratiani, es wurde kurz nach 1291 in Paris geschrieben und reich ausgestattet. Der Cod. S. F. III/3 enthält einen kommentierten Dekretalentext des Papstes Bonifaz VIII. Auch diese Hand schrift stammt aus Paris, sie ist um etwa 1315—1325 zu datieren. Beide Handschriften sind seit dem 15. Jahrhundert in St. Florian nachzuweisen, haben aber vorher verschie dene Schicksale gehabt. Unsere Abbildun gen sollen die Qualität demonstrieren und zum m Sv'.K?"XTI^,-v «npiefritlJliTirOTtutUTO, i Handschrift CSF. III/2, Dekret des Gratian, Paris nach 1291, Blatt T, Anfangsseite gleich die Sammeltätigkeit im Stift im späten Mittelalter belegen. Wir haben bereits oben ausgeführt, daß wir die im Stift abgelaufenen Entwicklungen des Florianer Skriptoriums in der Zeit des romani schen Stiles und die Hochblüte der eigen ständigen Maler-Werkstatt um 1300 aus un serer Aufzählung aussparen wollen oder müssen. So bleiben wir bei den juristischen Prunkhandschriften und wenden uns einem weiteren Beispiel von Bonifaz des VIII. Dekretalen zu, diesmal nicht viel später, aber zum Unterschied im Süden, in Italien, hergestellt. Der Codex S. Floriani 111/7 ist vor 1342 in Bo logna in dem bekannten und hochangesehe nen Atelier des Nicolo di Giacomo da Bolo gna hergestellt. Der überreiche Schmuck besteht außer den blattgroßen Vollbildern am Anfang und am Ende, wo die Verwandt schaftstafeln ausgeführt sind, aus einer gro ßen Zahl von kleinen, überaus lebendig mit Köpfen figurierten Initialen. Man hat derartige Handschriften mehrfach für hochgestellte, an südlichen Universitäten studierende Kleriker hergestellt, wie die Parallelhandschriften in Salzburg und an anderen Orten beweisen. Der CSF. III/7 ist für Albrecht II., Herzog von Sachsen hergestellt worden, der in Padua studierte, wo er 1314 Rektor der Ultramontaji© ureosiHiStncpscgac nfc?*j»rotojtojnicEnfi0etpämiu6*f>ic Handschrift CSF. III/S, Dekretalen von Papst Bonifaz VIII., Paris 1315—1325, erste Miniatur, Überreichung der Handschrift. nisti war. Später wurde er Bischof von Passau (bis 1342) und in dieser Zeit ist die Hand schrift entstanden, wie das mit den entspre chenden Wappen versehene Titelbild zeigt. Die Hauptdarstellung ist dem Passauer Pa tron, dem hl. Stephanus, gewidmet. Auch diese Handschrift kam schon im 15. Jahrhun dert nach St. Florian, wie die Besitzvermerke dieser Zeit beweisen. Ob die Erwerbung so bedeutender Prunkhandschriften, wie die zu letzt genannten Rechtshandschriften, auf eine gezielte Sammeltätigkeit dieser Zeit zu rückgeht, ist eine offene Frage. Daß sie sich nunmehr seit mindestens 500 Jahren im Be sitz des Stiftes oder der Stiftsbibliothek befin den, muß als Beweis einer großartigen Tradi tionspflege gewertet werden. Etwa in der gleichen Zeit kann, wie in ande ren Klöstern und Stiften, auch in St. Florian eine bedeutende eigenständige Pflege der Buchkunst nachgewiesen werden. Soweit dies eine zusammenhängende Reihe von künstlerisch gestalteten Handschriften und Wiegendrucken ergibt, ist eine Zusammen fassung an anderer Stelle vorgesehen.^ Hier müssen wir uns auf wenige Beispiele be schränken, welche eine gewisse Außensei terposition im Bücherbestand besitzen. Dazu gehört eine Gruppe von Handschriften ver14

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