Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 4, 1985

Oberösterreich aktuell Raumordnung im gemeinsamen Grenzgebiet Oberösterreich—Steiermark Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck Das Wort Grenze weist auf Unterschiedliches beiderseits der Grenze hin. Grenzen können sich in langen Prozessen bilden, Grenzen können aber auch mehr oder minder hart ge zogen werden. Sie können sich zwischen Menschen und Völkern auftun, aber auch zwischen ihnen aufgerichtet werden. Leider haben wir in Oberösterreich an unserer Nord grenze immer noch eine wenig menschliche Grenze. Grenzen dienen anderseits der Abgrenzung überschaubarer menschlicher Lebensräume und werden dann als natürlich empfunden, wenn sie sich allmählich als Lebensräume landsmannschaftlich verbundener Bürger gebildet haben und ihnen — bei voller Frei heit des Aufenthaltes — die Geborgenheit der Einbindung in eine engere Heimat bieten. Die oberösterreichische Landesregierung hat über die bestehenden gut nachbarlichen Beziehungen hinaus mit den österreichi schen Bundesländern Niederösterreich, Salzburg und Steiermark Vereinbarungen gemäß Art. 15 a des Bundesverfassungsge setzes, also „Staatsverträge", abgeschlossen und pflegt auch mit dem Freistaat Bayern enge Kontakte in grenzüberschreitend be deutsamen Angelegenheiten der Raumord nung und des Umweltschutzes. Die diesbezügliche Vereinbarung mit dem Land Steiermark wurde am 10. September 1979 in Spital am Pyhrn von den Landes hauptmännern beider Länder unterzeichnet. Bevor ich meine Betrachtungen aber auf den engeren Grenzraum richte, möchte ich noch einen Blick auf die beiden Partnerländer wer fen, die diese Vereinbarung beschlossen haben. Die beiden großen Bundesländer Steiermark und Oberösterreich liegen in der Mitte des Bundesgebietes und füllen diese Mitte von der nördlichen bis zur südlichen Staatsgren ze aus. Mit einer Gesamtfläche von 28.400 km2 sind sie größer als ein Drittel der Fläche des Bundesgebietes, mit einer Einwohner zahl von knapp 2,58 Millionen stellen sie knapp ein Drittel der Bevölkerung Öster reichs. Aus dieser Lage in der Mitte ergibt sich eine bedeutende Mittler-Stellung, die auch für das Grenzgebiet von Bedeutung ist. Das Land Oberösterreich ist Bindeglied zwi schen Ost und West nördlich der Alpen, ins besondere entlang der Donauachse. Die Steiermark hat diese Vermittlerfunktion im Süden, ebenfalls aus der Funktion der Mitte heraus. In nord-südlicher bzw. nordwest südöstlicher Richtung haben die beiden Län der über die Alpen hinweg eine Vermittlerrol le von europäischer Bedeutung. Europäische Hauptverkehrsachsen überlagern die regio nalen Verbindungslinien. Einst Zugstraßen der Völker und Heere, sind sie nun große Kommunikationslinien für den Güter- und Personenverkehr auf Straße und Schiene, Gastarbeiterrouten und Fremdenverkehrs magistralen. Sie liegen zum Teil als Last auf diesem Raum und sind doch wieder für die wirtschaftliche Standortgunst von Bedeu tung. Diese transeuropäischen Zugstraßen für Wirtschaft und Verkehr übersteigen in ih rer Ausbau-Dimension die nationalen Bedürf nisse, der Ausbau bedarf großer Umsicht be züglich der Einfügung in die betroffenen Siedlungsräume und Landschaften beider seits der Grenze. Die Grenze zwischen den Ländern Ober österreich und Steiermark ist im wesentli chen eine natürliche, vorgezeichnet durch die Stöcke und Kämme des Dachsteinmas sivs, des Toten Gebirges und der Nordkette der Ennstaler Alpen. Kontaktstellen zwischen beiden Landesgebieten gibt es nur wenige: in den Engtälern, wo die Flüsse Traun und Enns aus der Steiermark in unser Landesgebiet eintreten, oder im Bereich des Pötschenpasses und des Pyhrnpasses. An diesen wichtigen Kontaktstellen hat sich durch die Jahrhunderte hindurch bis heute der Austausch zwischen hüben und drüben abgespielt, über Salz- und Eisenstraßen, über die flößbare Enns und später auch über die drei Bahnlinien, die unsere Länder ver binden, die Salzkammergutbahn, die Pyhrnbahn und die Ennstalstrecke. Frühere enge regionalwirtschaftliche Verflechtungen im Bereich der Eisenwurzen und der Salzgewin nungsgebiete sind im Zuge der wirtschafts geschichtlichen Entwicklung mit ihren Zen tralisierungstendenzen nicht mehr in dem Maße gegeben wie früher. Das gemeinsame Grenzgebiet liegt mehr oder minder weit ent fernt von den großen Wirtschaftszentren der beiden Länder im Oberösterreichischen Zen tralraum im Norden und dem Grazer Becken bzw. dem Obersteirischen Industrieraum im Süden. Das birgt die Gefahr in sich, daß sich die Kräfte der Landesentwicklung gegen die Grenzgebiete hin „verdünnen" und daß dort Voraussetzungen, die denen in den Zentral räumen nicht mehr gleichwertig sind, entste hen und durch eine negative Wanderungsbi lanz eine „passive Sanierung" eintritt. Daher nehmen sich die Raumordnungs- und Struk turpolitik der beiden Länder, aber auch die gemeinsame Wirtschaftspolitik der Länder mit dem Bund der Entwicklung der Grenzge biete im besonderen Maße an. In der Steier mark wurde 1977 das Landesentwicklungs programm erlassen, Oberösterreich verabschiedete 1978 das Landesraumord nungsprogramm. In beiden Ländern sind Raumordnungskonzepte bzw. -programme für Regionen und Teilregionen vorhanden oder in Arbeit. Das Grenzgebiet war auch Ge genstand gemeinsamer Beratungen im Rah men der Österreichischen Raumordnungs konferenz. Als Grundlage für gemeinsame Förderungsprogramme des Bundes mit den berührten Ländern wurden in Oberösterreich der Bereich Weyer (Bezirk Steyr-Land) und in der Steiermark der Bereich St. Gallen (Bezirk Liezen), beide also im gemeinsamen Grenz gebiet, als Voraussetzung für koordinierte Förderungsmaßnahmen als „entwicklungs schwache Problemgebiete" ausgewiesen. Als strukturschwache Problemgebiete, für die koordinierte Maßnahmen vorgesehen sind, wurden in Oberösterreich der Standort raum Kirchdorf an der Krems und in der Stei ermark der Standortraum Liezen ausge wiesen. Aufgabe des bilateralen Übereinkommens der Länder für das „gemeinsame Grenzge biet" ist es, neben der gegenseitigen Informa tion über raumbedeutsame Vorgänge auch eine harmonische und in den Zielsetzungen abgestimmte räumliche Entwicklung zu er möglichen und damit einen Beitrag zur wei teren Vertiefung der Beziehungen zwischen beiden Ländern zu leisten. In diesem Abkom men haben sich beide Vertragsparteien auch verpflichtet, ihre raumbedeutsamen Planun gen und Maßnahmen an gemeinsam erarbei teten Vorschlägen und Empfehlungen zu orientieren und auf raumbedeutsame Pla nungen und Maßnahmen anderer Planungs träger nach Möglichkeit im Sinn solcher ge meinsamen Vorschläge und Empfehlungen Einfluß zu nehmen. 79

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